In den Medien ist Stephan Märki allerdings präsent. In letzter Zeit sind in verschiedenen Zeitungen, in der Zeitschrift «Theater der Zeit», aber auch in der «Basler Zeitung», Interviews mit ihm erschienen. Mit immer gleichen Text-Bausteinen präsentiert sich der Berner Intendant, der seit 2014 auch Präsident des Schweizerischen Bühnenverbands ist, als Kämpfer für die Freiheit der Kunst und die gesellschaftliche Relevanz des Theaters. Er versteht sich als der Mann, der sich immer Orte ausgesucht habe, die nicht einfach waren, an denen er sich «sozusagen zu viel zugemutet habe».
Ein besonders schwieriger Ort ist laut Märki sein jetziger Wirkungsort Bern. Zitat: «Das Theater, dieser graue Elefant, der seinen Rüssel traurig in die Aare hängt, wirkte immer verschlossen und stand doch mitten in der Stadt. Was wollt ihr in Bern, das ist keine Theaterstadt, hat man uns zum Empfang gesagt. Und das hat mich per se herausgefordert, das Gegenteil zu beweisen. Aber das kostet Energie. Ich bin ja altmodisch, in meinem Verständnis bewegt sich Theater von hinten nach vorne. Es nutzen die besten Künstler vorn auf der Bühne nichts, wenn nicht die ganze Struktur stimmt und alle bis in die Werkstätten mitdenken.»
Auch zu den übrigen Schweizer Theatern äussert sich Märki. Es gehe ihnen sehr gut, findet er, sie seien aber auch gut geführt (sic!). Trotzdem sei es – wie in Deutschland – nicht «mehr selbstverständlich, dass die Theater der öffentliche Freiraum sind, in dem frei und risikofreudig Kunst gemacht wird. Ähnlich wie die Kritik an Politik und Medien wächst auch der Argwohn gegen Kultur-Institutionen. In der Schweiz gerät man zunehmend unter Rechtfertigungsdruck. Dass Theater relevant bleibt, dieses Mitnehmen einer Stadt in den kreativen Prozess, dafür müssen wir kämpfen, vermitteln vor allem, aber auch verwerfen.»
Starke Worte – offene Bedeutung
Das klingt alles wunderbar. Nur: Worin hat sich in Märkis Theater in Bern bisher die «gesellschaftliche Relevanz» und der «ehrgeizige Willen zur Exzellenz» geäussert? Man fragt sich, wer denn wie die «Produktion nach eigenen künstlerischen Bedingungen» erschwert habe. Wer greift die Freiheit der Kunst an? Wer kritisiert Risiko? Wer schürt Argwohn? Wer verlangt zunehmend Rechenschaft und worüber? Könnte es sein, dass die selbstverständlichen Forderungen nach betrieblicher Transparenz als Argwohn gegenüber der Kunst missverstanden werden? Und warum haben wir nichts davon gemerkt, dass das Theater die Stadt in den kreativen Prozess mitnehmen wollte?
Und wo ist der Argwohn gegen Kulturinstitutionen, wenn die Stimmberechtigten einem Leistungsvertrag von KTB mit einem Subventionsanteil von 85 Prozent zustimmen und in der nächsten Volksabstimmung einen 45-Millionen-Kredit für die Sanierung des Haupthauses gutheissen? Wie viel mehr Zustimmung und Vorschussvertrauen braucht es noch?
Inan, Laufenburg und Gräve
Auch zum neuen Schauspielchef Cihan Inan äussert sich Märki: «Der wird überraschend positiv aufgenommen. Das hat damit zu tun, dass er in Bern geboren ist. Auch wenn er türkische Eltern hat, er kennt die freie Szene, war Journalist, ist also sehr gut vernetzt. Diese Patchwork-Biografie kommt in Bern, das sich die letzten zwei Jahrzehnte durch eine multikulturelle, sich selbst auf die Schulter klopfende Kulturszene definiert hat, gut an. Es war natürlich kein Nachteil, dass er einen Schweizerpass hat.»
Hat er das wirklich so gesagt? Märkis Sätze diffamieren uns Bernerinnen und Berner. Lässt uns wirklich nur Inans Schweizerpass über seine türkischen Eltern hinwegsehen? Was hat das alles mit der Kulturszene zu tun, wie Märki sie sieht? Und hat er vergessen, dass die beiden Vorgängerinnen von Cihan Inan, Iris Laufenburg und Stephanie Gräve, Ausländerinnen waren? Unter den beiden Frauen gab es am Theater Bern tatsächlich so etwas wie einen Aufbruch zu gesellschaftlich relevantem Theater. Märki hat ihn nicht gestützt.
Nach der Freistellung von Stephanie Gräve wurde es besonders happig: Die Hälfte des Schauspielensembles ist weg, die ganze ehemalige Dramaturgie ist weg, die neu engagierte Dramaturgin ist nach nur drei Monaten auch wieder weg. Von den drei Regisseuren, die in den letzten Jahren in Bern arbeiteten und deren Produktionen eben zum Deutschen Theatertreffen eingeladen waren (Ulrich Rasche, Ersan Mondtag, Claudia Bauer), taucht niemand mehr in Bern auf. Dass es an einem Haus mit mehr als 500 Mitarbeitenden von überall her zu Fluktuationen kommt, ist in der Branche üblich. Was im Schauspiel letzthin geschah, geht deutlich darüber hinaus (siehe auch hier).
Ein Entscheid ohne Öffentlichkeit
Zum Schluss der Interviews kommt Märkis Vertrag zur Sprache. Er läuft bis 2019. Bis Ende Juli dieses Jahres muss der Stiftungsrat von Konzert Theater Bern entscheiden, ob er den Vertrag verlängern will oder nicht. Märki, das scheint nun eindeutig, möchte. Er sagt: «Es wäre beglückend, mal in der Struktur zu arbeiten, wenn die Sanierung komplett abgeschlossen ist. Die Laufzeit des Intendantenvertrages ist aber an die Subventionsperiode gekoppelt. Darüber muss ich mit drei Gesellschaftern parallel verhandeln. Das Ergebnis ist entscheidend.» Was Stephan Märki, der nach eigenem Bekunden die «Stadt in den kreativen Prozess» mitnehmen will, nicht erwähnt: Verhandelt wird hinter verschlossenen Türen.
Eine öffentliche Diskussion über die bisherige Ära Märki und über Zukunftsvorstellungen des Publikums ist nicht geplant. Sie täte aber dringend not. Sie müsste klären, ob sich Konzert Theater Bern für weitere vier Jahre einen Direktor leisten kann, der sich als grossen Zampano versteht, der seinen Hofstaat um sich schart und der sich mit allen überwirft, die eigene Ideen entwickeln. Sie müsste klären, ob sich die Berner Theaterwelt weiterhin mit grossen Worten zufrieden geben soll oder ob sie endlich Taten sehen will.