Das Schloss liegt hinter einer dichten Hecke an der Ecke Holligenstrasse/Schlossstrasse nahe dem Loryplatz. Der vor 500 Jahren gebaute Wohnturm (Donjon) ist sein zentrales Element. Das Schloss Holligen ist einerseits Wohngebäude, andererseits Kulturort. Nach einer Restaurierung in den frühen 1990er Jahren wurde der Donjon von der Eigentümerfamilie v. Werdt – v. Mutach in die Turmstiftung Schloss Holligen überführt. Ihr Zweck: Das Bauwerk erhalten und es durch kulturelle Nutzung der Öffentlichkeit zugänglich machen.
«Rauchzeichen»
Zum neunten Mal findet in Holligen vom 15.-31. August das alle zwei Jahre organisierte Sommerfestival statt. Dafür sind auch der Garten und die Säulenhalle geöffnet. So kann das Anwesen an neun Tagen vor und nach den Veranstaltungen als Ensemble erlebt werden.
Titel und Thema: «Rauchzeichen». Ein informatives Heft gibt Auskunft. Das Programm ist in fünf Teile gegliedert:
– Uwe Schönbeck inszeniert die Kammeroper «Il segreto di Susanna» von Ermanno Wolf-Ferrari mit Muriel Schwarz (Sopran), Todd Boyce ( Bariton) und dem Ensemble I Salonisti, ergänzt um drei Bläser.
– Vor der Opera buffa spielen I Salonisti die symphonische Dichtung «Scheherazade» von Rimskij-Korsakov
– Gezeigt werden Stummfilme (Salome 1922, Steamboat Bill Jr. 1928, The Son of the Sheik 1926 sowie Panzerkreuzer Potemkin 1925), auf dem Theremin (einem kaum mehr gebrauchten russischen Instrument) und Tasteninstrumenten live begleitet von Wieslaw Pipczynski.
– «Hesch Füür?» heisst – das Festivalmotto aufnehmend – eine kleine Kulturgeschichte des Rauchens mit Uwe Schönbeck und Wieslaw Pipczynski.
– Und immer wieder führen Schönbeck und Hausherr Christophe v. Werdt durch das Schloss.
Das Programm stellt das Organisationskomitee an monatlichen Treffen zusammen und setzt es mit verteilten Rollen in die Tat um. Zum OK gehören Bernard Schlup, Franjo Sladeczek, Eva Wiederkehr Sladeczek, Fredy und Lorenzetta Zaugg – daneben Angehörige der Eigentümerfamilie. Alle bringen ihre Kontakte, Erfahrungen, Netzwerke ein.
Seit 2015 ist die Kammeroper das Markenzeichen des Festivals. Die Auswahl ist nicht endlos. Gewählt werden frische, sommerlich-spritzige Sujets, die in das Ambiente passen. Wie 2015 und 2017 bieten Künstlerinnen und Künstler mit Herzblut ein anspruchsvolles Erlebnis. Publikum und Künstler können sich nach den Aufführungen näherkommen.
Finanzierung
Die Billet-Preise sind abgestuft. Der Abend mit Konzert und Oper kostet 40 Franken. Bei 100 Plätzen und sechs Aufführungen kommen so 24’000 Franken zusammen. Dies reicht auch bei weiteren Einnahmen von den übrigen Darbietungen bei Weitem nicht, um ein Gesamtbudget von rund 140’000 Franken zu decken. Die Künstlerinnen und Künstler werden ordentlich honoriert, die gesamte Organisationsarbeit erfolgt gratis durch das Komitee und weitere Freiwillige. Es braucht also Zuwendungen von Stiftungen, Banken, Versicherungen, Firmen, Zünften, der Burgergemeinde und der Stadt sowie des Kantons Bern.
Der Auftritt des Festivals ist professionell, es gibt Plakate und Inserate. Dennoch: Wichtig bleibt die Mund-zu-Mund-Propaganda, wenn der Saal voll werden soll. So familiär wie der Raum ist die gesamte Atmosphäre des Festivals. Das ist kein Zufall, das soll so sein.
