Wer aus der Migros Thunstrasse hinaustritt erblickt es linkerhand schräg vis-à-vis auf der anderen Seite der Luisenstrasse: Wäscheleinen mit schwarzen Kleidern, Foto- und Texttafeln. An der obersten Leine hängen, nach alten Mustern sorgfältig nachgenäht, schwarze Kleider, wie sie einst Sklaven bei ihrer Deportation trugen, damals allerdings in Weiss. In der Mitte sieht man historische Texte, das Wort «Menschenzoo» springt ins Auge. Man tritt näher, beginnt zu lesen und wird gebannt von den kurzen Darlegungen zur Geschichte unseres Söldnerwesens sowie unseres Umgangs mit fremden Menschen, farbigen Menschen, hier und in ihrem Heimatland. Vom Bestaunen «der anderen» in eigens eingerichteten «Menschenzoos», etwa durch Hagenbeck in Hamburg, oder an Weltausstellungen in London und Paris, geht der Bogen zur Sklaverei, an der auch Bern mittels Investitionen beteiligt war, die hohe Gewinne einbrachten (wie Tafeln von Cooperaxion belegen).
Die schwarzen Kleider symbolisieren die Trauer über das Schicksal dunkler Menschen, ihre Deportation, eine bedrückende Geschichte, die nicht zu Ende ist, weil sie scheinbar weit zurückliegt. Rassismus ist strukturell Teil unserer Gesellschaft, unserer kulturellen Identität. Morallose Gier nach Gewinn treibt auch weiter das Wirtschaften Vieler an. Was vergangen scheint, ist längst nicht vorbei.
So ist die kleine Freiluftausstellung an der Luisenstrasse 20 aktuell. Sie wirkt trotz der Schwere der Themen luftig improvisiert. Tatsächlich ist sie das Ergebnis jahrelanger Auseinandersetzung. Doch diese ist nicht am Ende. Die Ausstellung ist eine Testinstallation. Getestet wird die Regen- und Sturmfestigkeit der filigranen Befestigung. Denn die Installation soll auf Reisen gehen, zuerst nach Worb, dann an weitere Orte in Bern, später auch nach Zürich und Basel – und bis nach Hamburg, wo Hagenbecks Menschenzoo stand und Völkerschauen ihren Anfang nahmen. Die Abklärungen laufen.
An allen künftigen Standorten der Ausstellung werden zwei Personen als «Dialoger*innen» Passantinnen und Passanten ermuntern, eigene Erinnerungen wachzurufen und diese zu formulieren oder mit einem Objekt zu veranschaulichen. So ist die partizipative Ausstellung ein work in progress, das mit jeder Station wächst und sich wandelt. Ein Werk lebendiger Erinnerung.
Ein Anfang des Dialogs wurde vor kurzem gemacht. Teilnehmende schrieben ihre Eindrücke und Überlegungen auf transparente, wetterfeste Folien, die auf dem untersten Draht hänge. Man liest: «Als Lehrer ertappe ich mich dabei, dass ich von den farbigen Kindern weniger erwarte als von den weissen. Das erschreckt mich. Allmählich wird mir bewusst, woher ich diese Prägung habe. Ich frage mich, wie können wir das ändern?»
Das ist die Frage, welche die Ausstellung stellt. Uns allen. Auf jeder Station werden Fragen und Antwortversuche hinzukommen.
Stichwort «Luisenstrasse 20»: Am hellen Haus fallen zahlreiche künstlerische Figuren auf, farbig, aussergewöhnlich. Immer wieder steht oder hängt Neues. Cilgia Rageth bietet eine Art Schaufenster für künstlerisches Schaffen und Erproben. Und ein Geschenk an die Anwohnenden. Gerade jetzt mit der beschriebenen Ausstellung.