Universität Bern: Die Neuen im Rat

von Yannic Schmezer 11. Mai 2015

Bei den Wahlen des StudentInnenrats an der Uni Bern hat die neugegründete Partei «Wirtschaftswissenschaften im Rat» acht Sitze geholt. Damit ist sie auf Anhieb die zweitstärkste Kraft im Rat. Yannic Schmezer klärt auf, wie es dazu gekommen ist.

Thomas Knecht und Dino Collalti sehen Verbesserungspotential im «StudentInnenrat an der Uni Bern» (SR). Die beiden Wirtschaftsstudenten wurden diesen März zusammen mit sechs weiteren Kollegen der Partei «Wirtschaftswissenschaften im Rat» (WIR) in den SR gewählt.

Die WIR wurde erst im Vorfeld der diesjährigen Wahlen gegründet. Darum erstaunt es umso mehr, dass sie sogleich zur wählerstärksten Kraft im Rat wurde.

Traditionell niedrige Wahlbeteiligung

Der SR ist das oberstes Organ der «StudentInnenschaft an der Uni Bern» (SUB) und von Abkömmlingen grosser, nationaler Parteien wie der SP, den Jungfreisinnigen oder den jungen Grünen dominiert. Die vierzig Sitze werden alle zwei Jahre neu besetzt. Die Wahlbeteiligung ist regelmässig tief: 2013 lag sie bei mageren 9 Prozent. Bei den diesjährigen Wahlen im März war sie immerhin fast doppelt so hoch.

Der WIR gelang bei den jüngsten Wahlen ein Coup: Sie holte bei ihrer ersten Wahl in der Parteigeschichte gleich ein Fünftel der Sitze. Nur das sozialdemokratische Forum konnte sich gegen den Neuling behaupten, wenn auch lediglich aufgrund einer Listenverbindung mit den jungen Grünen. So besetzen die Sozialdemokraten zwar nach wie vor die meisten Sitze, aber gemessen an den Wählerstimmen wurden auch sie von der WIR übertrumpft.

Vielen Studierenden an der Uni Bern ist die SUB gänzlich unbekannt. Das hat sich die WIR zunutze gemacht. Sie hat diesem Umstand – mehr als die SUB selbst – mit einem aggressiven Wahlkampf entgegengewirkt und konnte eine beachtliche Anzahl Studierende als Neuwähler gewinnen. Die vergleichsweise hohen Wahlbeteiligung von 16,6 Prozent in diesem Jahr ist zu einem beachtlichen Teil den Wählerinnen und Wählern der WIR geschuldet.

Die politische Ausrichtung spielt keine Rolle

Die politische Stossrichtung der WIR lässt sich laut eigenen Angaben nicht strikt im links-rechts Gefüge einordnen. Die Ausrichtungen der Mitglieder erstreckten sich fast über das gesamte Spektrum. Collalti sympathisiert mit Verfechtern einer freien Marktwirtschaft wie der JFDP oder den Grünliberalen und betont gleichzeitig die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmertums. Knecht stammt aus einem sozialdemokratischen Elternhaus, doch auch er verschreibt sich dem Wirtschaftsliberalismus. Seiner Meinung nach resultiere diese Gesinnung zwangsweise aus seinem Wirtschafsstudium.

Eigentlich spiele die politische Ausrichtung für die Tätigkeit im SR aber eine untergeordnete Rolle, sagt Collalti. Der SR sollte in erster Linie Fragen in Bezug auf den Mikrokosmos «Universität» behandeln. Trotzdem würden regelmässig grosse parteipolitische Inhalte debattiert. Dadurch gingen wertvolle Ressourcen verloren, die für die Erfüllung der eigentlichen Aufgaben des SR benötigt würden. In der Folge werde der Rat träge und ineffizient.

Hier sieht die WIR ihre Hauptfunktion. Der SR soll sich wieder auf seine ursprünglichen Aufgaben besinnen, pragmatischer werden und die Anliegen der Studierenden ernst nehmen. Knecht bemängelt beispielsweise die fehlende Nähe zur Basis. Die SUB bemühe sich zu wenig, direkt an die Studentinnen und Studenten heranzutreten. Collalti schlägt zur Einbindung Erstimmatrikulierter einen Stand der SUB am Tag des Studienbeginns vor. Damit könnte dem Auseinanderdriften von Basis und SUB entgegengewirkt werden.

Politik machen für eine Fakultät

Die WIR vermutet einen Grossteil ihrer Wählerschaft in der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät. Nicht zuletzt deshalb sieht sie sich verpflichtet, die Anliegen der Fakultät in den Rat zu bringen.

Historisch gesehen hätte die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät an der Uni Bern nie einen besonders hohen Stellenwert gehabt, sagt Collalti, und das obwohl ihr sehr viele Studierende angehören. Die WIR als selbsternannte Vertreterin der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Rat will das ändern. Knecht kritisiert insbesondere die prekären Betreuungsverhältnissen. Im ersten Jahr des Studiums kämen auf einen Assistenten teilweise 500 Studierende.

Damit erklärt sich dann auch der Name der jungen Partei. Zwar sieht sie sich – im Gegensatz zu den meisten anderen Parteien im Rat – keiner politischen Gesinnung verpflichtet, stellt ihre Politik aber trotzdem primär in die Dienste einer einzigen Fakultät. Ob diese Gratwanderung dem StudentInnenrat tatsächlich zu mehr Pragmatik verhilft, wird sich im Verlauf der nächsten zwei Jahre zeigen.