Rytz macht’s ohne Polemik

von Anne-Careen Stoltze 17. Mai 2013

Vom Berner Gemeinderat aufs nationale Parkett: Regula Rytz (Grüne) über ihr neues Leben in Bundesbern und warum sie ohne Gepolter gehört werden will.

Das Email-Signal plingt im Fünfminutentakt. Das Telefon klingelt in der Handtasche, aber Regula Rytz nimmt diesmal nicht ab. Auf der Mausmatte ist ihr «altes» Team von der Tiefbaudirektion zu sehen. Im Büro der Grünen-Nationalrätin kommt das Licht von oben. Durch das Dachfenster kann man die Hauptkuppel des Bundeshauses sehen – und von einem anderen Blickwinkel aus die Baukräne, die in der Marktgasse stehen. Die Grossbaustelle im Herzen von Bern hat Rytz sorgfältig geplant und ihrer Nachfolgerin Ursula Wyss (SP) übergeben.

«Ich ärgere mich über Wendehälse, die den Ausstieg verantwortungslos verzögern wollen. Mit Polemik geht’s aber nicht schneller.»

Regula Rytz, Nationalrätin (Grüne)

«Ich bin inzwischen voll in Bundesbern angekommen», sagt Rytz. Während sie als Gemeinderätin auf Mandate in politischen Verbänden verzichten musste, sei sie nun daran sich ein breites Netzwerk aufzubauen. Rytz ist unter anderem im Vorstand des kantonalen VCS, im Vorstand des Lötschbergkomitees sowie der Alpeninitiative. «Ich hatte auch schon Anfragen für Verwaltungsratsmandate, doch damit halte ich mich im Moment zurück», sagt Rytz. In diesem Jahr wolle sie sich auf den Nationalrat und das Co-Präsidium der Grünen konzentrieren.

Kritik an geringer Medienpräsenz

Denn mit Mehrfachbelastungen kennt sich die ehrgeizige Schafferin aus – und sie brachten ihr auch Kritik ein. Rytz sei zuwenig ausserhalb von Bern bekannt, hiess es, und zuwenig in den nationalen Medien präsent. Grund dafür war ihr Doppelmandat als Berner Gemeinderätin und Nationalrätin. Hinzu kam im Frühling 2012 noch ein weiteres Amt: Rytz wurde ins Co-Präsidium der Schweizer Grünen gewählt. Zusammen mit Adèle Thorens steht sie an der Spitze der Partei.

Inzwischen aber dürften die Kritiker verstummen, denn Rytz tritt in vielen Medien auf. «Das hat sich seit Januar schlagartig geändert», sagt Rytz, die bereits mehrmals in der Arena zu sehen war und zuletzt mit Toni Brunner (SVP) in der Rundschau über die Volkswahl des Bundesrates diskutierte.

«Es irritiert wohl manche, dass ich etwas ganz normal sage.»

Regula Rytz, Nationalrätin (Grüne)

Bei Medienauftritten wirkt Rytz ruhig und bleibt beim Thema. Auch dafür erntete sie zuweilen Kritik: sie sei zuwenig pointiert. Sie entgegnet: «In der nationalen Politik geht es oft laut und poltrig zu und her. Deshalb irritiert es wohl manche, dass ich etwas ganz normal sage.» Natürlich greife sie auch manchmal zur Ironie und könne laut werden, zum Beispiel wenn es um den Atomausstieg geht. «Ich ärgere mich über Wendehälse, die den Ausstieg verantwortungslos verzögern wollen. Mit Polemik geht’s aber nicht schneller», lässt sich Rytz nicht aus der Ruhe bringen. Sie bekäme von vielen Leuten Lob für ihre Auftritte, «weil ich eben kein Drama mache». Zudem überlege sie bei ihren politischen Vorstössen stets, wie machbar und realistisch ihre Forderungen sind. Dieses Denken habe sie sich während den acht Jahren als Tiefbaudirektorin angeeignet, «das werde ich wohl nicht mehr los».

Lieblingsthema Verkehr

Auch thematisch knüpft Rytz an ihre Exekutiv-Zeiten an und will sich auf Verkehr spezialisieren. «Da habe ich sehr viel praktische Erfahrung als Gemeinderätin gesammelt.» So kann Rytz in der Verkehrskommissionden Ausbau von Bahn, Tram und Bus mitgestalten, ist aber auch mit Forderungen nach fairen Löhnen oder genossenschaftlichem Wohnungsbau unterwegs. Ihre Co-Präsidentin Adèle Thorens sei auf Raumplanung, Wirtschaft und Umwelt spezialisiert.

«Kritik nehme ich gerne an, wenn es mir die Leute direkt sagen.»

Regula Rytz, Nationalrätin (Grüne)

Die Kritik ihres Parteikollegen Daniel Vischer gegenüber dem Tagesanzeiger, die Parteispitze spiegele zu wenig die Breite der Partei wider, sieht Rytz deswegen auch anders. «Das Präsidium deckt das ganze Spektrum der grünen Themen ab, das reicht von der Energiewende über die Stärkung der AHV bis zur fairen Spielregeln für globale Wirtschaftskonzerne oder den Schutz von liberalen Grundwerten», widerspricht Rytz. Man könne es nie allen recht machen. Kritik nehme sie jedoch gerne an, vor allem, «wenn es mir die Leute direkt sagen, weil es dann konstruktiv ist.»