Rumpelkisten mit emotionalem Wert

von Eliane Oesch 18. März 2013

2007 wurde vom Tramverein Bern in der Remise Weissenbühl das Tram-Museum Bern eröffnet. Bisher konnten über dreissig historische Fahrzeuge des städtischen Nahverkehrs vor der Verschrottung gerettet werden.

Die Sammlung des Tramvereins Bern umfasst fünf historische Berner Tramzüge, drei Tram-Dienstfahrzeuge, elf Berner Stadtautobusse, einen Überlandbus, fünf Trolleybusse, einen Trolleybus-Anhänger, die zwei ältesten «Blauen Bähnli», einen Triebwagen der Montreux-Oberland-Bahn (MOB), einen Zug der ehemaligen Solothurn-Zollikofen-Bern-Bahn (SZB) und sogar einen Standseilbahnwagen der Gurtenbahn. In anderen Städten ist es selten, dass man Trams, Busse und zusätzlich Überlandbahnen wie das «Blaue Bähnli» hat. «Die Vielfalt der öffentlichen Verkehrsmittel ist das Schöne in Bern», sagt Martin Strobel, der seit zwanzig Jahren Mitglied im Tramverein und seit fünf Jahren Vereinspräsident ist.

«Die öV-Vielfalt ist das Schöne in Bern.»

Martin Strobel, Präsident Tramverein Bern

Anhand der Sammlung wolle man die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs der Stadt zeigen, erzählt Strobel. «Vom ältesten elektrischen Tram von 1901 an ist jede wichtige Etappe der Tramgeschichte im Museum repräsentiert. «Auch vom Anfang des Busbetriebs im Jahr 1924 haben wir ein Fahrzeug – und ab 1929 die komplette Sammlung von allen Serien, die in Bern gefahren wurden», erzählt der Vereinspräsident stolz. Für Strobel sind alle Fahrzeuge bedeutsam, da sie eine bestimmte Epoche repräsentieren. «Für viele Leute haben die Rumpelkisten einen emotionalen Wert, etwa weil sie früher damit zur Schule gefahren sind», sagt Strobel. Nebst den Fahrzeugen sind im Standort Weissenbühl Gegenstände rund um den Berner öV-Betrieb ab 1879 ausgestellt, wie Billette, Linienpläne, Haltestellen-Aushänge oder ein Billett-Automat aus den 60er-Jahren.

«Ohne die Mitglieder wäre das nicht möglich»

Die wenigsten der fast zweihundert Tramverein-Mitglieder kommen aus Verkehrsbetrieben: «Es sind einfach Nahverkehrsinteressierte», so Strobel. Dass er selbst seit seiner Jugend beim Tramverein dabei ist, sei Zufall: «Ich hätte genauso gut bei einem Dampfbahnverein landen können – bei mir hat einfach der Eisenbahnvirus schon seit der Kindheit durchgegriffen.» Strobel war aber sofort von den «Machern» begeistert, die hier am Werk sind. «Ohne die Mitglieder wäre das alles gar nicht möglich», sagt Strobel. Die Standortmieten etwa werden mit Mitgliederbeiträgen und -spenden, dem Betrieb des Fondue-Trams und der Tramvermietung bezahlt: «Alles Geld oder Arbeit von Freiwilligen.» Bei Restaurationsprojekten frage man aber jeweils den Lotteriefonds an, der meist einen Teil der Projekte finanziere, erzählt Strobel.

Grössere und kleinere Restaurationen

Das Kernteam des Tramvereins – bestehend aus zehn bis zwanzig Mitgliedern – trifft sich zwei Mal pro Woche, um den Oldtimer-Park in Schuss zu halten. «Dabei konzentrieren wir uns nicht nur auf ein Fahrzeug. 
Schliesslich haben wir fünf Tramzüge und acht bis zehn Busse, die wir regelmässig betreiben», erklärt Strobel. «Ab und zu arbeiten wir an etwas Grösserem, wie im letzten Sommer an der Restauration des Fondue-Tramzugs.» Wegen eines Defekts am Motor mussten Hunderte von Teilen restauriert werden: «Beim Drehgestell mussten wir alle Teile auseinandernehmen, putzen und neu streichen.» Unter den Mitgliedern sind ein Tram- sowie ein Busspezialist, dank welchen man laut Strobel sehr viel selber erledigen und hohe Kosten vermeiden könne. Nur sehr schwierige Arbeiten gibt der Tramverein in Auftrag.

Mit dem Kulturpreis der Burgergemeinde belohnt

Gleich nach der Gründung des Tramvereins Bern im Jahr 1973 wurde mit der Instandhaltung der ersten Fahrzeuge begonnen: «Darunter war ein Saurer-Bus aus dem Jahr 1929 mit der typischen Schnauze», so Strobel.
Trams waren hingegen lange die Domäne der Städtischen Verkehrsbetriebe Bern SVB (heute Bernmobil). Erst in den 90er-Jahren kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen den SVB und dem Tramverein. Im Jahr 2000 erhielt der Verein den Kulturpreis der Burgergemeinde Bern. Dank dieser finanziellen Unterstützung und der guten Zusammenarbeit mit Bernmobil konnte 2007 das Tram-Museum in der Remise Weissenbühl eröffnet werden. Als zweiter Standort kann derzeit das Depot Burgernziel genutzt werden.

Ungewisse Zukunft wegen Platzmangels

«Momentan können wir nur zwei Drittel der Sammlung zeigen:

«Wir sind auf einen neuen Standort angewiesen. Die Stadt kann uns dabei leider nicht helfen.»

Martin Strobel, Präsident Tramverein Bern

die Bus-Sammlung im Weissenbühl und die Tram-Sammlung im Provisorium im Burgernziel, welches aber Mitte 2014 leider abgerissen wird», erzählt Strobel. Ausserdem habe man aufgrund des Platzmangels viele Busse sowie ein paar Überlandbahnen in zum Teil schlecht geschützten Abbruchliegenschaften rund um Bern abgestellt. Dies ist alles andere als praktisch: «Man kann sie weder vermieten noch dem Publikum zeigen und auch keinen Unterhalt daran machen», bedauert Strobel. «Wir sind dringend auf einen neuen Standort angewiesen. Die Stadt kann uns dabei leider nicht helfen.»

Mord im «Blauen Bähnli»

Der Tramverein wird an der diesjährigen Museumsnacht präsent sein. «Die Museumsnacht ist immer ein schöner Anlass, um die Sammlung auch Leuten zu zeigen, die sich sonst nicht hierhin verirren würden», erzählt Strobel. Die Besucher können an der Museumsnacht sowohl die Tramsammlung im Burgernziel als auch die Bussammlung im Weissenbühl begutachten. Ausserdem betreibt der Tramverein erneut die Oldtimer-Linien mit historischen Trams und Bussen. Ein Highlight sei, dass der Verein den Krimi «Mord im Blauen Bähnli» von Thomas Zwygart inszeniere – dazu gebe es eine Lesung. Strobel verrät: «Im düsteren Blauen Bähnli wird man dann diesen Mord sehen.»