Reto Nause kennt den Babysitter-Notstand

von Anne-Careen Stoltze 11. Januar 2013

Alle Mitglieder des Gemeinderates haben Kinder. Journal B will wissen, wie sich politisches Amt und Familienalltag unter einen Hut bringen lassen. Den Anfang macht Reto Nause (CVP), der sich den Freitagnachmittag für seinen Sohn freihält.

Job: Seit 2009 Chef der Direktion für Umwelt, Sicherheit und Energie

Familienstand: verheiratet

Anstellungsgrad: offiziell 100 Prozent, aber effektiv mehr

Anstellungsgrad der Ehefrau: 60 Prozent

Kinder: Sohn Louis (3)

Kinderbetreuung: Drei Tage pro Woche in einer privaten Kita.

Herr Nause, Sie sind im Amt Vater geworden – wie passen Exekutivamt und Familienalltag zusammen?

Reto Nause:

An sich schlecht. Denn das Schöne am Familienleben ist ja, dass alle gemeinsam frühstücken oder zu Abend essen können. Beides ist in meinem Job nicht möglich. Am Morgen bin ich oftmals schon weg, wenn der Kleine wach wird, und am Abend schläft er schon, wenn ich heimkomme. Ich versuche ihn ein bis zweimal morgens in die Kita zu bringen. Auch die Wochenenden halte ich mir für die Familie frei.

Wie oft sehen Sie Ihren Sohn Louis?

Das ist sehr unterschiedlich. In der sitzungsfreien Zeit des Gemeinderates – wie in den Sommerferien – sehe ich ihn sehr oft. Dann kann ich durchaus reduziert arbeiten. Ich versuche am Abend früh daheim zu sein und ihn vermehrt in die Kita zu bringen. Aber im normalen Alltag – wie gerade auch vor den Wahlen im letzten Herbst – kann es durchaus vorkommen, dass ich ihn zwei Tage hintereinander nicht sehe.

Wie ist das für Sie?

Es ist umso schöner, wenn ich ihn dann wieder sehe und Zeit mit ihm verbringen kann. Dazu muss ich noch sagen, dass meine Direktion am meisten von allen durch äussere Ereignisse beeinflusst wird: Demonstrationen und Hochwasser sind nun mal nicht planbar. Solche Ereignisse erfordern meine absolute Präsenz und dann muss ich voll fürs Amt da sein.

«Im Krankheitsfall bricht bei uns der Betreuungs-notstand aus.»

Reto Nause, Sicherheitsdirektor und Vater

Sie hatten nach der Geburt Ihres Sohnes angekündigt, Ihre Arbeitszeiten anzupassen, d.h. abends länger im Büro zu bleiben und morgens später zu kommen. Hat sich das bewährt?

Dieses Konzept haben wir wieder beerdigt. Die Vormittage konnte ich nicht freihalten. Nun mache ich es anders und versuche jeweils freitagnachmittags Zeit mit meinem Sohn zu verbringen. Das klappt ganz gut.

Es ist ja oft so, dass die Organisation funktioniert, solange niemand krank ist. Können Sie eine Gemeinderatssitzung absagen, weil Sie Ihren kranken Sohn hüten müssen?

Wenn das nicht anders geht, dann müsste ich das. Ich kann mein Kind nicht allein zuhause lassen. Meine Frau arbeitet im Bundesamt für Gesundheit und kann in ihrer Position auch nicht beliebig alles stehen und liegen lassen. Wir haben das Glück, dass unser Sohn nach einem Winter, wo er jeden Käfer mit nach Hause gebracht hat, nun nur noch selten krank ist. Wir hatten jetzt eineinhalb Jahre Ruhe. Aber im Krankheitsfall bricht bei uns schon der Betreuungsnotstand aus, denn die Grosseltern wohnen über 100 Kilometer weit weg und sind nicht auf Knopfdruck abrufbar.

Wie oft verzichten Sie auf einen Termin zugunsten Ihres Sohnes?

