Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit vier bis sechs Prozent aller Asylgesuche aufgrund der sexuellen Orientierung und / oder der Geschlechtsidentität gestellt werden. Das Schweizer Asylsystem ist jedoch kaum für Menschen ausgelegt, die der LGBTIQ-Community angehören. Denn Queersein alleine gilt in der Schweiz nicht als Asylgrund, auch wenn die Gesetze und der gesellschaftliche Diskurs im Herkunftsland der asylsuchenden Person homo- oder transphob sind. Asylsuchende müssen nämlich in ihrem Verfahren beweisen können, dass sie persönlich in ihrer Heimat angegangen wurden.
«Diese Vorgaben kreieren teilweise absurde Situationen», erklärt Jakob Keel von Queeramnesty. Denn wer in einem LGBTIQ-feindlichen Land aufwachse, werde sich vor Ort kaum freiwillig outen. «Stellt diese Person dann ein Asylgesuch in der Schweiz, so wird dies höchstwahrscheinlich abgelehnt, mit der Begründung, dass der Person in ihrer Heimat ja nichts passiert sei», so Keel. «Das würde heissen, dass man in einem Land, in dem man als schwule, lesbische oder trans Person wirklich verfolgt wird, sich erst outen müsste um dann verfolgt zu werden um dann in der Schweiz auch wirklich einen Asylgrund vorweisen zu können».
Ausserdem erlebten viele queere Geflüchtete in den Schweizer Asylzentren Diskriminierung. Denn sie müssten in vielen Fällen mit Menschen auf engstem Raum zusammenleben, die homo- und transphobes Denken auch in der Schweiz weiter propagierten. Queeramnesty versucht in solchen Situationen Hand zu bieten: Unter anderem verfasste die Themengruppe von Amnesty International einen Praxisleitfaden für Asyl- und Migrationsfachpersonen im Umgang mit queeren Geflüchteten. Zudem versuche Queeramnesty vermittelnd und integrierend zu wirken. «Wir möchten die Asylsuchenden, die mit uns in Kontakt treten einerseits untereinander vernetzen, andererseits aber auch mit zuständigen Behörden, Sozialarbeitenden etc.», so Jakob Keel im Interview mit RaBe.