Stolz, sichtbar, selbstbewusst. Oder auch ganz gemäss dem diesjährigen Motto: Bunt. Laut. Bern. Dieses Wochenende findet in der Bundesstadt zum vierten Mal die Pride statt. Dabei haben sich die Veranstaltenden ganz schön ins Zeug gelegt, um ein vielseitiges Programm auf die Beine zu stellen.
Von einem Workshop zum Thema Transidentität und Nonbinarität bis hin zu einer gemeinsamen Schmink- und Plakataktion finden sich verschiedene Aktivitäten zur bunten Geschlechtervielfalt. Dabei sind Bern nicht die ersten, die im Pride-Sommer mit den Füssen stampfen. Den Auftakt machte Chur mit der Pride am 1. Juni, das Finale spendiert das lila.queer Festival am 12. September in Zürich.
Was heute als Fest der Vielfalt gefeiert wird, war einst als Protest gegen Diskriminierung gedacht. Der Pride-Month selbst hat seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten. 1969 fand in New York eine polizeiliche Razzia im Stonewall Inn statt, obwohl Lokale, die sich an ein queeres Publikum richten, zu diesem Zeitpunkt bereits legal waren. Die Community zeigte sich jedoch widerständig und die Emanzipationsbewegung nahm ihren Lauf. Ein Jahr später wurde der erste Pride-Marsch abgehalten – in Erinnerung an die Stonewall Inn Riots. Der Rest ist Geschichte.
Akzeptanz hat zugenommen
Auch für die Veranstaltenden in Bern, die sich als Verein BernPride im Jahr 2023 zusammengeschlossen haben, ist seit der ersten Durchführung einiges passiert. «Der gesellschaftliche und der politische Rahmen haben sich verändert», erklärt Daniela Epp, Co-Leiterin Marketing & Kommunikation des Vereins BernPride, «die erste Pride in Bern fand im Jahr 2000 statt – es gab noch keine ‚Ehe für Alle‘ oder einen Diskriminierungsschutz, wie wir ihn heute haben.»
Was sich allerdings seither nicht verändert habe, sei die Energie der Community. Und die schwappe womöglich auch schon auf die Menschen ausserhalb der Gemeinschaft über. «Wir haben das Gefühl, dass in den letzten Jahren die Akzeptanz gegenüber der queeren Community zugenommen hat. Nun fehlen noch die Politik und die Gesetzgebung, die nachzieht und noch weitere Rahmenbedingungen für die Anliegen schafft und den Weg ebnet.»

Die Pride ist entsprechend nicht nur Anlass zum Feiern. Am Samstag, 3. August, findet der Demonstrationsumzug durch die Berner Innenstadt statt, mit politischen Reden von Pink Cross und dem Verein Transgender Network Switzerland. Politische Forderungen wurden eigens für die Demonstration ausgearbeitet. Dazu gehören unter anderem die Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm auf trans und intergeschlechtliche Personen, der dritte Geschlechtseintrag auf nationaler Ebene und Verbote von Konversionstherapien.
Gerade an ‚Saferspaces‘ in der Öffentlichkeit für die queere Community fehlt es noch.
Wichtig ist den Veranstaltenden dabei auch, dass sie die Forderungen nicht nur an der Pride selbst, sondern auch nach dem 3. August noch weiterverfolgen. Gerade an «Saferspaces» in der Öffentlichkeit für die queere Community fehle es noch. Aber dennoch: Die Verbundenheit sei gross. «Die Pride-Flaggen, die am 3. August wieder in der Altstadt wehen, stehen symbolisch für ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, innerhalb wie ausserhalb unserer Community», führt Daniela Epp weiter aus.
Vielfältige Vorstellungen des Göttlichen
Nach der Demonstration und einer Feier am Samstagabend geht es weiter mit spirituellen Diensten. Am Sonntag können interessierte Personen in der Kirche St. Peter und Paul in der Rathausgasse an einem queeren Gottesdienst teilnehmen. Organisiert wird der Gottesdienst von Mathias Tanner von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, der mit seinem Team schon zwei queere ökumenische Gottesdienste durchgeführt hat.
Seine Erfahrungen sind dabei mit jeweils über hundert Besucher*innen durchaus positiv. «An den queeren Gottesdiensten vermitteln wir, dass in der Kirche alle Menschen willkommen sind – unabhängig ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität», erklärt Tanner auf Anfrage, «das berührt gewisse sehr, weil sie leider mit einigen religiösen Menschen und Institutionen zeitweise auch schon negative Erfahrungen gemacht haben.»
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Queere und offene Gottesdienste sind allerdings nicht nur in Bern und im Rahmen der Pride zu finden. Solche Veranstaltungen finden mittlerweile in der ganzen Schweiz statt, mit einer lebhaften Anhänger*innenschaft. Dabei werden in der Gesellschaft religiöse Glaubensbekenntnisse nicht besonders oft mit alternativen Lebensformen in Verbindung gebracht. Queerness und Toleranz passt nicht unbedingt zusammen mit einem zornigen Gott, der die in Sünde lebenden straft.
An den queeren Gottesdiensten vermitteln wir, dass in der Kirche alle Menschen willkommen sind – unabhängig ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität
Auch Mathias Tanner ist sich der Thematik bewusst und findet dazu klare Worte: «Einige denken beim Wort ‚Gott‘ an einen alten, bärtigen Mann, der auf einer Wolke sitzt und über die Menschen richtet. Dieses Gottes-Bild ist für viele Menschen nicht lebensdienlich. An den queeren Gottesdiensten vermitteln wir, dass die Bibel noch viele weitere Vorstellungen von Gott enthält.»
Damit schlagen sie auch wieder den Bogen zum diesjährigen Motto der Pride: Bunt. Laut. Bern. Wie wertvoll Vielfalt und Toleranz sind, zeigt sich aber nicht nur an der Pride, sondern gesamtübergreifend in unserer Gesellschaft. Das weiss auch Mathias Tanner: «Die Frage eines guten Umgangs mit der Vielfalt an Identitäten, Weltanschauungen und Lebensweisen ist heute zentral für ein friedliches Zusammenleben.»
Korrigendum: In einer früheren Version war von einer «Bar in Stonewall» die Rede. Allerdings heisst die Bar selbst Stonewall Inn und befindet sich in der Christopher Street in Greenwich Village.