PdA wehrt sich für ihre Gratis-öV-Initiative

von Urs Frieden 31. Januar 2022

Gratis-öV-Initiative ungültig? Nicht mit uns, sagt die PdA und erhebt Beschwerde gegen die Stadt.

Der Berner Gemeinderat erklärte am 7. Januar die städtische Volksinitiative für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr in der Stadt Bern («gratisÖV-Initiative») für ungültig. Begründet wurde dieser drastische Entscheid damit, dass die Initiative «nicht mit dem übergeordneten Recht vereinbar» sei, namentlich mit der Bundesverfassung. Gemäss BV-Artikel 81a seien die Kosten des öffentlichen Verkehrs zu einem angemessenen Teil durch die von den Nutzerinnen und Nutzern bezahlten Preise zu decken.

Heute Montag reicht das Initiativkomitee aus dem Umfeld der Partei der Arbeit (PdA) beim Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland eine Beschwerde gegen die Stadt Bern ein – mit dem Begehren, die Verfügung vom 7. Januar aufzuheben.

Bundesverfassung schlechtes Argument

Die Beschwerde macht die Verletzung kantonalen Rechts und Bundesrechts geltend. Der Artikel 81a der Bundesverfassung stehe weder der einen (heute geltenden) noch der andern (von der Initiative vorgeschlagenen) noch einer irgendwo dazwischen liegenden Lösung entgegen. Und gemäss Artikel 21 des Anstaltsreglements SVB (heute Bernmobil) sei der Verwaltungsrat der SVB für die Gestaltung der Fahrpreise und Tarife zuständig, soweit «diese nicht Kraft übergeordneten Rechts durch andere Instanzen festgelegt werden». Innerhalb dieser Grenzen könne aber der Verwaltungsrat diejenigen politischen und strategischen Entscheidungen treffen, die er für richtig halte. Dies schliesse das gesamte Spektrum einer Politik der Abwälzung sämtlicher Kosten auf die Benutzerinnen und Benutzer bis zu einer Politik des städtischen Gratis-öV durch Finanzierung der Kosten über städtische Steuern ein. BV-Artikel 81a schränke dieses Spektrum in keiner Weise ein.

Reduzierte Gesamtkosten

Die Initiative verlange, dass der Verwaltungsrat von Bernmobil überall dort, wo er in der Ausgestaltung der Fahrpreise und Tarife frei ist und wo es sich um nicht-touristischen Verkehr handelt, das Prinzip der Kostenlosigkeit anstrebt. Eine solche Bestimmung sei in jeder Hinsicht bundesrechtskonform. «Wo die Grenzen dieser Preisgestaltungsautonomie im Einzelnen liegen, wird die Praxis zeigen müssen. Klar ist, dass es einen Bereich gibt, in welchem es eine solche Preisgestaltungsautonomie gibt.»

Das Initiativkomitee, das sich auf das Vorbild Luxemburg stützen kann, macht hierzu noch folgenden wichtigen Hinweis: Beim Gratis-öV würden die Gesamtkosten massiv reduziert, weil auf «das kostspielige Inkasso von Einzelfahrkarten, auf den Betrieb von Billettautomaten und auf die aufwändigen Billettkontrollen» verzichtet werden könne. Gleichzeitig werde das bestehende unsoziale Fahrpreissystem, das grosse Familien benachteilige, durch eine stärkere Beteiligung finanzstarker Bevölkerungsschichten gerechter ausgestaltet.

«In dubio pro populo»

Fazit laut den Beschwerdeführenden: Könne der Initiative ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, sei sie nach dem Grundsatz «in dubio pro populo» als gültig zu erklären.

Dass gesammelte Initiativen ungültig erklärt werden, ist in der Schweiz und auch in Bern nicht neu. In der Regel wurde aber dabei nachvollziehbar die Einheit der Materie beanstandet. So auch bei zwei SVP-Initiativen gegen die Reitschule.