Tatort Bern: «Bimm, bamm, Bern» (3/5)

von Tatjana Kruse 17. April 2013

Hoss will am helllichten Tag ein Loch in den Bundesplatz bohren, runtersteigen, das Gold einsacken während der Entsorgerin der Verwesungsduft allmählich in die Nase steigt.

17.31 Uhr

Am Nachmittag kam Luigi mit dem gewaltigen Drehbohrer angefahren. Ein Riesenteil, das problemlos meterdicke Steinschichten aufbohrte, wenn man es denn bedienen konnte. Die Leasinggebühr war nochmals ein erklecklicher Betrag für den Boss gewesen, aber nur wer ordentlich investierte, bekam es hundertfach zurück. In seinem Fall hundertmillionenfach…

Zwei echte Polizisten kamen näher. «Schon gut, Kollegen, ich kümmere mich bereits darum», rief der Boss ihnen zu. Die beiden nickten und bogen ab. «Hoss, hurtig, bring das Teil in Stellung.» Hoss, der sich zwischenzeitlich einen Arbeiteroverall übergezogen hatte, hantierte an Schaltern und Hebeln. Seine blöde Miniaturausgabe von einem Hund kläffte. Irgendwann trete ich den mit meinen Stiefeln platt, dachte der Boss. Aber nicht jetzt, nicht heute. Heute würde er nur den Goldschatz der Schweiz heben. Sein Plan war genial, auch wenn er das selbst sagte. Am helllichten Tag, nach Schalterschluss, ein Loch in den Bundesplatz bohren, seelenruhig runtersteigen, das Gold einsacken und weg. Die Alarmanlage schlug nur an, wenn man durch die Katakombengänge einbrechen wollte. Hatte der Bulgare gesagt, und der musste es wissen, der hatte seinerzeit für die Firma gearbeitet, die die Sicherheitssysteme rundumerneuert hatte. Der Boss hatte sich ausgerechnet, dass ihnen exakt eine Stunde zur Verfügung stand. Das musste reichen. Durchbohren, einsteigen, rausholen, weg.

17.45 Uhr

Die Entsorgerin war genervt. Der Ukrainer war an einem Genickbruch gestorben. Sie hatte ihn als Selbstmörder ausgeben und ihn aus großer Höhe in die Tiefe stürzen wollen. Aufgrund des Hautabriebs musste er auf Stein landen. Der Bärenpark wäre perfekt gewesen. Aber zu den Bären werfen ging ja nun nicht. Wegen des Winterschlafs. Und ihn von einer der vielen, enorm hohen Berner Brücken zu werfen, erwies sich ebenfalls als No-Go. Denn blöderweise hatten sie allesamt Sicherungsnetze, um die darunter liegenden Straßen und Wege vor Springern zu schützen. Nur die Stellen direkt über der Aare waren ausgespart. Die Berner Verwaltung dachte offenbar praktisch: Wenn Suizidale in den Fluss sprangen, konnten sie keinem auf den Kopf fallen, das war dann okay. Die Hinweisschilder – «jedes Besteigen des Schutzzauns ist streng verboten» – hätte sie ohne mit der Wimper zu zucken ignoriert, aber der Ukrainer war – nicht zuletzt wegen seiner üppigen Lendenhüftsteaks – zu schwer, um ihn zu schultern und einen der Zäune zu erklimmen. Die Entsorgerin studierte den Stadtplan und entdeckte die Münsterplattform, aber da war es dasselbe in Grün. Nur dass sie beim Ausbaldowern der Location wie in einem Hitchcock-Film von unzähligen Spatzen umflogen wurde, die sich von ihr leckere Krümel erhofften. Wenn sie vor etwas Angst hatte, dann vor Vögeln. Also gut, dann eben keine Wiederholung des Prager Fenstersturzes als Berner Mauersturz.

Sie glaubte ja sehr daran, sich vom Moment inspirieren zu lassen, aber ihr lief die Zeit davon. Es war trotz des sich neigenden Tages immer noch sehr mild, und der Ukrainer hielt sich nicht mehr lange. Obwohl sie in einem Drogeriemarkt sämtliche Autolufterfrischer in den Duftnoten Kirsche und Relax gekauft und zur Leiche in den Kofferraum geworfen hatte, meinte sie, das deutliche Müffeln verwesenden Männerfleisches wahrzunehmen. Mist!

Hier gehts zu den vorhergehenden Teilen: Teil 1, Teil 2; lesen Sie morgen auf Journal B, wie die Geschichte weitergeht.