Subjekte fördern – nicht Objekte

von Rita Jost 6. November 2020

Ein bisschen grün, ein bisschen sozial. Finanzpolitisch bürgerlich, familienpolitisch eher links: Das sind die Grünliberalen. Für die städtischen Wahlen tritt die glp mit der CVP, der EVP und der BDP in einer Listenverbindung an. Aber wofür steht die glp selber? Gabriela Blatter, Co-Präsidentin der Stadtpartei, nimmt Stellung.

Die glp wirb mit den drei Adjektiven «urban, wirtschaftlich, nachhaltig». Welches liegt Ihnen denn am meisten am Herzen?

Eigentlich braucht es alle drei. Wir erwähnen aber absichtlich «nachhaltig» am Schluss, weil es für uns das Wichtigste ist. Und es fasst auch alles zusammen..


Sie schreiben, Sie wollen den «öffentlichen Raum menschenfreundlicher nutzen». Woran denken Sie konkret?

Zum Beispiel an den Freudenbergerplatz. Der ist im Moment eine reine Tristesse: Beton, unbelebt, ein Tramwendeplatz und über allem die lärmige Autobahn. Auf diesem Platz könnte man unglaublich viel machen. Wir wollen Plätze vermehrt der Quartierbevölkerung übergeben. Das schafft Identifikation. Nicht die Stadt soll alles bestimmen.


Jetzt Mitglied werden | Jetzt spenden


Gerade auf dem Freudenbergerplatz soll ja unter Mitwirkung der Bevölkerung etwas geschehen, falls dereinst eine Umfahrung realisiert wird. Wofür würden Sie sich denn stark machen?

Grundsätzlich hat sich die GLP positiv zur Umfahrung geäussert, weil uns ein kompletter Rückbau der Autobahn und damit verbundene Stadtsanierung versprochen wurde. Unterdessen sehen wir aber die Umfahrung recht kritisch, denn es ist ein Ausbauprojekt und die Rückbaupläne sind nicht überzeugend. Wir haben uns deshalb dem Verein «Spurwechsel» angeschlossen, der Alternativen zu den Ausbauprojekten sucht. Autobahnausbau finden wir keine kreative Lösung, wir möchten lieber «mobilitypricing» wieder aufs Tapet bringen.

 

Kann denn eine Stadtbehörde überhaupt Einfluss nehmen auf das Projekt Autobahn?

In Biel gab es soeben ein positives Beispiel, das beweist, dass die Gemeinde durchaus Einfluss nehmen kann beim Nationalstrassenbau. Bedingung ist allerdings, dass man sich richtig organisiert. Darum haben wir uns auch zusammengeschlossen mit anderen Parteien und Organisationen, die diesen Autobahnausbau auch kritisch sehen. So können wir Ressourcen bündeln, unsere Bedenken anmelden und neue Lösungen aufzeigen.

 

Thema Finanzpolitik. In ihrem Programm lese ich «reicht das Geld nicht, müssen Prioritäten gesetzt werden». Wo sind Ihre Prioritäten?

G.B.: Ganz klar im Umweltbereich. Im Bildungsbereich setzen wir Prioritäten bei den Bedürftigen. Kein Giesskannenprinzip, sondern gezielte Unterstützung. Sehr positiv finden wir das das Kita-Gutschriften-System, die Schuldenberatungsstelle, alle Projekte, die zwar etwas kosten, aber langfristig Kosten sparen oder Mehreinnahmen generieren.

 

Und wo würden Sie sparen?

Veranstaltungen wie «Hallo Velo!» sind in Zeiten, da man aufs Geld schauen muss, nur nice to have.

 

… und die Umgestaltung des Freudenbergerplatzes ist kein nice to have?

Nicht, wenn man es gleichzeitig mit ohnehin anstehenden Infrastruktursanierungen anpackt, dann kann eine Neugestaltung recht günstig gemacht werden. Wenn es in zwei Etappen realisiert wird, dann kostet es viel mehr. Richtige Planung von Anfang an, wie beispielsweise nach dem Design-to-Cost Modell, spart z.B. auch im Schulhausbau viel Geld. Das sind unsere Priorisierungsansätze.

 

National hat die GLP einen Vorstoss lanciert, der verlangt, dass Medien durch Gutscheinabgabe an (junge) Konsumenten unterstützt werden sollen. Sehen Sie da auch auf Gemeindeebene Möglichkeiten?

Das ist die gleiche Logik, die wir auch im Kitabereich verfolgen. Nach uns solls keine generelle Förderung der Printmedien oder gewissen digitalen Formaten geben, sondern eine Subventionierung der Personen, die die Medien konsumieren. Das führt dazu, dass nicht nur klassische Medien gefördert werden. Aber Medienförderung ist eine nationale Thematik. Deshalb sehe ich auf städtischer Ebene wenig Möglichkeiten. Aber der Grundsatz: Subjekte fördern und nicht Objekte, das zieht sich durch bei uns, siehe Kita-Gutschriften. Wir denken an ähnliche Subventionierungen in der Alterspflege.

 

Eine ganz andere Frage: die GLP-Liste ist sehr AkademikerInnen-lastig. Haben sie mit diesem Personal überhaupt noch genügend Bodenhaftung?

Ich glaube schon. Wir haben – das sieht man den Berufsbezeichnungen vielleicht nicht an – relativ viele KandidatInnen, die nach einer Berufslehre auf dem zweiten Bildungsweg studiert haben. Ich persönlich komme übrigens nicht aus einer Akademikerfamilie.

 

Gibt es Themen, um die sie andere Parteien beneiden, die Sie sich auch gerne auf die Fahne schreiben würden?

Nein, wir haben die Themen im Programm, die uns wichtig sind. Was uns auszeichnet, ist, dass wir Gemeinsamkeiten mit den einen und den anderen haben. Zum Beispiel in der Finanzpolitik, da haben wir Überschneidungen mit den bürgerlichen Parteien, dafür sind wir bei sozialen und Umwelt-Themen bei den Grünen, der GfL und Mitte-Links. Das zeichnet uns aus: wir politisieren inhaltlich.

 

… und dadurch sind Sie anderseits für die Wählenden oft nicht so genau fassbar.

Das sehe ich nicht so. Unser Hauptanliegen ist eine pragmatische, nachhaltige, enkeltaugliche Politik.