Dort, wo im Moment noch Pferde traben, Springkonkurrenzen stattfinden und (hin und wieder) Störche herumstaksen, ist es mit der städtischen Idylle wohl mittelfristig vorbei. Die Burgergemeinde als Besitzerin des Areals zwischen Papiermühle- und Bolligenstrasse und die Stadt planen an der Zukunft dieses Terrains, das seit über 120 Jahren vom Nationalen Pferdezentrum (NPZ) genutzt wird.
Nach einer so genannten Testplanung 2022 ist nun eine weitere Machbarkeitsstudie in Arbeit, aber die Planung geschieht mehrheitlich hinter den Kulissen, Informationen dringen nur tröpfchenweise an die Öffentlichkeit, was die Bevölkerung und die Quartiervereine im Norden und Osten der Stadt verunsichert und irritiert. Sie möchten wissen, was angedacht ist und sich frühzeitig einbringen.
Andreas Hofmann und Sabine Schärrer, beide jahrzehntelang aktiv in den jeweiligen Quartierkommissionen und SP-Sektionen machen sich Sorgen. Sie fordern eine möglichst frühzeitige Partizipation der Quartiere in die Planung, «wenn noch Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum besteht». Für sie ist die Burgergemeinde «nicht irgendeine Landeigentümerin oder Investorin. Durch ihr jahrzehntelanges Wirken als Partnerin der Stadt hat sie bisher die Latte hochgelegt».
Schärrer und Hofmann finden es deshalb «unverständlich, wenn nun ausgerechnet in diesem kritischen Perimeter der Dialog auf Augenhöhe mit den Betroffenen verweigert würde». Den bisher erfolgte Einbezug erachten sie «bestenfalls als Information».
Häppchenweise Information
Informationen über geplante Projekte werden der interessierten Öffentlichkeit zwar serviert, allerdings bloss häppchenweise. Und oft etwas schwer verdaubar. Als letztes wurde bekannt, dass auf dem Terrain an der Mingerstrasse eine temporäre Turnhalle für das neue Oberstufenschulhaus an der Nussbaumstrasse aufgestellt werden soll.
Im März war bekannt geworden, dass die Lindenhofgruppe Interesse für einen Spitalneubauprojekt angemeldet hat. Zudem ist seit längerem bekannt, dass die Stadt ein Auge geworfen hat auf das erschlossene Land in der Bauzone, weil hier an bester Lage Wohnungen gebaut werden könnten. Und auch Schulraum fehlt in der Region. Allerdings: für all diese Begehrlichkeiten reicht der Platz wohl kaum. Ausser: der «Rösselerbetrieb» am Stadtrand muss definitiv weichen.
Salome Wägeli, Leiterin des NPZ, ist sich bewusst, dass das grosse Areal ausschliesslich für den Pferdesport und seine Liebhaber ein Luxus ist für eine Stadt, in der Wohnungsnot herrscht. Aber sie vertritt auch die Interessen der Pferdesportler. Sie ist deshalb froh, dass sie in die Machbarkeitsstudie einbezogen wurde. Ein Nebeneinander von verschiedenen Nutzungen sei wohl schon denkbar, räumt sie ein, aber nicht unbegrenzt und nicht mit allen Nutzern. Sie lässt durchblicken, dass für ihren Betrieb wohl am ehesten eine Ko-Existenz mit einem Spital in Frage käme.
Informationen über geplante Projekte werden der interessierten Öffentlichkeit zwar serviert, allerdings bloss häppchenweise. Und oft etwas schwer verdaubar.
Da ist man im Stadtteil Nord allerdings anderer Meinung. Der Dialog Nord-Quartier, die Quartierkommission, hat in einer Stellungnahme an das beauftragte Büro für die Machbarkeitsstudie geschrieben: Der Verträglichkeit eines Spitalneubaus mit den bisherigen Nutzern müsse ein besonderes Augenmerk gelten. Ein Spitalneubau stehe im Widerspruch zum Nutzungskonzept gemäss Stadtentwicklungskonzept STEK.
Betroffen von der Planung im Springgarten ist auch der Stadtteil 4 und damit der Schulkreis 1 (Kirchenfeld, Manuel, Laubegg). Dort fehlen Schul- und Turnräume. Ein Missstand, den man mit dem neuen Oberstufenzentrums im ehemaligen Verwaltungsgebäude an der Nussbaumstrasse und mit der angekündigten Ballonturnhalle auf dem Springgartenareal etwas entschärfen kann, aber beide Bauten gelten offiziell als «temporäre Lösungen»: die Schule ist für 20, die Turnhalle für einige Jahre geplant.
Was sagen die Burger?
Wie stellt sich die Burgergemeinde zu all diesen Begehrlichkeiten und Befürchtungen. Burgerratsschreiberin Henriette vonWattenwyl sagt zum Spitalprojekt bloss, dass diese Projektidee Teil der Machbarkeitsstudie sei, und diese werde frühestens Ende dieses Jahres veröffentlicht. «Für den Planungsprozess ist die Stadt verantwortlich. Für die Partizipation der Bevölkerung sieht das Baugesetz klar definierte Verfahren vor».
Eine erste Veranstaltung mit den betroffenen Quartiervereinen werde stattfinden. Eine Mitwirkung sei dann – im Rahmen der dafür gesetzlich vorgesehenen Bestimmungen – möglich. Für die Vertreter der Quartiere ist sie aber «zwingend». Sie verweisen auf die in Bern seit Jahrzehnten existierende institutionalisierte, formelle Partizipation durch die Quartierkommissionen.
Deren frühzeitiger und substanzieller Einbezug sei dringend zu empfehlen, sagt Sabine Schärrer. «Gerade angesichts des komplexen planerischen Umfelds und Themen wie Sicherung der öffentlichen Nutzung beider Allmenden, Schulraumbedarf, Überdeckung der Autobahn beim Pulverweg, Grünraumplanung und der sehr angespannten Mobiitätssituation im gesamten Perimeter». Schärrer fordert deshalb, dass sich die Betroffenen «zu einem möglichst frühen Zeitpunkt austauschen und einbringen können».
Ein Nebeneinander mit verschiedenen Nutzern wäre wohl in einer ersten Phase noch möglich, aber auf lange Sicht und mit weiteren Nutzern eher nicht.
Auf die Frage, ob die Burgergemeinde eine der verschiedenen Überbauungslösungen favorisiere, lässt sich die Burgergemeindeschreiberin nicht in die Karten blicken. Sie verweist aber auf die Tatsache, dass entlang der Mingerstrasse schon immer eine Dienstleistungsnutzung vorgesehen gewesen sei.
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Dass die Tage des grünen (und nur ganz begrenzt öffentlichen) Springgartens definitiv gezählt sind, das weiss auch die Leiterin des NPZ. Ein Nebeneinander mit verschiedenen Nutzern wäre wohl in einer ersten Phase noch möglich, sagt sie, aber auf lange Sicht und mit weiteren Nutzern eher nicht.
Die skeptischen Quartierkommissionen im Norden und Osten melden für eine mögliche Volksabstimmung (falls eine Zonenplanänderung nötig wäre) schon mal Widerstand aus den Quartieren an. Sabine Schärrer sagt: In einem so wichtigen Perimeter der Stadtentwicklung muss man sich schon fragen, wie eigentlich die äusserst investorenfreundliche Auslegung der im STEK formulierten planerischen Leitplanken quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit zustande kommen konnte. Die öffentliche Ausmarchung dürfte spannend werden».