Kultur im Turm
Im Donjon von Holligen finden neben dem Festival das ganze Jahr hindurch kulturelle Anlässe statt. Das Programm gestalten im Auftrag der Turmstiftung Marc Schär (musicline) und Marcel Lehmann. Mit Musik, Tanz und bildender Kunst angesprochen wird ein jüngeres Publikum. Es kommt aus der Stadt und der Region, allerdings nicht primär aus der Nachbarschaft im Quartier.
Der Boden der Kultur
Das Festival im Zwei-Jahres-Turnus und die Programmreihe Kultur im Turm sind nicht die einzigen Kulturorte und Anlässe in Bern, die wir dem privaten Engagement von Überzeugungstäterinnen und -tätern verdanken. Ein paar weitere Beispiele ganz unterschiedlicher Organisationen aufs Geratewohl: die Kinemathek Lichtspiel, das Festival Marzili Movie, das Theater Matte, der Kulturpunkt im PROGR, die Galerien Casita, da Mihi oder DuflonRacz oder der Verein BewegGrund.
Eine riesige Basisarbeit in allen Bereichen gewährleistet eine breite kulturelle Grundversorgung mit einem vielfältigen Veranstaltungsangebot. Dazu gehören Buchhandlungen, Kunstgalerien und Off-Spaces. Hinzu kommen Unternehmungen, die Kunst sammeln, Künstler fördern, Kunst ausstellen (Beispiele Die Mobiliar, DC Bank, BEKB, Loeb-Treppenhaus). Zu erwähnen sind die Kinos mit «anderem» Angebot (Cinématte, Reitschule, Kellerkino, Rex und Lichtspiel). Nicht wegdenkbar erscheinen zahlreiche Musikensembles und Chöre. Das Puppentheater, ein Kinderkulturort. Eine feste Grösse sind Kirchen (mit Musik, Lesungen, Lesegruppen, Kirche im Dialog), das Haus der Religionen. Und zunehmend treten Tanzschaffende mit ihren Choreografien auf.
So unterschiedlich die Organisationsformen, die Programmstrukturen, die Veranstaltungsorte, die Permanenz der Angebote und, ja, letztlich die künstlerische Qualität auch sind – alle genannten Kulturtäterinnen und -täter und weitere bieten sehr viel. Sie müssen zum Teil kommerziell bestehen und widerstehen zum Teil gerade jedem Kommerzgedanken. Sie sind der Humus der Kultur in der Stadt. Sie entwickeln sich ständig weiter. Aus ihnen wachsen Bedürfnisse nach mehr. Sie benötigen wenig Geld, gemessen an der Leistung. Und, zugegeben eine steile These: Ohne sie hätte die öffentlich geförderte Kultur keine Basis und keinen Bezugsrahmen.
Gemeinsam ist allen: Sie leben von Personen, die sich uneigennützig für eine gute Sache engagieren. Sie bestehen dank Menschen, die sich nicht fragen, was der Einsatz ihnen nützt, sondern die fragen, was für die Bevölkerung gut sein kann. Die riesige Basisarbeit wird freiwillig geleistet und bestenfalls mit «einem Trinkgeld» abgegolten. Und natürlich mit der Anerkennung des Publikums – einem zentralen Element..
Lob der Freiwilligen
Auch der professionelle und öffentlich geförderte Kulturbetrieb lebt in erheblichem Mass von Freiwilligen. Sie machen mit aus Spass. Sie finden Sinn. Sie engagieren sich. Sie bringen ihre Erfahrungen aus Beruf und Familie mit. Sie kosten wenig oder nichts. Ob hinter der Bühne, beim Informieren, Plakatieren, als Platzanweiser oder in Vorständen – Freiwillige sind unverzichtbar. Freiwilligenarbeit heisst dienen, nicht verdienen. Hier gilt der neoliberale Satz «was nichts kostet, ist nichts wert» nicht. Auf Freiwillige ist Verlass und ohne sie geht fast nichts.