Bei den jüngsten Stadtratswahlen fand zwischen den Blöcken keine nennenswerte Veränderung statt: Die rotgrünen Parteien (SP, Grüne und kleine Linksparteien) steigerten sich insgesamt nur um 0,4 Prozentpunkte auf rund sechzig Prozent. Auch auf bürgerlicher und rechter Seite gab es, abgesehen von den Verlusten der GLP, kaum nennenswerte Veränderungen.
Verschiebungen innerhalb von Rotgrün
Mit Blick auf die einzelnen Parteien fand 2024 die grösste Veränderung der Stadtratswahlen innerhalb der rotgrünen Parteien statt: Die SP legte phänomenale 5,1 Prozentpunkte zu und kam auf 32,6 Prozent Parteistärke, das beste Ergebnis seit 24 Jahren. Die beiden grünen Formationen verloren dagegen zusammen 3,1 Prozentpunkte (auf 22,8%): Das GB mit der JA! büsste 1,4 Punkte ein (auf 15,2%) und die GFL 1,7 Punkte (auf 7,6%). Zudem ist die in den letzten Jahren etwas irrlichternde «Grün alternative Partei» (GaP) nicht mehr zu den Wahlen angetreten (-1,3 Prozentpunkte). Schwächer geworden ist auch die Alternative Liste (-0,5 Punkte auf 2,7%), während die PdA sich leicht steigerte, auf 1,5 Prozent.
SP gewinnt flächendeckend
Nachdem die Grünen bei den Stadtratswahlen 2020 im Zug der «grünen Welle» stärkemässig mit der SP gleichgezogen hatten (SP: 27,5%, Grüne: 27,2%), hat sich bei den jüngsten Wahlen die SP wieder mit einer Parteistärke von 32,6 Prozent klar an die Spitze gestellt, mit rund zehn Prozentpunkten Vorsprung auf die Grünen. So ausgeprägt war der Differenz zwischen SP und Grünen seit 24 Jahren nicht mehr.

Ein Blick in die Zählkreise zeigt, dass die SP in sämtlichen Zählkreisen am stärksten vertreten ist. Besonders stark ist sie in den Zählkreisen Länggasse/Felsenau, Mattenhof/Weissenbühl und Breitenrain/Lorraine. Dort steigerte sie sich bei den jüngsten Wahlen um rund fünf bzw. sechs Prozentpunkte auf je rund 35 Prozent. Weniger stark ist die SP in den Zählkreisen Kirchenfeld/Schosshalde und Bümpliz/Oberbottigen. Dort legte sie vier bzw. drei Prozentpunkte zu, auf je rund 28 Prozent.
GB und GFL verlieren
Auch die Grünen (GB und GFL) haben ihre Hochburgen in der Länggasse, im Mattenhof und im Breitenrain. Bei den jüngsten Wahlen entsprechen ihre Verluste in etwa den Gewinnen der SP. Am stärksten waren die Stimmenverluste der Grünen (inkl. GaP) im Breitenrain (-6 Prozentpunkte auf 25%). Im Zählkreis Länggasse, Mattenhof und Kirchenfeld wurden die Grünen je um rund vier Prozentpunkte schwächer und erreichten noch eine Parteistärke von 27 Prozent (Länggasse), 25 Prozent (Mattenhof) sowie 21 Prozent (Kirchenfeld). Nur rund zwei Prozentpunkte betrugen die Stimmenverluste in Bümpliz; dort beträgt allerdings die aktuelle Parteistäke der Grünen nur gerade 14 Prozent.
Gewinne der einen erfolgten vielfach zu Lasten der anderen und umgekehrt.
Vergleichen wir die Verluste der beiden grünen stadtbernischen Formationen (GB und GFL), so fallen diese für das GB leicht grösser aus in der Länggasse und im Breitenrain. Die GFL büsste dagegen etwas mehr Parteistärke im Mattenhof, im Kirchenfeld und in Bümpliz ein.
