Teuscher reserviert Familien-Termine in der Agenda

von Anne-Careen Stoltze 1. Februar 2013

Franziska Teuscher (GB) hat ihre Kinder neben Beruf und Politik grossgezogen. Ohne die Unterstützung von Nachbarn und Eltern wäre dies nicht gegangen, sagt sie. Als Sozialdirektorin will sie nun mit wenig Budget die Kinderbetreuung weiter ausbauen – und setzt dabei auch auf private Initiative. Letzter Teil der Miniserie.

Job: Chefin der Direktion für Bildung, Soziales und Sport

Familienstand: verheiratet

Anstellungsgrad: 100 Prozent plus X

Anstellungsgrad des Ehemannes: 90 Prozent

Kinder: Selina (18) und Julian (15)

Kinderbetreuung: Tochter und Sohn besuchen das Gymnasium

Wann haben Sie Ihre Kinder zuletzt gesehen?

Franziska Teuscher:

Heute Morgen um 7 Uhr. Ich bin um 7.15 Uhr aus dem Haus gegangen, da wir um 7.45 Uhr Direktionskonferenz hatten.

Wie sieht ein typischer Wochentag bei Familie Teuscher aus?

Früher habe ich am Morgen öfter auch von daheim aus gearbeitet, jetzt gehe ich meist als Erste aus dem Haus. Das war sonst meistens mein Sohn, weil er um 7.30 Uhr in der Schule sein musste. Wir sind den Tag über alle recht beschäftigt, niemand isst mehr am Mittag zu Hause und die Kinder kommen zu unterschiedlichen Zeiten heim. Das ändert mit dem Stundenplan. Die Familie trifft sich jeweils zum Abendessen – wir probieren, dass wir alle möglichst oft gemeinsam essen. Allerdings habe nicht nur ich, sondern auch unsere Kinder vermehrt abends etwas vor.

Haben Sie eine Zeit, die Sie sich speziell für die Familie reserviert haben?

Ich versuche, wenn ich abends keinen Termin habe, um 18 Uhr nach Hause zu gehen, damit ich mit meiner Familie essen kann. Diese Essenspause mit meinen Kindern, meinem Partner und meiner Mutter, die auch bei uns isst, ist mir viel wert. Später studiere ich noch Akten und erledige meine E-Mails. Das ist mir lieber, als bis 20 Uhr im Büro zu arbeiten. Mittlerweile sind meine Kinder in einem Alter, wo es auch sehr von ihnen abhängt, ob wir abends alle gemeinsam essen. Sie gehen zum Tanzen, zum Boxen oder zum Tennis. Da bin ich froh, wenn wir uns auch ab und zu gemeinsame Momente organisieren.

«Meine Kinder sind als Teenager nicht mehr besonders erpicht auf gemeinsame Familienausflüge.»

Franziska Teuscher, Sozialdirektorin und Mutter

Wann machen Sie das?

Ich unternehme am Wochenende gerne individuell entweder etwas mit meinem Sohn oder meiner Tochter. Die Kinder sind als Teenager nicht mehr besonders erpicht auf gemeinsame Familienausflüge. Sie haben eigene Bedürfnisse, sind viel mit Kolleginnen und Kollegen unterwegs. Das ist gut so.

Was hat sich im Vergleich zu Ihrem vorherigen Amt verändert?

Ich habe immer in Politik und Beruf gearbeitet, auch als die Kinder noch klein waren. Als VCS-Präsidentin konnte ich jedoch viele Termine selber steuern, so dass ich zwei- bis dreimal pro Woche zusammen mit den Kindern Mittagessen konnte und auch von daheim aus gearbeitet habe. Nun wird meine Agenda viel mehr fremdbestimmt.

Können Sie zugunsten der Familie auf Termine verzichten?

Ja, das habe ich immer gemacht. Wenn ich Zeit für die Familie reservieren will, dann trage ich diese in meiner Agenda ein wie einen Geschäftstermin. Der Samstagmorgen gehört der Familie. Da werde ich zurückhaltend sein bei Terminanfragen. Als VCS-Präsidentin und als Nationalrätin hatte ich oft am Samstag Sitzung. Hier erhoffe ich mir als Gemeinderätin eine Entlastung.

Wie liesse sich das Exekutivamt familienfreundlicher gestalten?

Da kann ich keine generellen Regelungen aufstellen. In unserem Gemeinderat ist es sicherlich gut, dass wir alle Kinder haben. Es braucht Toleranz von allen Seiten. Mein Anspruch an eine Exekutive ist, dass auch Eltern ein solches Mandat übernehmen können. Ich finde es beispielsweise gut, dass Reto Nause den Freitagnachmittag für seinen Sohn reserviert. Ich gehe dagegen eher früher nach Hause. Und so respektieren wir unsere jeweiligen Modelle. Ich bin überzeugt, dass wir alle unsere Arbeit gut machen, auch wenn wir uns Zeit für unsere Familien reservieren. Es kann nicht sein, dass ein solches Amt bedeutet, dass man weg ist von der Familie.

