Verteilung der Kita-Gutscheine im Rückstand

von Naomi Jones 17. Januar 2014

Seit dem 1. Januar gibt es in der Stadt Bern keine subventionierten Kita-Plätze mehr, sondern Gutscheine für die Eltern. Am 15. Mai 2011 hatte die Berner Bevölkerung den Gegenvorschlag zur Kita-Initiative der SP angenommen. Die Vorlage wird nun mit einem Jahr Verzögerung umgesetzt.

Das Jugendamt der Stadt Bern arbeitet auf Hochtouren, um die seit letztem November gültige Verordnung umzusetzen. «Ein grosser Teil der Gutscheine konnte bereits ausgestellt werden und langsam kehrt Routine ein», erklärt Amtsleiter Alex Haller.

Im September informierte die Stadt alle Eltern, deren Kind einen von der Stadt subventionierten Betreuungsplatz hatte, über den bevorstehenden Systemwechsel. Die Eltern wurden gebeten, die für den Gutschein benötigten Unterlagen rechtzeitig einzureichen.

Das Amt prüft die eingereichten Dokumente und stellt gegebenenfalls eine Verfügung aus. Laut dem Reglement über die familienergänzende Betreuung von Kindern und Jugendlichen (Betreuungsreglement) soll die Verfügung innerhalb von zehn Tagen ausgestellt werden. Aufgrund der Verfügung ist die Kita berechtigt, den gesprochenen Betrag bei der Stadt einzufordern. Auf der Rechnung an die Eltern wird sie ihn abziehen.

Viel Administration

«Die Überprüfung aller Unterlagen, das Nachfragen etc. hat zu Verzögerungen geführt», so Haller. Die Umstellung auf das neue System bedeutet einen riesigen administrativen Aufwand. Ausserdem muss das Amt den Datenschutz sicherstellen. Denn die Eltern reichen Steuerunterlagen und Lohnausweise ein. Zudem brauchen sie eine Bestätigung der Kita, dass sie einen Betreuungsplatz für ihr Kind haben.

Neu suchen die Eltern den Kitaplatz selbst und beantragen bei der Stadt den Betreuungsgutschein, sobald sie den Platz haben. Früher wies die zentrale Vermittlungsstelle den Platz zu. Die Wartezeit auf einen subventionierten Platz konnte aber bis zu drei Jahren dauern.

Auch für die Kitas ist der durch den Systemwechsel bedingte Aufwand gross. Sie müssen mit allen Eltern, die vorher einen subventionierten Platz hatten, Einzelverträge abschliessen. «Da es zu einer Verzögerung kam, haben viele unserer Eltern den Gutschein noch nicht und wir befinden uns mit ihnen in einem vertragslosen Zustand», erzählt Pia Aeschimann, Geschäftsführerin der Kita Murifeld. Dies soll allerdings nicht lange so bleiben, versichert Haller vom Jugendamt. Die privaten Kitas werden prioritär behandelt.

Der Anspruch auf Subvention kann sich ändern, wenn sich die berufliche oder die finanzielle Situation des Paares ändert.

Naomi Jones

Die Unterlagen der Eltern müssen jedes Jahr überprüft werden. Der Anspruch auf Subvention kann sich ändern, wenn sich die berufliche oder die finanzielle Situation des Paares ändert. «Bei mehreren Eltern hat sich herausgestellt, dass sie keinen Anspruch auf einen Gutschein haben oder nur in geringerem Umfang, als bisher», sagt Haller.

Gemäss dem Betreuungsreglement richtet sich der Anspruch auf Subvention nach dem tatsächlichen Arbeitspensum der Eltern. Arbeitet der Vater 80 Prozent und die Mutter 60 Prozent, haben sie zusammen Anspruch auf einen subventionierten Betreuungsplatz für ihr Kind von 40 Prozent. So kann es sein, dass Eltern, die einen subventionierten Krippenplatz für z.B. 60 Prozent hatten, nun nur noch Anspruch auf 40 Prozent haben. «Es könnten also bisher subventionierte Plätze frei werden», sagt Alex Haller. Insbesondere für die klassischen Mittelstandsfamilien dürften die Chancen auf einen mit Gutschein subventionierten Betreuungsplatz etwas höher werden. Denn vorher war das Betreuungspensum nicht begrenzt.

