Spielplatzgedanken

von Basrie Sakiri-Murati 20. Juni 2024

Unsere Kolumnistin beobachtet eine fröhliche Gruppe ausländischer Kinder. Es macht sie glücklich. Aber auch Erinnerungen an ihre schwierige erste Zeit in der Schweiz werden wach.

Seit ein paar Monaten habe ich das Vergnügen, einmal in der Woche meine Enkelin zu betreuen. Dienstag ist das! Inzwischen ist es mein Lieblingstag geworden. Ich kann es kaum erwarten, bis der Montag vorbei ist, damit ich bei der Kleinen sein kann. Ihre funkelnden Augen und ihr herzhaftes Lachen bestätigen mir, dass ihre Welt in Ordnung ist. Zu sehen, wie sie jede Woche Fortschritte macht, ist für mich unbeschreiblich schön. Ich geniesse jeden einzelnen Moment mit ihr. Sie ist erst 14 Monate alt, aber sie beobachtet und nimmt vieles wahr. Wenn wir zusammen Spaziergänge machen oder auf dem Kinderspielplatz sind, springt ihr Herz vor Freude über die anderen Kinder. Und meines dazu!

Auf dem Kinderspielplatz treffen wir oft Kinder, die in Begleitung von Eltern, Grosseltern oder Betreuenden da sind. Ich geniesse die zufriedenen und verträumten Kinder, die sorglos miteinander spielen. Vielleicht, weil es in meinem Berufsalltag im Krankenhaus und beim Übersetzen vor Gericht meistens ernsthafter zu und her geht?

Kürzlich entdeckte ich im Monbijou-Park einige Kinder. Sie waren zwischen sechs- und achtjährig und im ersten Augenblick sahen sie nicht viel anders aus als alle anderen Kinder. Doch als ich hinhörte, merkte ich, dass sie offenbar noch nicht lange hier lebten. Sie sprachen nicht Berndeutsch, sondern gebrochenes Hochdeutsch. Sie spielten friedlich miteinander und waren fröhlich. Ihre lachenden Augen und ihr unbeschwerter Umgang untereinander gaben mir das Gefühl, als ob sie alle aus einer Familie stammten. Neugierig fragte ich eine der Betreuenden, und erhielt zur Antwort: «Es sind Asylsuchende und wir sind von der BAZ Schule Bern, sie kommen von überall: Ukraine, Syrien, Iran, Kurdistan, Afrika… und sie sind noch nicht lange da.»

Darüber zu sprechen hätte gutgetan, aber weil wir keine gemeinsame Sprache hatten, schwiegen wir.

Zwei volle Hände Kinder, aus allen Ecken der Welt! In diesem Moment brauchten sie nicht viel, um glücklich zu sein: den freien Himmel, das Zusammensein, den Spielplatz. Mit ein paar wenigen Worten verstanden sie sich, als ob sie sich immer gekannt hätten. Sie genossen die Freiheit und ich freute mich mit ihnen. Ich kannte ihre Geschichte nicht, aber ich konnte sie mir vorstellen. Kinder sind sehr einfühlsam; und wenn es darum geht, Schicksale und Tragödien zu verbergen, sind sie gute Schauspieler. Ich fragte mich, ob sie diese Sorglosigkeit auch in Anwesenheit ihren Eltern haben.

Während ich mich mit der Lehrerin unterhielt und die Leichtigkeit der Kinder genoss, kamen in mir Erinnerungen hoch an die Zeit, als ich im Herbst 1989 im Asylheim in Balmberg, SO war. Damals gab es dort nur drei Familien mit Kindern aus Kurdistan. Der Rest waren junge Asylsuchende. Die meisten waren mit ihrer traurigen Vergangenheit beschäftigt und in Sorge wegen ihrer Familien und Freund*innen zuhause. Darüber zu sprechen hätte gutgetan, aber weil wir keine gemeinsame Sprache hatten, schwiegen wir.

Drei Monate lang teilte ich mein Zimmer mit sieben Mädchen aus Sri Lanka. Ich konnte mich mit ihnen nicht austauschen, weil sie nur tamilisch sprachen. Die kurdischen Kinder waren das einzige, was uns Erwachsenen wortlos Freude bereitete. An den Wochenenden durfte ich das Areal des Asylzentrums verlassen und ich konnte weggehen, um beispielsweise Landsleute zu treffen oder die Umgebung zu erkunden. Doch das Geld, dass ich zu Verfügung hatte, reichte meist nur für die Hinfahrt, nicht aber für die Rückfahrt.

Zum Glück haben sich die Zeiten geändert!