Hohe Fenster an zwei Seiten des kabinettartigen Raums, eine reich geschmückte Türe an der dritten Seite und die schmale vierte Wand, durch die man eintritt. Graublauer Holztäfer, Terrazzo-Boden. Das Gegenteil des White Cube. Darin liegt, raumfüllend, eine Mimi-Plastik aus Eichenholzbalken von Markus Raetz; an einer Wand Alois Lichtsteiners Berg-Malerei, an der anderen Bilder von Nicolas de Staël und Kotscha Reist. 50 Jahre liegen die Werke in ihrer Entstehung auseinander. Ein spannungsgeladenes und ausbalanciertes Ganzes, Vielklang der Malerei und Plastik. Die Kraft, die der Raum auch ohne Bilder ausstrahlt, tut den Kunstwerken nicht Abbruch. Spürbar kommt sie hinzu. In der Reibung gewinnen sowohl die Kunst wie der Raum und schaffen gemeinsam einen besonderen Ort.
Reibung an den Räumen
Ich versuche dies zu beschreiben, weil die Ausstellung in eine Zeit fällt, da über das Kunstmuseum der Zukunft diskutiert wird und unter anderem optimale Bedingungen für das Zeigen der Werke gefordert werden. Hier sind sie. Im Raum des Stettlerbaus ist die Kunst der Gegenwart ebenso zu Hause wie jene aus der Renaissance. Es gibt keine ungeeigneten Räume, wenn die Kuratorinnen und die Kuratoren Unvoreingenommenheit und Vorstellungskraft mitbringen.
Über drei Kabinette, zwei davon fensterlos, und den langen Festsaal erstreckt sich die Schau. Die grossen Fenster des Saals sind aus konservatorischen Gründen abgedunkelt, der Blick auf den Aarehang verwehrt. Das ist schade, weil so eine grosse Qualität der Ausstellung künstlich gedämmt wird: Offenheit, Ausblick, Neugierde.
Spezifische Hängung
Zu betrachten ist rund ein Drittel der mehr als 300 Werke, welche der Verein in hundert Jahren von 91 Künstlerinnen und Künstlern angekauft hat. Die Gemälde, Plastiken, Objekte, Zeichnungen entstanden zumeist im 20. Jahrhundert, wenige sind deutlich älter. Die Liste der Künstlerinnen und Künstler reicht von Josef Albers und Cuno Amiet bis Félix Vallotton, Oleg Vassiliev und Caspar Wolf. Schön, dass Wolfs Werk «Die Schwarze Lütschine, aus dem Unteren Grindelwaldgletscher entspringend» von 1777 nur wenige Tage nach Schliessung der Ausstellung «keineismeehr» über die Grindelwaldgletscher im Kunsthaus Interlaken in «seinem» Bern zu sehen ist.
Gehängt und gestellt sind die Werke nicht chronologisch, weder nach der Zeit ihrer Entstehung, noch in der Reihenfolge des Ankaufs. Sie sind in Gruppen zusammengefasst, die einem museumspolitischen Thema folgen (zum Beispiel der Stärkung von Niklaus Manuels Umfeld oder der Bildung eines Schwerpunkts Vallotton) oder aber rein formale Bezüge schaffen. Ein Saalplan verschafft Orientierung.
Ad Parnassum
Vor weissem Hintergrund – die einzige Stellwand – gegen die Aare hin hängt herausgehoben eines der kostbarsten Werke der Sammlung: Paul Klees «Ad Parnassum». Oskar Bätschmann schildert in seinem Katalogbeitrag kenntnisreich die Geschichte des Motivs, interpretiert das Werk und vergleicht es mit früheren Parnass-Darstellungen.
Vergleichbare Texte beleuchten andere Bilder. Dieter Baumann, ehemaliger Vereinspräsident, erzählt lebendig vom Ankauf mehrerer Fotografien und Fotoleinwänden Balthasar Burkhards im Jahr 2004 während dessen Ausstellung OMNIA im Kunstmuseum. Und Hans Christoph von Tavel, langjähriger Museumsdirektor, lässt im Beitrag «Transformationen und Substitutionen» die 1980er Jahre in Russland und Bern wiederaufleben, in denen dank glücklicher Umstände Oleg Vassilievs Konvolut erworben werden konnte. Die beiden Konvolute liegen quer über den langen Saal einander direkt gegenüber – eine besondere Konfrontation.
Geschichten noch und noch
So haben jedes Werk, jeder Ankauf eine Geschichte, auch wenn nicht jede erzählt wird. Abgesehen von der Qualität, vom Geschmack, von der Verbindung mit der bestehenden Museumssammlung ging es oft auch um den Preis, das Geld, das Sich-leisten-Können, das Ersuchen bei Freunden und Freundinnen der Freunde, um das schmale Ankaufsbudget des Vereins aufzubessern. Erwähnenswert auch, dass der Verein zum 50-jährigen Bestehen ein Pastell von Edvard Munch, «Meudon», erwarb. Ob und was für ein Werk zum 100. angekauft werden wird, ist noch Diskussionsthema im Vereinsvorstand.
Die Ausstellung wird im Dezember teilweise umgehängt. Dann kommen andere Werke zum Zug, etwa von Karl Walser, Giorgio Morandi und der erwähnte Munch.
Mitglieder willkommen
Ein schöner und informativer Katalog sowie ein reichhaltiges Rahmenproramm mit Führungen Vorträgen und einem Konzert geben Einblicke auch in die Entstehung der Sammlung und zu einzelnen Werken.
Übrigens: Mit 90 Franken Jahresbeitrag ist man dabei. Bei derzeit rund 1000 Mitgliedern kommen jährlich 90‘000 Franken zusammen. Das ist wenig angesichts der Preise auf dem Kunstmarkt. Es ist viel als Beteiligung der Bevölkerung, vor allem wenn man bedenkt, wie klug – das heisst auch preisbewusst – bisher angekauft worden ist. Welchen künstlerischen Wert die Tätigkeit des Vereins hat, lässt sich jetzt in der Ausstellung selber er-sehen.
Ein Letztes: Der Verein kauft zu Gunsten des Kunstmuseum Bern, bleibt indes Eigentümer der Werke. Verkauf ist ausgeschlossen, es sei denn, der Verein löse sich auf. Dann fällt die Sammlung gemäss Statuten an das Kunstmuseum.