«Und einer zählt jeweils die ‚Ähs’»

von Matthias Strasser 12. März 2013

Über Bombenbau, Farnzucht und Persönlichkeitsentwicklung wollen sie debattieren und dies möglichst gut. Deshalb haben ein Berufsmaturand, ein Pfarrer und ein Jurist den Berner Rhetorikclub gegründet.

«Wir Berner sprechen schlecht», erklärt Güney Usta, «zu wenig aus dem Bauch heraus und falsch betont.» Usta will das ändern. Der Berufsmaturand ist im Vorstand des im Dezember gegründeten Rhetorikclubs Bern, kurz RCBE. Mit ruhiger Stimme, überlegt, aber nie verunsichert gibt er Auskunft. Dabei habe er bis vor wenigen Jahren panische Angst gehabt, wenn er vor Leute treten und sprechen musste, erklärt der 19-Jährige, der sich heute als Rhetorik-Fan bezeichnet.

Durch Recherche im Internet sei er auf einen Rhetorikclub in Zürich gestossen. So reiste er fortan – mangels vergleichbarem Angebot – nach Zürich, um seine rhetorischen Schwächen auszubügeln. «Das war es allemal wert», sagt er heute. Er war nicht der einzige Berner, der den weiten Weg auf sich genommen hat. Zusammen mit einigen Mitstreitern aus dem Zürcher Club gründete er deshalb den Rhetorikclub Bern. Am 18. März findet das erste Treffen statt.

Politiker bleiben fern

Zu den Gründern gehören neben Usta selber, Menschen aller Berufe. Ein Jurist, ebenso wie ein Pfarrer und Angestellte aus dem Pflegebereich. «Es ist nicht so, dass nur Studenten interessiert sind.» Einzig Politiker seien bis heute noch keine gekommen, «auch wenn es ihnen manchmal gut tun würde», ist Usta überzeugt.

Die Latte für das erste Treffen legen die Berner Rhetoriker hoch: 30 Personen sollen kommen. Die Verantwortlichen setzen dafür auf Mund-zu-Mund-Propaganda. «Bestimmt werden da auch Freunde aus den Clubs anderer Städte mit dabei sein», so Güney Usta. Doch in naher Zukunft soll der Berner Verein auf eigenen Beinen stehen.

Alles ausser Religion, Politik und Sex

An den Treffen des Rhetorikclubs werden jeweils Reden in verschiedenen Formen vorgetragen. So gibt es die «Stegreif-Rede» oder die «Bewertungsrede». Jede ist strikt reglementiert. Während die Stegreif-Rede nur eine Minute dauert, hat der Redner der Bewertungsrede deren vier zur Verfügung. Thematisch stehen den Vortragenden alle Möglichkeiten offen, ausser Politik, Religion und Sex. Übrig bleiben Reden über Persönlichkeitsentwicklung und das Züchten von Farmen, wie Güney Usta erklärt. «Einer hat sogar einmal zum Bauen einer Bombe gesprochen», erzählt der 19-jährige. Die Zuhörenden geben daraufhin ein Feedback. Geachtet wird unter anderem auf den Redefluss, die Sprechmelodie und die Überzeugungskraft der Redner. «Und einer zählt jeweils die ‚Ähs’», ergänzt Usta.

Auf persönliche Einladung

Die Rhetorikclubs kamen Ende der 1990er-Jahre aus dem angelsächsischen Raum in die Schweiz. 1997 wurde in Zürich der erste Club gegründet, Debattiersprache war Englisch. Bald kamen weitere Clubs, irgendwann auch deutschsprachige dazu. Im Raum Zürich findet sich auch heute noch die grösste Dichte an Debattierclubs in der Schweiz. Und das Angebot stösst auf Interesse. Auf der Homepage des Zürcher Rhetorikclubs steht heute: «Aufgrund der grossen Nachfrage und der beschränkten Platzverhältnisse sind wir derzeit leider gezwungen die Zahl der Gäste zu beschränken.» Ein Besuch ist nur noch mit persönlicher Einladung möglich. Die Gründer des Berner Clubs rechnen sich deshalb gute Chancen aus, ebenfalls Erfolg zu haben.

Ihr Hauptziel ist es, den Mitgliedern zu besserer Rhetorik zu verhelfen. Ein Dachverband, der sogenannte Toastsmasters-Club stellt dafür eigens herausgebrachte Lehrmittel zur Verfügung. Allerdings fördere die Mitgliedschaft im Club nicht nur die rhetorischen Kompetenzen, wie Usta weiter ausführt. Es könnten auch Führungsqualitäten gefördert werden und es gebe immer wieder Meisterschaften, an denen sich die Mitglieder der Clubs auf internationaler Ebene messen. «Da will man natürlich gewinnen», so Usta.

Blickkontakt halten

Usta möchte dereinst auch beruflich etwas mit der Sprache machen. «Aber wohl eher nicht Rhetorik-Coach.» Davon gäbe es schon genug. Vielmehr habe ihm der Club die Augen geöffnet, was mit der Sprache alles möglich sei. Genaue Vorstellungen hat er selber noch nicht. Doch Usta hat noch etwas Zeit: «Ich bin erst am Anfang meiner rhetorischen Karriere, andere sind seit 25 Jahren dabei.» Obwohl er nicht Coach werden will hat er ein paar Tipps für die schlechten Berner Sprecher: «Während des Gesprächs sollte der Blickkontakt gehalten werden.» Die sprechende Person müsse auf einen steten Redefluss achten. Des Politikers Lieblingswort streicht man dagegen besser gleich aus dem… äh… Vokabular.