Wird der Systemwechsel also auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen? Nein. Denn mit einem Arztzeugnis oder mit einer von einer externen Fachstelle bestätigten sozialen Indikation muss das Amt einen entsprechenden Gutschein verfügen. Ausserdem kann die Stadt die Anzahl der Kitaplätze nicht mehr beschränken. Sofern eine private Kita die ASIV-Bedingungen erfüllt, kann sie Gutscheinplätze schaffen. Dies entspräche gar dem Ziel der Kita-Initiative. Denn die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein deutliches politisches Anliegen.

Zwei Arten von Plätzen

Dass weiterhin von subventionierten bzw. gutscheinberechtigten und privaten Plätzen gesprochen wird, irritiert allerdings. Im Vorfeld der Abstimmung ist immer wieder betont worden, dass im neuen System nicht mehr die Kitas, sondern die Eltern subventioniert würden. Dadurch wäre es Eltern möglich, den Betreuungsplatz für ihr Kind frei zu wählen. Das Gutscheinsystem sollte eine Antwort auf die langen Wartelisten der städtischen Kitas sein. Denn dank der Gutscheine könnten auch Eltern mit bescheidenen finanziellen Mitteln ihr Kind in einer privaten Kita betreuen lassen. Angebot und Nachfrage würden besser aufeinander abgestimmt, lautete die Botschaft.

Kitas, die mit Betreuungsgutscheinen arbeiten wollen, müssen sich an das Betreuungsreglement halten. Gemäss diesem bestimmt der Gemeinderat nach den Vorgaben des Kantons den maximalen Betreuungstarif. Der Stadtrat spricht jährlich einen zusätzlichen Fixbetrag zum kantonalen Betreuungstarif gut. Konkret liegt der Kantonale Maximalansatz bei etwas mehr als 103 Franken pro Tag. Die Stadt steuert einen Fixbeitrag von 6 Franken dazu. Ausserdem darf die Kita die Mahlzeiten in Rechnung stellen. Das muss so sein, damit die städtischen Betreuungsgutscheine gemäss der Verordnung über die Angebote zur sozialen Integration (ASIV) zum kantonalen Lastenausgleich zugelassen sind.

Für die Kita Murifeld ist der Gutscheinanspruch kein Kriterium für oder gegen eine Aufnahme

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Für die privaten Kitas bedeutet dies aber, dass sie den gutscheinberechtigten Platz unter ihrem eigentlichen Tarif verkaufen müssen. Ein privater Betreuungsplatz mit Mittagessen kostet durchschnittlich 120 Franken pro Tag. Das war zwar vorher auch schon so. Dann hatte eine private Kita jedoch den Anreiz, sich mit dem Verkauf eines ansehnlichen Teils von Plätzen an die Stadt ein fixes Grundeinkommen zu sichern. Die Sicherheit im Budget machte die etwas tieferen Einnahmen wieder wett.

Die Kitas bestimmen heute freiwillig, ob und wie viele Kinder mit Gutscheinanspruch sie aufnehmen. Für Aeschimann von der Kita Murifeld ist der Gutscheinanspruch kein Kriterium für oder gegen eine Aufnahme. «Mit wenig mehr als 2 Franken ist die Differenz unseres Tagesansatzes zu dem von der Stadt vorgegebenen Tarif sehr gering. Wenn die Eltern eines von uns betreuten Kindes einen Gutschein haben, erhalten sie den reduzierten Tarif.» Die Kriterien für die Auswahl eines Kindes richten sich eher nach dem Anmeldedatum, ob bereits ein Geschwisterkind in der Kita betreut wird und nach der Dringlichkeit. «Es ist aber schon etwas schwierig, dass der städtische Fixbeitrag jedes Jahr neu bestimmt wird und wir somit unser Budget nicht sicher planen können», räumt Pia Aeschimann ein.

Mehr Zahnbürsten im Badezimmer

Der Systemwechsel sollte sich aus einem anderem Grund positiv auf die Wartelisten auswirken. Da die Gutscheine bereits für sehr kleine Pensen ab 10 Prozent gesprochen werden, werden sich voraussichtlich mehr Kinder als heute einen Vollzeitplatz teilen. Bis anhin gaben die meisten Kitas ein minimales Betreuungspensum von 40 Prozent vor. Mit Alex Haller ausgedrückt: «Auf zehn Plätze werden im Durchschnitt mehr Zahnbürsten im Badezimmer stehen als heute.»

Die Herausforderung der Kitas wird es sein, auch für Kinder mit sehr kleinen Pensen eine qualitativ hochstehende Betreuung und Beziehungsarbeit zu bieten.