GLP geschwächt, «Mitte» gewinnt leicht
Auf der bürgerlichen Seite erlitt – gesamtstädtisch – die GLP die grössten Stimmenverluste (-2,4 Prozentpunkte auf 10,7%). Sie bleibt aber drittstärkste Partei. Leicht zugelegt hat die «Mitte» (ehem. BDP und CVP) um 0,5 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent, während die SVP um 0,6 Punkte schwächer wurde (auf 7,9%). Grosso modo ihre Parteistärke halten konnten die FDP (inkl. Jungfreisinnige; 9,5%) und die EVP (2,3%).
Nach Zählkreisen betrachtet verlor die GLP 2024 überdurchschnittlich viel an Parteistärke im Kirchenfeld, in der Länggasse und im Mattenhof (zwischen 2,5 und 3,5 Prozentpunkte). Sie kommt dort noch eine Parteistärke von elf bzw. zwölf Prozent. Nur rund einen Prozentpunkt büsste die GLP im Breitenrain ein (auf 11%). In Bümpliz, wo sie schwach verankert ist, verlor sie gute zwei Punkte (auf 6,5%).

Bei den anderen bürgerlichen und rechten Parteien lagen die Veränderungen in den Zählkreisen unter einem Prozentpunkt, ausser bei der «Mitte». Diese legte im Zählkreis Kirchenfeld rund zwei Prozentpunkte zu (auf 8%) und in Bümpliz einen Punkt (auf 9%).
Das Wahlverhalten in den einzelnen Stadtteilen von 2024 passt in groben Zügen in die drei parteipolitischen Muster, welche sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet haben. Diese lassen sich wie folgt charakterisieren.
Länggasse, Mattenhof und Breitenrain: rotgrüne Mehrheit – starke bürgerliche Mitte – schwache Rechtsbürgerliche
In den drei Zählkreisen Länggasse, Mattenhof und Breitenrain verfügen die rotgrünen Parteien (SP, Grüne, kleine Linksparteien) seit spätestens 1996 über eine gemeinsame Parteienstärke von mehr als fünfzig Prozent; spätestens 2016 überschritt diese in den drei Zählkreisen die Sechzig-Prozent-Linie. Nach den jüngsten Wahlen liegt ihre gemeinsame Parteienstärke bei 65 bzw. 66 Prozent. In diesen Jahrzehnten können – wie auch auf nationaler Ebene – starke Wähler*innenströme zwischen SP und den Grünen festgestellt werden: Gewinne der einen erfolgten vielfach zu Lasten der anderen und umgekehrt.
In diesen Jahrzehnten können – wie auch auf nationaler Ebene – starke Wähler*innenströme zwischen SP und den Grünen festgestellt werden.
Der Eintritt der neugegründeten GLP und BDP von 2008 in die Politik ging teilweise zu Lasten der SP. Diese verlor in den drei Zählkreisen drei bis fünf Prozentpunkte (auf 26% bis 28%). Wie auf nationaler Ebene aber wurde vor allem das bürgerliche Lager umgepflügt: Die FDP brach 2008 in den drei Zählkreisen um rund sechs Prozentpunkte ein auf je rund zehn Prozent, die SVP verlor rund drei bis vier Prozentpunkte (auf 7% bzw. 8%). Mittlerweile sind die Stimmenanteile von FDP und SVP in den beiden Zählkreisen Länggasse und Mattenhof weiter gesunken: Bei den jüngsten Wahlen betrugen sie rund acht Prozent (FDP) bzw. fünf bis sechs Prozent (SVP).
Dank der BDP und der GLP stieg bei den Stadtratswahlen 2008 die Parteienstärke der bürgerlichen Mitteparteien (damals bestehend aus EVP und CVP) in den drei Zählkreisen Länggasse, Mattenhof und Breitenrain massiv an: von 6 bis 9 Prozent auf 19 bis 23 Prozent. Auch wenn 2021 CVP und BDP zur «Mitte» fusionierten, ist die GLP weiterhin unter den bürgerlichen Mitteparteien mit rund elf Prozent die stärkste bürgerliche Mittepartei.
