Private Kitas zahlen höhere Löhne

von Jessica Allemann 10. Mai 2013

Eine Umfrage zeigt: Bei privaten Kitas verdient das Betreuungspersonal besser. Dafür bieten die städtischen Kitas mehr Ausbildungsplätze an. Wer leistet was, und wie viel ist das wert? Wie private und öffentliche Kitas künftig aufgestellt sein werden, entscheidet das Volk am 9. Juni. Der emotionale Abstimmungskampf hat begonnen, die Faktenlage bleibt unübersichtlich.

«Wie viel Kita braucht die Stadt?» – dieser Frage gingen die Redaktion, die Podiumsgäste und das Publikum vor einer Woche nach. Und wie das bei Diskussionen so ist: Am Ende stehen neue Fragen, welche die Debatte weiterbringen sollen. Aus dem Publikum gelangten denn auch mehrere Fragen zum Thema familienexterne Kinderbetreuung an die Redaktion, wie etwa: «Gibt es qualitative Unterschiede zwischen privaten und staatlichen Kitas?».

Unterschiedliche betriebliche Voraussetzungen?

Ja, sagen die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksvorschlags «Betreuungsgutscheine ja, aber fair», wenn man die Anstellungsbedingungen der Kindererzieherinnen und -erzieher als Massstab für die Qualität der Kinderbetreuung gelten lässt. «Die städtischen Kitas müssen sich an das Personalreglement des Verwaltungspersonals halten, deshalb sind die Löhne hier höher als jene in privaten Kitas», erklärt Lea Kusano, SP-Stadträtin. Eine Umfrage unter privaten Kitas (1), bei welcher vier Betriebe ihre Zahlen offengelegt haben, zeigt ein anderes Bild:

Auszubildende wie erfahrene Betreuungspersonen verdienen bei den befragten Privaten besser als bei den öffentlichen Kitas. So erhält eine ausgebildete Fachperson Betreuung Kind (FaBeK) bei der Stadt einen Einstiegslohn von 4390 Franken im Monat, die Berufseinsteiger erhalten bei den Umfrageteilnehmenden einen durchschnittlichen Lohn von 4555 Franken. Die Lehrlinge der privaten Kitas verdienen während ihrer 3-jährigen Ausbildung zur Fachperson Betreuung Kind im Schnitt ebenfalls mehr als bei den städtischen. Allerdings bieten die Privaten weniger Ausbildungsplätze an als die Öffentlichen.

Praktikantinnen als billige Arbeitskräfte?

«Die öffentlichen Kitas leisten einen überproportionalen Anteil an der Ausbildung des Fachpersonals», schreibt das Komitee «Betreuungsgutscheine ja, aber fair» in der Medienmitteilung zur lancierten Abstimmungskampagne. Während die städtischen Kitas Auszubildende anstellen, setzen die privaten Kitas auf Praktikantinnen und Praktikanten. Hat ein städtischer Betrieb im Schnitt knapp zwei Praktikantinnen oder Praktikanten angestellt, so arbeiten bei den befragten privaten Kitas fast fünf. Umgekehrt sieht es bei den Lehrstellen aus: 6,5 Lehrstellen bei den öffentlichen Kitas stehen knapp zwei Lehrstellen bei den privaten Kitas gegenüber. Für Lea Kusano ein unhaltbarer Zustand: «Private Kitas stellen Praktikantinnen als billige Arbeitskräfte ein.»

Sowohl bei den öffentlichen als auch bei den befragten privaten Kitas kommt auf fünf Kinder eine ausgebildete Betreuungsperson. Werden Praktikantinnen und Praktikanten sowie die Auszubildenden zusammengenommen, fällt das Betreuungsverhältnis zugunsten der öffentlichen Kitas aus: Während sich die Kinder in den städtischen Betrieben drei nicht ausgebildete Betreuungspersonen teilen, sind es bei den privaten nur zwei Praktikanten oder Auszubildende. Und insgesamt kümmern sich bei den öffentlichen Kitas fünf Personen um zehn Kinder, bei den privaten sind es vier.

Mehr Kinder mit Migrationshintergrund?

Ein weiterer Faktor, der die städtischen von den privaten Kitas unterscheide, sei die soziale Durchmischung der Kinder. «Städtische Kitas habe einen sozialen Auftrag, denn in erster Priorität werden Kinder von Alleinerziehenden und solchen mit sozialen Problemen aufgenommen», erklärt SP-Grossrätin Béatrice Stucki, Präsidentin Gewerkschaftsbund der Stadt Bern, anlässlich einer Medienkonferenz. In den städtischen Kitas würden mehr Kinder mit Migrationshintergrund betreut. «Das bedeutet logischerweise mehr Aufwand, weil man ihnen ja Deutsch beibringen muss», so Kusano. Das Komitee des Volksvorschlags will diesen höheren Aufwand deshalb weiterhin mit direkten Beiträgen der Stadt zusätzlich finanziert sehen, während der Stadtrat auf direkte Finanzierung von Tagesstätten verzichten möchte. 

Fragen bleiben offen

Am Ende stehen viele offene Fragen: Wie sähe das Bild bei einer Vollerhebung unter sämtlichen privaten Kitas aus? Wie würde sich die soziale Durchmischung der Kindergruppen in den Kitas ändern, wenn die Betreuungsgutscheine es allen Familien erlaubten, ihre Kinder in der Kita ihrer Wahl betreuen zu lassen? Wann können es sich Eltern endlich leisten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Nach welchen Zahlen und Argumenten die Urnengängerinnen und Urnengänger am 9. Juni auch entscheiden: Derweil scheint die Einführung der Betreuungsgutscheine auf Anfang nächstes Jahr unbestritten.