Tatort Bern: «Bimm, bamm, Bern» (4/5)

von Tatjana Kruse 18. April 2013

Elfi findet ihren Mann und ihre Schwester in eindeutiger Kamasutra-Stellung, der Boss bohrt weiter und die Entsorgerin hat einen Plan.

17.49 Uhr

Elfi kam nach Hause, stellte das Säckli mit den Migros-Einkäufen auf die Küchentheke, zog sich den Haargummi vom Pferdeschwanz, ging ins Schlafzimmer und – sah ihren Mann und ihre Schwester. Im Bett. Beide nackt und übereinander gestapelt. In eindeutiger Situation. Und in einer Stellung, die sie von Seite 238 des bebilderten Kamasutra-Bandes kannte, den sie von ihrem Mann zum letzten Weihnachtsfest bekommen hatte, und gegen die sie sich aus Sorge vor Verrenkungsschäden immer gesperrt hatte. Ihre Schwester teilte diese Sorge augenscheinlich nicht. Es war ein Schmerz, aber kein stechender, mehr so ein dumpfer. Elfi drehte sich um und verließ die Wohnung. Den Mantel hatte sie die ganze Zeit nicht ausgezogen.

18.00 Uhr

Der Hahn an der Fassade des Zytglogge krähte, der Narr unter ihm läutete das Glöcklein, der Hammer des vergoldeten Hans von Thann schlug die Stundenglocke. Die Touristen reckten ihre Fotoapparate in die Höhe und klickten um die Wette. Einen Straßenzug entfernt setzte Hoss den Drehbohrer an, und los ging’s. Die Stundenglocke des Zytgloggenturms wurde 1405 kurz nach dem großen Stadtbrand gegossen und läutete sozusagen den Neuanfang für die Berner ein. Und jetzt läutete sie den Neuanfang für den Boss ein – ein Leben im Luxus. Auch wenn er das Läuten vor lauter Drehbohrer nicht mehr hören konnte. Der Boss hatte richtig kalkuliert: Es gab an diesem Spätnachmittag zwar irritierte Blicke von Passanten – einige von ihnen schon edel gekleidet auf dem Weg ins Casino, wo sie speisen wollten, bevor sie später Yo-Yo Ma am Cello zu lauschen gedachten –, aber nur aufgrund der Lautstärke des Bohrers, nicht aufgrund seiner Existenz. Gebaut wurde immer irgendwo. Darüber wunderte sich keiner. Es ging erstaunlich schnell. Ungefähr 15 Minuten später kam ein älterer Herr im Anzug und beschwerte sich über den Lärm. Der Boss zuckte nur mit den Schultern. «Das müssen Sie mit der zuständigen Stelle klären», sagte er. Der ältere Herr schnaubte empört, klagte irgendwas über die Zeiten, die früher besser gewesen wären, und ging dahin zurück, von wo er gekommen war. Der Boss lächelte spöttisch. Schnuff, der Hund, schnüffelte an seinen Springerstiefeln. Der Boss trat ihn weg.

18.17 Uhr

Die Entsorgerin nahm im Vorbeifahren aus den Augenwinkeln wahr, dass die Kofferraumtür eines in der Bundesgasse vorschriftsmäßig abgestellten, beigefarbenen Kombi nicht ganz geschlossen war. Sie drehte eine Runde mit ihrem roten Cabrio, um sich zu vergewissern und auf Nummer sicher zu gehen. 

Perfekt! Nach zwei weiteren Runden wurde direkt gegenüber ein Stellplatz frei. Rückwärts einparken war zwar nicht ihre Stärke, aber nach nur einem halben Dutzend Anläufen gelang es ihr. Jetzt musste sie nur noch die Dunkelheit abwarten, die in absehbar kurzer Zeit hereinbrechen würde. Und hoffen, dass der Fahrzeughalter nicht vorher kam und wegfuhr. Sie öffnete die Tupperdose mit dem Nüssli-Salat und schaltete Radio Swiss Jazz ein.

Hier gehts zu den vorhergehenden Teilen: Teil 1, Teil 2, Teil 3; lesen Sie morgen auf Journal B, wie die Geschichte weitergeht.