Kirchenfeld/Schosshalde: ausgeglichene Parteienlandschaft mit knapper rotgrüner Mehrheit
Das Kirchenfeld war jahrzehntelang die Hochburg der FDP, mit einer Parteistärke von rund dreissig Prozent, und sie ist es heute noch, allerdings auf bescheidenerem Niveau. 2008 brach ihre Parteistärke – infolge der beiden neuen Mitteparteien GLP und BDP – auf rund 19 Prozent ein. Nach den jüngsten Wahlen verfügt die FDP noch über rund 15 Prozent Stimmenanteil. Die SVP kam im Kirchenfeld in den letzten Jahrzehnten nie über eine Parteistärke von 13 Prozent (2000). Seit 2020 beträgt diese noch rund acht Prozent.
Ausgeprägt ist im Kirchenfeld auch der Zuwachs der rotgrünen Parteien.
Sprunghaft zugelegt haben 2008 im Kirchenfeld die neu gegründeten BDP (8,5%) und GLP (5,3%). 2024 kamen GLP, «Mitte» und EVP zusammen auf rund 23 Prozent. Auch nach den jüngsten Stimmenverlusten von über zwei Prozentpunkten verfügt die GLP noch über eine Parteistärke von rund zwölf Prozent; sie bleibt im Kirchenfeld die stärkste bürgerliche Mittepartei.
Ausgeprägt ist im Kirchenfeld auch der Zuwachs der rotgrünen Parteien. Betrug ihre gemeinsame Parteienstärke 1992 noch rund vierzig Prozent, so liegt diese nach den jüngsten Wahlen bei rund 51 Prozent. Am stärksten ist die SP (28%), gefolgt vom GB (13%) und der GFL (8%).
Bümpliz/Bethlehem: SP und SVP als stärkste Parteien
Jahrzehntelang war Bümpliz eine ausgeprägte SP-Hochburg. 1980 betrug die Parteistärke der SP 44 Prozent. In den folgenden Jahren verlor die SP kontinuierlich an Stimmen: 2008 brach sie um sechs Prozentpunkte auf rund 26 Prozent ein. Bei den jüngsten Wahlen kam die SP auf 28 Prozent und bleibt vor der SVP stärkste Partei im Westen.

Profitiert von den Stimmenverlusten der SP in den Achtziger- und Neunzigerjahren haben vor allem die kleinen Rechtsparteien (Schweizer Demokraten, Autopartei etc.): Bis 1996 holten dieses zusammen zwischen 19 bis 24 Prozent aller Stimmen. Ab 2000 übernahm die SVP den Lead im rechten Segment. Sie beerbte die kleinen Rechtsparteien und steigerte ihre eigene Parteistärke von rund zwölf (1992) auf den Höchststand von 27 Prozent (2016). Damit überholte sie die SP. Bei den jüngsten Wahlen erhielt die SVP noch 22 Prozent der Stimmen. Die Parteistärke der kleinen Rechtsparteien liegt dagegen seit 2016 unter einem Prozent.
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Die FDP konnte sich in Bümpliz seit 2016 bei knapp acht Prozent halten.
Die bürgerliche Mitte kam 2008 – vor allem dank der zwölf Prozent Stimmenanteil der neugegründeten BDP – auf eine Parteienstärke von 24 Prozent. 2024 beträgt diese noch zwanzig Prozent; die «Mitte» (BDP und CVP) kam dabei auf neun Prozent, was eine leichte Steigerung gegenüber 2020 darstellt. Die GLP hat sich von zwei (2008) auf sieben Prozent (2024) gesteigert. 2020 hatte sie jedoch noch einen Stimmenanteil von über neun Prozent.
Für die Grünen ist der Westen Berns seit je ein hartes Pflaster. Gegenüber den letzten Wahlen ist ihre gemeinsame Parteienstärke um zwei Prozentpunkte kleiner geworden (auf 14%); der Stimmenanteil des GB beträgt nun neun Prozent und jener der GFL fünf Prozent. Die rotgrünen Parteien kommen im Westen Berns zusammen auf eine Parteienstärke von 45 Prozent.