Analoge Fotografie erlebt ein Revival. Als Anfang der 2000er Jahre die digitale Fotografie auf den Markt kam, verdrängte diese das analoge System und viele Entwicklungslabors mussten schliessen. Doch die analoge Fotografie liegt wieder im Trend, auf Instagram werden analoge Bilder mit dem Hashtag #ionlyshootfilm oder #staybrokeshootfilm versehen. Es gibt eine wachsende Gemeinschaft von Fotografie-Enthusiast*innen, die sich der analogen Fotografie und Filmentwicklung verschrieben haben wie etwa Foto Strobo, über den wir auch schon berichtet haben.
Seit 2020: développe derrière
Eine steile Treppe führt hinunter in den Keller. Ein süsslicher Geruch liegt in der Luft, vor uns ein Haufen Plastikkanister mit dunkler, brauner Flüssigkeit. Hinter den Plastikkanistern steht in einer Ecke ein unscheinbares, grosses Foto-Entwicklungsgerät. Es sieht aus wie ein riesiger Drucker aus den 90er Jahren. Am Gerät sind mehrere kleine Schläuche befestigt, die Fotochemie aus den einzelnen Kanistern in das Innere der Maschine pumpen. Erst muss die Chemie auf über 30 Grad erhitzt werden, um darin Fotonegative entwickeln zu können. Franca startet den Heizvorgang des Gerätes. Raffaela steht daneben und hat das Anzeigedisplay des Gerätes im Blick. Franca und Raffaela, das sind zwei Freundinnen, die das Fotolabor «déde», was für «développe derrière» steht, seit 2020 betreiben.

Sowohl die analoge als auch die digitale Fotografie spielen seit langem eine bedeutende Rolle im Leben beider Gründerinnen. Bereits Francas Grossvater hat viel in den Bergen fotografiert und Blumen dokumentiert. Seine Sammlung von Dias wurde dem Museum für Botanik übergeben. Für Franca war immer klar, später etwas mit Fotografie zu machen. Während ihrer Ausbildung zur Foto-Fachangestellten verfeinerte sie ihre Fähigkeiten. Heute arbeitet sie zum einen als selbstständige Fotografin und zum anderen an der Universitätsbibliothek «Zentrum Historische Bestände» im Bereich der Retrodigitalisierung. Sie ist Mutter von drei Kindern.
Raffaela hat einen Bachelor in Soziologie und studierte anschliessend Weltgesellschaft und Weltpolitik. Sie arbeitete während dem Master für ein Hilfswerk der Flüchtlingshilfe und war als Assistentin an der Universität tätig. Heute arbeitet sie in der Integrationsförderung beim Bund. Raffaela entdeckte ihre Leidenschaft für die Fotografie während ihres gestalterischen Vorkurses an der Hochschule Luzern Design & Kunst. Für ihr eigenes Schmucklabel NANA hat sie selbst Schmuckstücke ins richtige Licht gerückt, Shootings und Kollaborationen organisiert. Die Fotografie hat sie stets begleitet und bietet einen kreativen Ausgleich zu ihrem beruflichen Alltag im Migrationsbereich.
Alte Geräte und technische Herausforderungen
Raffaela hält zwei Farbfilm-Kapseln in den Händen. Die beiden Filme enthalten geknipste Erinnerungen, die erst durch den Entwicklungsprozess sichtbar werden. Bis dahin darf kein Licht auf die Negativstreifen in den Kapseln fallen, da sonst der Film unbrauchbar wird. Vorsichtig schiebt sie die beiden Enden der Negativstreifen in die Vorrichtung des Gerätes. Die Filme werden in die vollständig abgedunkelten, aufgeheizten Chemiebäder im Innern des Gerätes transportiert. Übrig bleiben die Kapseln, die nun in einem Textilbehälter mit gesammelten, alten Kapseln landen.

Das Foto-Entwicklungsgerät hat Franca bei ihrem alten Arbeitsort, das Fotostudio26 in Zofingen, abgestaubt. «Es war ein glücklicher Zufall, dass ich ihn angerufen habe und von meiner Idee erzählt habe. Denn er liess sich pensionieren. Wir durften das Gerät übernehmen.»

