Packende Vernissage im Kunstmuseum

von Dorothe Freiburghaus 28. Januar 2014

Ein vergessener Schweizer, eine «englische» Vernissage und ein erstaunliches Werk im Kunstmuseum Bern. Dorothe Freiburghaus erinnert sich an die kürzlich eröffnete Ausstellung mit Werken von Samuel Hieronymus Grimm.

Samuel Hieronymus Grimm, A Very English Swiss. Locker, gelöst  das Klima an der Vernissage. Vergessene Namen finden vom Parterre aufs Podest – ein wohlgesinntes Lachen aus dem Publikum. Und jetzt steht der Engländer William Hauptman am Rednerpult, die Hände in den Hosentaschen. Geht das? Kein Script. Gibt es das?

Frei erzählt er in klaren Sätzen, hierhin und dorthin gewendet, was ihm beim Kuratieren einer Ausstellung wichtig ist. Erstaunt stelle ich fest: Hier versteht jedermann Englisch. Er möchte, dass wir Besucher immer wieder etwas Neues entdecken. Dass uns nach den Schweizertrachten die Bekleidung der Armen in der «Verteilung der Almosen seiner Majestät» vorgeführt wird, um gleich von den absurden englischen Modetrends in der Upperclass überrascht zu werden, deren Extravaganz der Künstler auf die Schippe nimmt, und woran wir uns ergötzen können.

Gross in England, vergessen in der Schweiz

In Erinnerung dessen, was uns erwartet, lacht der Kurator vor sich hin. Er erzählt, wie der Schweizer Künstler sich mit seiner vorzüglichen Arbeit in England einen Namen schuf und grosse Aufträge erhielt. Gutsbesitze, Ländereien und Burgruinen zeichnete und aquarellierte er, Mauerwerk, in dem wir jeden Stein erkennen.

Eine fröhliche Stimmung  verbreitet sich im Saal. Er, der Kurator und Engländer, lebt hier in der Schweiz. Samuel Hieronymus Grimm (1733 bis 1794), Schweizer, aufgewachsen in Burgdorf, lebte in England und wurde in der Schweiz ganz vergessen. Ihm, sagt Hauptmann, könnte es in England umgekehrt gleich gehen wie Hieronymus Grimm hier bei uns.

Man will sehen und erleben

Es folgt, was ich bisher nie erlebte, schon gar nicht bei alten Meistern: Als die Räume geöffnet werden, strömt das Publikum hinein. Man will sehen und erleben. Ein Geflüster, ein Gerede und Entdecken beginnt, ein Entzücken und: «Hast du das gesehen? Wie lange er an diesem Bild wohl gearbeitet hat? Sieh mal dieses Detail! So klein, wie sie ist, du kannst das Gesicht der winzigen Figur noch lesen! Diese Aquarelle, sieh, im Vordergrund hat er die Vegetation in ein üppiges Braun gesetzt, der hintere Teil ist in einem kühlen, hellen Grau!»

Auf jedem Blatt sind Reiter, Fischer, Spaziergänger festgehalten. Oft nur winzig klein – was die Szenen belebt und spannend macht. Was mögen sie gesprochen und was gelebt haben?

Langsam rückt die ganze Schar von BetrachterInnen eng nebeneinander vorwärts, den Bildern entlang. Eine Lupe sollte man haben, um die Details zu betrachten. Ein Teilhaben und eine seltene Nähe zu den Bildinhalten ist entstanden. Bereichert  tauchen wir am Ende der Ausstellung aus dem 18. wieder ins 21. Jarhundert auf.