Politik - Meinung

Schaulaufen ums Stadtpräsidium

von Willi Egloff 9. Mai 2024

Wahlen 2024 GLP und SVP haben nun ebenfalls Kandidierende ins Rennen ums Stadtpräsidium geschickt. Das ändert allerdings nicht viel an der Ausgangslage im herbstlichen Wahlkampf.

Mit der Kandidatur von Marieke Kruit hat die SP zwar nicht die Wiederwahl von Alec von Graffenried als Gemeinderat, wohl aber sein Amt als Stadtpräsident in Frage gestellt. Die rechtsbürgerlichen Parteien verstanden diesen Vorstoss offenbar als Steilpass für sich selbst: Wie sie letzte Woche mitteilten, wollen nun auch Melanie Mettler von der GLP und Janosch Weyermann von der SVP in den Kampf ums Stadtpräsidium eingreifen.

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An der politischen Realität ändern diese beiden Kandidaturen nichts. Angesichts der politischen Kräfteverhältnisse werden der bisherige Alec von Graffenried und seine Herausforderin Marieke Kruit die Wahl ins Stadtpräsidium unter sich ausmachen. Nur diese beiden amtierenden Mitglieder des Gemeinderates haben eine realistische Chance auf eine Wahl. Der Rest ist lokalpolitische Folklore.

Hierarchie im «Bürgerlichen Bündnis»

Interessanter sind die beiden Kandidaturen denn auch unter einem anderen Gesichtspunkt: Sie zeigen, wer innerhalb des mit grossem medialem Brimborium angekündigten «Bürgerlichen Bündnisses» die Führungsrolle innehat – nämlich die GLP und die SVP.

Das entspricht durchaus den parteipolitischen Stärken der dort versammelten fünf Parteien. Es illustriert auch, dass es sich bei diesem Bündnis eben nicht um einen losen Zusammenschluss der politischen Mitte handelt, sondern um eine Koalition mit markantem Rechtsdrall.

Die Nominationen für das Stadtpräsidium machen nun deutlich, wer die beiden neuen Gemeinderatsmitglieder im Selbstverständnis des Bündnisses sein sollen: Melanie Mettler und Janosch Weyermann.

Das erklärte Ziel dieses Bündnisses ist es, zwei der fünf Sitze im Gemeinderat der Stadt Bern zu erobern. Die Nominationen für das Stadtpräsidium machen nun deutlich, wer diese beiden neuen Gemeinderatsmitglieder im Selbstverständnis des Bündnisses sein sollen: eben Melanie Mettler und Janosch Weyermann.

Sie sollen das Schaulaufen um das Stadtpräsidium bestreiten und die damit verbundene erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit nutzen, um die für eine Wahl in den Gemeinderat nötigen Stimmen zu generieren.

Wer will einen SVP-Gemeinderat?

Damit stellt sich die Frage, wer sich – ausserhalb der SVP selbst – denn eigentlich den Einsitz eines SVP-Mannes in den Gemeinderat wünscht. Dies gilt umso mehr, als diese Einsitznahme fast sicher auf Kosten eines grünen Gemeinderatssitzes gehen würde. Wem eigentlich soll es nützen, wenn ein Lobbyist des motorisierten Individualverkehrs und des Kampfes gegen Integration und sozialen Zusammenhalt in der Stadt Bern eine grüne Vertretung im Gemeinderat verdrängt?

Insbesondere die GLP wird die Stimmberechtigten der Stadt Bern erst noch darüber aufklären müssen, was sie von einem solchen Wechsel zu gewinnen hat. Eine Partei, die sich in ihrem Namen als «grün» bezeichnet, müsste schon etwas deutlicher erklären können, weshalb sie sich mit einer Anti-Umwelt-Partei wie der SVP zusammentut, um die Vertretung grüner Parteien im Gemeinderat zu schwächen.

Insbesondere die GLP wird die Stimmberechtigten der Stadt Bern erst noch darüber aufklären müssen, was sie von einem solchen Wechsel zu gewinnen hat.

Der blosse Hinweis auf eine durch das Wahlsystem vorgegebene Arithmetik, mit dem die Stadtberner GLP ihren Rechtsschwenk bisher offiziell begründete, reicht dafür jedenfalls nicht aus. Wie der Übertritt von GLP-Stadtrat Michael Ruefer zur GFL illustriert, lässt sich damit ja nicht einmal die eigene Basis ganz bei der Stange halten.