Eine Herausforderung beim Entwicklungsprozess ist, dass es diese Geräte nicht mehr neu zu kaufen gibt. Im Februar dieses Jahres fielen gleich mehrere Geräte gleichzeitig aus, wie der Scanner und das Foto-Entwicklungsgerät. Da es in der Schweiz nur noch sehr wenige Leute gibt, die diese reparieren können, waren sich die beiden Frauen nicht mehr sicher, ob ihr Fotolabor überhaupt weitergehen würde.
Das Entwicklungsbad
Das Entwicklungsgerät blinkt. Auf dem kleinen Anzeigedisplay wird mit einer kleinen, sich schlängelnden Linie, die an Nokia-Snake erinnert, ersichtlich, in welchem Chemiebad sich die Filmnegative gerade befinden.
Nach insgesamt fünfzehn Minuten spuckt das Gerät die zwei Filmnegative wieder aus, danach muss Franca das Gerät mit zwei neuen Filmen füttern. Sie lacht und meint, dass sie beim Entwickeln alle fünf Minuten zwischen Keller und Scannen hin- und herlaufen muss. Das klingt nach Fitnessprogramm. Mit den entwickelten Filmen in der Hand folgen wir Franca und Raffaela in das helle Gemeinschaftsatelier im Obergeschoss.

Wir fragen uns: Woher kommt die Faszination für die analoge Fotografie, wenn es doch digitale Kameras gibt, mit denen vergleichbare Ergebnisse in kürzerer Zeit zu erzielen sind? Film ist auch teuer, der beliebte Portra-Farbfilm kostet locker 17 Franken – und das für 36 Bilder. Hinzu kommen noch die Kosten für die Entwicklung und das Einscannen. In den letzten Jahren ist zudem der Preis für die Filme gestiegen, bis zu 30 Prozent mehr zahlen Kund*innen für ihre Filme. Raffaela sagt dazu: «Mit der analogen Kamera bin ich viel aufmerksamer. Durch den Entwicklungsprozess dauert es eine Weile, bis man das Ergebnis sieht. Dann bin ich wieder ganz im Moment. Diese Entschleunigung tut mir gut.»
Das Bedürfnis nach Entschleunigung
Laut Franca und Raffaela sind ihre Kund*innen zwei Hauptgruppen: einerseits junge Menschen, die sich für analoge Fotografie interessieren, aber die analoge Ära nie erlebt haben. Franca beobachtet: «Ich habe das Gefühl, es ist ein neues Medium, eine neue Art für junge Menschen. Es ist etwas anderes als das Bekannte – Handy, Digitalisierung, die ständige Informationsflut. Das Bedürfnis nach Entschleunigung ist gross.» Auch ältere Menschen greifen wieder zur Analogkamera greifen und kommen gerne für einen kurzen Schwatz im Atelier vorbei, um über analoge Fotografie zu diskutieren.

Franca legt die entwickelten Negativstreifen in den Scanner. Auf dem Computerbildschirm daneben erscheint eine Einstellmaske, damit die Negative richtig eingescannt werden und ein verwendbares Bild entsteht. Die Scan-Software läuft unter einer alten Windows-2000-Version, damit der Scanner überhaupt angeschlossen werden kann. Nach dem Scannen liegen die Bilder digital vor und werden mit einem Transferlink verschickt.
Viel Gewinn bleibt nicht
Die Scans werden nach dem Versenden wieder gelöscht und nicht archiviert. Übrig bleiben die Filmnegative, die immer wieder eingescannt werden können. Franca packt diese in eine silberne Hülle. Ab hier geht der Film wieder zurück in die Hände der Kund*innen. Doch nicht alle holen ihre Negative ab. Manche wissen auch gar nicht, wie langwierig der Prozess der Filmentwicklung ist, denn nebst der eigentlichen Filmentwicklung kommen weitere Arbeiten hinzu: Administration, Steuern, Kund*innen betreuen, alles braucht Zeit. Raffaela meint: «Das Administrative nimmt genauso viel Zeit ein wie das Entwickeln.»


Am Ende bleibt den beiden finanziell nicht viel übrig. Ihr Gründungsziel war es, die Miete des Ateliers zu finanzieren. Das haben sie erreicht: Mit dem Gewinn können sie die Miete decken und müssen nichts draufzahlen. Franca fügt hinzu: «Wir wollen zahlbar und zugänglich bleiben für Menschen.» Dieser Idealismus wird geschätzt. Davon zeugen die vielen Kund*innen des Ateliers.