Wir hatten Wahlkampf, da ging es praktisch nie. Das letzte halbe Jahr war aber nicht sehr repräsentativ. Es ist schon so, dass die Leute verstehen, dass ich für die Familie da sein will. Aber es gibt viele Institutionen, die haben einmal im Jahr ihre Generalversammlung. Und wenn ich dann nicht da bin, verstehen es die meisten nicht, auch wenn das vielleicht mein einziger freier Abend gewesen wäre. Das ist sehr schwierig, und es braucht auch viel Toleranz von meiner Frau. Es ist immer ein Sich-nach-der-Decke-Strecken.

«Wenn wir keinen Kitaplatz gefunden hätten, hätte wohl meine Frau verzichten müssen, denn ich bin ja im Amt.»

Reto Nause, Sicherheitsdirektor und Vater

Wie könnte man das Exekutivamt familienfreundlicher gestalten – ist das überhaupt möglich?

In einer fünfköpfigen Exekutive wie bei uns in Bern eigentlich kaum. Aber es gibt sieben- oder neunköpfige Regierungen, dort verteilen sich die sozialen Verpflichtungen auf mehr Schultern. Natürlich kann man nun sagen, dass es nicht zwingend Arbeitszeit ist, wenn man Grussworte an einer Versammlung spricht, aber es ist Präsenzzeit.

Wie erleben Sie das Betreuungsangebot in Bern nun als Vater?

Ich bin Fan des Kita-Angebotes. Meine Frau musste im vergangenen Sommer ins Spital – das war der Super-GAU. Unsere Kita hat uns da aber sehr entlastet und unser Sohn konnte glücklicherweise einen zusätzlichen Tag betreut werden. Ich musste ihn jeweils früher wecken als gewöhnlich, in die Kita bringen, ins Büro hetzen, ihn nach der Arbeit abholen und für den Abend einen Babysitter organisieren, damit ich Termine wahrnehmen konnte. Das war schon streng.

 

Reicht das aktuelle Betreuungsangebot in der Stadt Bern aus Ihrer Sicht?

Ich kann nur die Kindertagesstätten beurteilen und die finde ich sehr gut: Es ist eine Ganztagesbetreuung, sie haben ein pädagogisches Konzept, die Kinder essen gesund und lernen soziale Kompetenzen. Wenn wir keinen Kitaplatz gefunden hätten, dann weiss ich nicht, was wir gemacht hätten. Dann hätte wohl meine Frau verzichten müssen, denn ich bin ja im Amt. Aber das fände ich nicht gut. Mir ist es wichtig, dass beide arbeiten, denn sonst sind die Lebenswelten zu unterschiedlich.

«Mir ist es wichtig, dass beide arbeiten, denn sonst sind die Lebenswelten zu unterschiedlich.»

Reto Nause, Sicherheitsdirektor und Vater

Die CVP verkauft sich als Familienpartei – wie passt Ihr persönliches Modell dazu?

Mein Familienbild ist sicher nicht, dass beide zu 100 Prozent arbeiten. Genauso wenig will ich, dass automatisch die Frau daheim bleibt. Es könnte auch der Mann sein. Ich finde unsere Organisation von 100 und 60 Prozent gut. Auch für unseren Sohn finde ich es gut. Er lernt in der Kita zum Beispiel Zeichnen oder Singen, was ich ihm nicht beibringen könnte. Es ist wichtig, dass beide Elternteile arbeiten und sich an der Erziehung beteiligen. 

Wie stehen Sie zur aktuellen Diskussion um die Betreuungsgutscheine?

Das Volk hat sich für die Gutscheine entschieden. Was jetzt abgeht, ist Zwängerei. Wirklich schwierig wird es, wenn das Referendum angenommen wird. Dann haben wir zwei entgegengesetzte Volksentscheide. Das wäre eine politisch heikle und für die betroffenen Eltern eine persönlich schwierige Situation.