Timo macht reinen Tisch

von Daniela Dambach 10. Dezember 2014

Er tut es einmal im Monat. Immer an einem Freitag. In der Villa Stucki. Der Berner Koch Timo Pfäffli nimmt zwanzig Gäste mit auf eine kulinarische Expedition in die Tiefen des Gaumens: Zum Beispiel mit einem Gewürz, das sonst Duschgel aromatisiert.

Unterwegs zur Villa Stucki im Weissenbühlquartier knirscht das Grien unter den Schuhsohlen. Die Lichtstrahlen, die aus dem Küchenfenster dringen, weisen den Weg zur schweren Eingangstür, die sich wie von Zauberhand öffnet. Während der Holzboden bei jedem Schritt herzhaft knarrt, begrüssen die Gastgeber die Gäste mit vertrauter Geste.

Berns Gaumenmasseur

Weisse Tischtücher, sanftes Kerzenlicht, funkelnde Kristallgläser, ein Korb selbstgebackenes Tomatenbrot und Schälchen randvoll mit exotische Pfeffersorten, von denen man nicht mal ahnte, dass es sie gibt, laden zum Platznehmen und Zurücklehnen ein.

So sieht das Restaurant mit den blickfangenden Stuckaturen sonst nicht aus: Einmal im Monat trägt das Ambiente die Handschrift von Timo Pfäffli. Seit einem Jahr massiert er mit dem allmonatlichen Erlebnis-Dinner «Tabula rasa» die Gaumen von maximal zwanzig Bernerinnen und Berner. Den Stil, mit dem er den Raum erfüllt, beschreib er als «elegant, aber nicht eselsstur».

Kochen ohne Kompromiss

Vor Monaten brütete Timo Pfäffli noch über dem Konzept für seine Events, die er ein paar Mal probeweise durchführen wollte. «Ich habe das Stimmungsbild erschaffen, das ich mir vorgestellt habe», sagt er heute – und veranstaltet seine exklusiven Dinner bis auf Weiteres. Sein Gourmetanlass hat sich herumgesprochen: Die zwanzig Plätze sind jeweils im Nu ausgebucht.

«Tabula rasa bedeutet für mich einfach kompromissloses Kochen», beschreibt er mit hochgekrempelten Hemdsärmeln. Mit anderen Worten: Er räumt seinen Kreationen Zeit zum Reifen ein. So beginnt er beispielsweise am Montagmorgen um acht Uhr mit der Zubereitung der vollmundigen Sauce, die er am darauffolgenden Freitagabend zur zarten Entenbrust serviert.

Gäste brauchen Mut

Wer Gast bei Timo Pfäffli sein will, sollte zuerst «tabula rasa» machen mit seinen Vorurteilen gegenüber gewissen Lebensmitteln und ein Quäntchen Probier-Mut mitbringen: Die Zutaten – und zwar nur die Zutaten – seiner fünfgängigen Menüs verrät er erst kurz vor dem Dinner auf seiner Website. Was er aus Ente, Frischkäse, Kaki und Federkohl komponiert, weiss nur er – bis die Kreation auf weissem Porzellan vor den neugierigen Nasen der Gäste steht.

«Die Inspiration ist das kleinste Problem», sagt Timo Pfäffli. Das Kochen hat er verinnerlicht: Tagein tagaus beschäftigt sich der 28-Jährige mit Rezepten aus längst vergessenen Kochbüchern, lässt sich vom Angebot seiner Gemüsehändler inspirieren und tüftelt an eigenen Interpretationen von Klassikern aus der französischen, spanischen und mexikanischen Küche, bis sie «rund schmecken». Vom Kochen kriege er nie genug. Wenn er in den Ferien eine Woche lang im Hotel-Restaurant essen müsse, werde er «hässig».

Vom Bad in die Küche

Gewürze zählen zu den wichtigsten Protagonisten des Gaumenkitzel-Regisseurs, zumal sie in seiner Philosophie 20 Prozent des Kochens ausmachen. Eine Vorspeise mit Felchenfilets verfeinerte er jüngst mit Bergamotte, dem traditionellen Odeur aus der Parfümherstellung. «Es war gar nicht einfach, das Aroma zu beschaffen. Der Duft ist aus der Küche kaum bekannt, aus dem Bad hingegen schon, dort findet man ihn im Duschgel!», sagt der findige Chef de Cuisine und lacht. Er würzt rassig, aber ohne den Eigengeschmack der marktfrischen Grundzutaten zu übertünchen.

Wer zufrieden war, kommt wieder

«Mit Tabula rasa verfolge ich kein anderes Ziel als zufriedene Gäste, die sich einen Abend lang wohlfühlen.» Das habe er dann erreicht, wenn die Leute wiederkommen wollen: «Das ist das wahre Kompliment. Zuhause sagen, es sei gut gewesen, das kann jeder.»

Nach dem Fünfgänger macht sich ein wohliges Gefühl im Magen breit und das Tabula-rasa-Team serviert eine Schale mit Baumnüssen, Datteln und Schokoladen-Truffes. Das Knacken der harten Nüsse von Hand – auf einen Nussknacker am Tisch wird bewusst verzichtet – und das Vernaschen der mit Schokoladenpuder überzogenen Pralinen hinterlässt Spuren des leidenschaftichen Genusses auf dem eben noch schneeweissen Tischtuch: Der «tabula» ist nicht mehr «rasa».