«Mein Anspruch an eine Exekutive ist, dass auch Eltern ein solches Mandat übernehmen können.»

Franziska Teuscher, Sozialdirektorin und Mutter

Wie haben Sie als berufstätige Mutter das Betreuungsangebot in der Stadt Bern erlebt?

Ich habe drei Monate nach der Geburt des ersten Kindes wieder begonnen zu arbeiten und hatte zum Glück ganz kurzfristig einen Kita-Platz. Auch unser Sohn bekam einen Betreuungsplatz, so dass beide Kinder bis zur Schule in der Kita, anschliessend mehrere Jahre in der Tagesschule betreut waren. Aber das haben leider längst nicht alle Eltern in Bern. Von daher war ich persönlich mit der Betreuungssituation zufrieden, aber als Politikerin bin ich unzufrieden – es müssen noch zu viele Eltern auf einen Platz warten.
Schwierig wurde es für uns erst in der Schulzeit.

Wieso?

Meine Tochter ging in die Tagesschule und am Nachmittag gab es nur eine Betreuung, wenn genügend Kinder angemeldet waren. Das war mittwochs nicht immer der Fall. Zum Glück gab es da Nachbarn und meine Eltern, die im selben Haus gewohnt haben, die unsere Kinder in solchen Situationen betreuten. Das war ein grosses Glück, ich hätte das sonst nicht mit meinem beruflichem und politischen Engagement vereinbaren können. Aber die grösste Herausforderung sind auch heute noch für viele Eltern die Ferien.

Wie haben Sie das gelöst?

Solange die Kinder klein waren, konnte ich sie zu den Nachbarn geben oder mit zur Arbeit nehmen. Aber als sie grösser wurden und auch anspruchsvoller, etwas unternehmen wollten, da wurde es kompliziert. Manchmal sind mein Mann und ich getrennt mit den Kindern in die Ferien gefahren, um es aufzuteilen. Ich freue mich, dass die Stadt Bern mittlerweile mit den Ferieninseln ein Angebot für Schulkinder geschaffen hat. Das ist ein guter Anfang, den ich gerne erweitern würde, hätte ich die entsprechenden Finanzen.

Was haben Sie sich als Sozialdirektorin vorgenommen in punkto Kinderbetreuung?

Ich habe sehr viele Ideen, wie man Familien entlasten könnte. Doch der Budgetrahmen ist sehr eng, da müssen wir Prioritäten setzen. Meine Priorität ist, dass wir mit dem wenigen Geld möglichst viel für die Eltern und ihre Kinder erreichen können.

«Ohne Grosseltern, Private und Freiwillige hätten wir eine miserable Situation.»

Franziska Teuscher, Sozialdirektorin und Mutter

Wie viel Kita-Plätze könnten das denn sein – momentan stehen rund 1400 Kinder auf der Warteliste?

Mein Ziel ist es, dass die Stadt Bern zusammen mit Privaten genügend Kita-Plätze zur Verfügung stellt für alle, die einen solchen Platz wollen. Die Stadt Bern hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich Plätze geschaffen. Das geht zurück auf eine Motion, die ich 1990 noch als Stadträtin eingereicht habe.

Und wann wird eine Entlastung zu spüren sein?

Das kann ich nicht sagen. Ich bin gespannt, was die Einführung der Betreuungsgutscheine bringt. Diese wurden 2011 in der Volksabstimmung angenommen. Ich werde auf jeden Fall alles daran setzen, dass es in der Stadt Bern in Zukunft genügend Kita-Plätze mit einer qualitativ guten Betreuung geben wird. Es sind auch private Initiativen und die öffentliche Hand gefordert.

Es gibt aber schon heute viele private Initiativen etwa bei Spielgruppen …

Ja, es gibt heute ein sehr vielfältiges Angebot an Kinderbetreuung, deswegen finden sicherlich viele Eltern eine Lösung. Das ist auch Grosseltern, Privaten und Freiwilligen zu verdanken, ohne sie hätten wir eine miserable Situation.

Könnten Sie beispielsweise private Initiativen unterstützen, in dem Sie gewisse Regelungen nicht so restriktiv handhaben? Das würde die Stadt nichts kosten.

Ich kann mir das vorstellen, müsste jedoch die jeweilige Regelung genau anschauen. Bei der Qualität der Kinderbetreuung möchte ich keine Abstriche machen. Auf der anderen Seite kann es auch nicht sein, dass etwa Angehörige eine Bewilligung haben müssten, um ihr Grosskind, ihre Nichte oder ihren Cousin betreuen zu dürfen. Dies wurde einmal auf Bundesebene diskutiert. Aber Kinderbetreuung ist eine verantwortungsvolle und anspruchsvolle Aufgabe. Da müssen schon klare Regelungen und Anforderungen erfüllt werden.