Stadtteil IV kämpft für seine Läden

von Anne-Careen Stoltze 17. Oktober 2012

Zwischen Kirchenfeld und Elfenau gibt es nur noch wenige Quartierläden. Neue werden nicht eröffnet, um so mehr engagieren sich Leist und Quartiervertretung für die vorhandenen Geschäfte. 

«Unser Quartier hat in den vergangenen Jahren deutlich an Substanz verloren», sagt Sabine Schärrer. Sie ist Präsidentin der Quartiervertretung Quav4 für den Stadtteil IV, zu welchem auch Kirchenfeld, Brunnadern und Elfenau gehören. «Früher gab es hier zwölf Geschäfte mehr, sogar einen Schuhmacher», sagt Schärrer. Die Geschäfte sind lange weg und damit Begegnungsorte für die Quartierbevölkerung. «Die Läden geben eine Bindung in der Nachbarschaft und sind sehr wichtig für das soziale Leben, besonders für betagte Leute», erläutert Schärrer.

Läden nur noch an Hotspots

Wie wichtig ein Laden ist, merke man oft erst, wenn er weg sei. Heute gibt es im ganzen Stadtteil zwar noch einige Geschäfte, doch sie konzentrieren sich auf wenige Hotspots wie den Burgernzielkreisel, die untere Thunstrasse und das Egghölzli. «Insgesamt hat es zu wenige Läden, und es wäre eine Illusion zu glauben, dass sich neue Unternehmer hier ansiedeln werden.»

«Es wäre eine Illusion zu glauben, dass sich neue Unternehmer hier ansiedeln werden.»

Sabine Schärrer

Diese Einschätzung teilen auch die städtischen Planer, die im vorgelegten Quartierplan ein «erhebliches Defizit an Versorgung des täglichen Bedarfs» feststellen. In dem Plan sieht Schärrer, die selbst Architektin ist, jedoch die Chance, in einigen Jahren mehr Gewerbler anzulocken und zwar innerhalb des Bauprojekts für das Tramdepot Burgernziel. «Im Erdgeschoss sind dabei Geschäfte vorgesehen, und wir haben acht potenzielle Unternehmer empfohlen, die dort einziehen würden.» Die Liegenschaftsverwaltung begrüsse dies auch. Die Grossverteiler hätten kein Interesse an dem Standort – der Stadtteil ist bereits unter Coop und Migros aufgeteilt.

Konkurrenzkampf gegen orangene Riesen

Gegen die beiden orangen Riesen behauptet sich die Bäckerei Lanz im Egghölzli. «Uns geht es nicht schlecht – gegessen wird ja auch in Krisenzeiten, aber wir müssen immer kämpfen», sagt Helene Lanz, die das Geschäft zusammen mit ihrem Mann betreibt. «Früher gab es hier fast an jeder Ecke einen Beck.» Über die Jahre habe ein Geschäft nach dem anderen geschlossen und nur wenige seien heute übrig geblieben.

«Bei uns wird das Brot von Hand geknetet, und es hat genug Zeit beim Gärprozess Aroma zu entwickeln.»

Helene Lanz

Über fehlende Konkurrenz kann sich die Bäckersfrau dennoch nicht beklagen, diese hat sie jeden Tag vor Augen: der Coop und die Migrolino-Tankstelle bieten auch frische Backwaren an – erst noch billiger. «Aber dort wird nur fertiggebacken, wir haben eine andere Philosophie. Bei uns wird das Brot von Hand gemacht, und es hat genug Zeit beim Gärprozess Aroma zu enwickeln. Dieser Unterschied schmeckt unseren Kunden», erläutert Lanz. Mit Handarbeit und Qualität will sich die Bäckerei Lanz denn auch gegenüber den Grossverteilern abheben. Aus ihrer Sicht können Quartierläden heute nur überleben, wenn sie ein anderes Sortiment anbieten. «Da gehört auch unser Sonntagsverkauf dazu – das ist ein grosses Bedürfnis unserer Kundschaft. Der Sonntag bringt uns den stärksten Umsatz.»

Leerstand wenn der Nachfolger fehlt

Ein weiterer Knackpunkt, der so manchem Quartierladen den Garaus macht, ist die Nachfolgeregelung. Martin und Helene Lanz haben Glück, denn in etwa zwei Jahren wird ihr Sohn das Geschäft übernehmen. Bei der Metzgerei Simperl zwei Häuser weiter gab es keinen Nachfolger: Die frühere Unternehmerin gab das Geschäft vor einem halben Jahr aus Altersgründen auf. «Ein weiterer Verlust für das Quartier», sagt Sabine Schärrer vom Quav4. Ungünstig wäre aus ihrer Sicht, wenn sich nun etwa eine Immobilienverwaltung oder ein Architekturbüro einmieten würden – «dann ist kein öffentliches Leben möglich». Nun steht das Ladenlokal noch leer. Die Suche gestaltet sich offenbar schwierig. Woran liegts? «Wir haben lange versucht, einen Metzger als Nachmieter zu finden», sagt Michael Friedli Prokurist bei der Von Graffenried AG Liegenschaften. Bisher ist das nicht geglückt, denn «schweizweit schliessen mehr Metzgereien als eröffnet werden». Dies liege wohl an den strengeren Vorschriften für Betriebe, die in der fleischverarbeitenden Branche tätig sind, welche in Liegenschaften mit wenig Platz schwer zu erfüllen seien, vermutet Friedli. Das Thema Metzgerei habe man deshalb mit Bedauern «abgehakt». Stattdessen verhandelt Friedli nun mit einem Lebensmittelhändler. «Aber es ist noch nichts unterschrieben.»

Brunnadere-Lade mit speziellem Konzept

Umso wichtiger ist es, die Geschäfte zu hegen, die da sind. Eine beispielhafte Rettungsaktion haben das Quartier und seine Bewohnerinnen im vergangenen Jahr geleistet: Als der einzige Laden in der Elfenau vor dem Aus stand, trieben sie 80’000 Franken aus Spenden und Darlehen auf und finanzierten den Anschub für den jetzigen Brunnadere-Lade. In Robel Kahsay fanden Schärrer und ihre Mitstreiter einen kompetenten Geschäftsführer. Der Eritreer hatte zuvor in dem Laden seine Lehre abgeschlossen. Als wirtschaftlicher Partner fungiert die Kette Maxi der Ostschweizer Spar-Gruppe. «Seit August habe ich Verstärkung in meinem Team, zwei neue Kolleginnen und einen Kollegen», sagt der motivierte Geschäftsführer Kahsay. Ganz nebenbei unterstützt das Quartier nämlich die Integration, denn die drei neuen Mitarbeitenden kommen aus dem Irak, Tibet und Angola.

Die nun zehnmonatige Bilanz für den Quartierladen fällt gut aus: «Kahsay konnte einerseits dank geschicktem Einkauf die Preise für Lebensmittel senken und andererseits den Umsatz um einen Drittel steigern», sagt Schärrer. Zudem führt der Laden regionale Produkte, wie Honig aus der Elfenau und Bioprodukte. Damit der Laden genügend Gewinn abwirft, um die Darlehen zurück zu zahlen, muss der Umsatz jedoch noch um weitere 20’000 Franken steigen. Diesem Ziel will Kahsay auch mit seinem Hauslieferdienst näher kommen, denn im Quartier gibt es mehrere Altersheime. Zudem möchte er gern Tische und Stühle vor dem Laden aufstellen. «Doch da müssen wir noch ein paar bürokratische Hürden nehmen.» Kaffee gibt es aber schon jetzt – to go.