Guy Krneta, du gibst deine Bücher seit bald zwanzig Jahren nicht immer, aber immer wieder zweisprachig heraus, das Original in berndeutsch, dazu eine hochdeutsche Übersetzung. Geht es dabei eigentlich um Ästhetisches? Oder Sprachpolitisches? Oder um den deutschen Buchmarkt?
Guy Krneta: Der deutsche Buchmarkt spielt keine Rolle. Man fragt mich oft, ob ich nicht mein Publikum von vornherein einschränke durch die Mundart. Aber wie die meisten Schweizer Autoreninnen und Autoren verkaufen sich meine Bücher zumeist in der Schweiz.
Bei der Zweisprachigkeit geht es um anderes: Ich schreibe Mundart, weil ich mich in dieser Sprache anders erinnere und die Fragen konkreter stellen kann: Wer ist es, der da spricht? Zu welcher Zeit? Ausgehend wovon? Deutsch ist für mich nach wie vor eine Fremdsprache, obschon «D Perügge» ja im Theatermilieu spielt, in dem ich lange gearbeitet und immer Hochdeutsch geredet habe.
Prägend war für mich, den Regisseur Peter Borchardt, der Deutscher war, zu beobachten, wie er 1988 in Bern Beat Sterchis «Dr Sudu» inszenierte, welche Assoziationen er hatte zu üblichen Dialekt-Redewendungen – was damit aus der Perspektive eines Deutschen mittransportiert wird und auf der Bühne gestaltet werden kann.
Der erste Impuls, Bücher in beiden Sprachen zu präsentieren, kommt demnach vom Theater?
Nein, das glaube ich nicht. Mein erster Impuls ist die Überzeugung, dass es nicht darum geht, meine Umgangssprache abzufeiern, sondern darum, mit ihr als Erinnerungssprache zu arbeiten. Deutsch dagegen bleibt für mich eine Literatursprache, eine gute Sprache, um Distanz zu schaffen, um Alltägliches von aussen anzuschauen. Aber wenn ich wissen will: Wie spricht jemand authentisch? Wie würde das jemand in einer intimen Situation sagen?, dann braucht’s für mich die Mundart.
Heisst das auch, dass es in deinem Kopf berndeutsch denkt?
Nein, auch das nicht. Ich meine sogar, dass ich eher hochdeutsch denke, wenn es um Gedanken geht. Meine Notizen, meine ersten Entwürfe schreibe ich ja alle auf deutsch. Das geit viu eifacher und ist viel naheliegender. Erst wenn ich Gedanken literarisch umsetze, wenn ich herauszufinden versuche, wie der bestimmte Ton, der Sound klingen soll, dann brauche ich die Mundart. Sie ist das Werkzeug, um eine Behauptung, eine abstrakte Konstellation zu authentisieren. Ich kann damit das, was ich sagen will, näher an mich heranholen. Wenn ich literarisch schreibe, will ich kein Intellektueller sein, der distanzhaltend auf das Thema hinunterschaut, ich will mit der Sprache in den Raum der Auseinandersetzung hineingehen.
Beim Lesen des neuen Romans ist mir aufgefallen: Während das Original sehr authentisch klingt, wirkt das Hochdeutsche im Bemühen um genaue Übersetzung eher bieder, manchmal gar hölzern.
Ich lese das Hochdeutsche unterdessen sehr gern. Uwe Dethier, der Übersetzer, und ich haben ja bereits 1995 beim Stück «Ursle / Ursel» erstmals zusammengearbeitet, seither immer wieder. Spannend ist, dass er selber das Berndeutsche nicht spricht. Das führt dazu, dass er manchmal zu wörtlich am Text bleibt. Dass der Dialekt die Zeitform des Imperfekts nicht hat, ist gegeben und hat Einfluss auf den Rhythmus des Originaltextes. Aber im Hochdeutschen kann das konsequent gesetzte Perfekt der Verben stereotyp wirken. Als Lektor hat Daniel Rothenbühler deshalb einiges in Dethiers Übersetzung zurückgenommen. Umgekehrt gab es Wendungen, die für unser Ohr zu deutsch klangen. Oder wenn ich schrieb: «D Rike seit…», soll da die Übersetzung heissen «Die Rike sagt…» oder deutscher: «Rike sagt…»? Wie helvetisch deutsch die Übersetzung klingen soll, war deshalb immer wieder ein Diskussionspunkt.
Spielt eigentlich bei der zweisprachigen Präsentation der Texte auch Literaturgeschichtliches mit, die Tatsache, dass die Mundart Jahrzehnte lang fast ausschliesslich für das weltanschaulich gefärbte Plaudern vor dem bluemete Trögli stand?
Das ist bis heute ein Thema. Heute liest man zwar Übersetzungen aus allen Sprachen, und ganz selbstverständlich sind die Originalsprachen eben Sprachen. Nur bei der eigenen Mundart muss man bis heute darauf beharren, dass sie keine Gattung, sondern eine Sprache ist. Nach wie vor wird dem Schreiben in Mundart etwas Beschränktes, gelegentlich sogar Chauvinistisches zugeschrieben. Zwar gibt es heute Jüngere, die mehrsprachig experimentieren. Es gibt aber auch bereits die Gegenbewegung, welche die Mundart zu einer neuen Konvention macht. Das finde ich schade, mir geht es um Oralität, um Vielfalt in einer nicht-standardisierten Sprache. In der Literatur gibt es kein Oben und kein Unten: Literatur ist Literatur.
Das neue Buch beinhaltet die deutsche Übersetzung, deinen berndeutschen Originaltext kann man sich als PDF aus dem Netz herunterladen. Ein spezielles Angebot: Die käufliche Ware ist nur Kopie, das Original gibt’s als Gratis-Supplement.
Für mich ist das die Frage nach Print und Online in der Literatur: Print steht für mich für deutsch, darum gehört die Übersetzung ins Buch. Dagegen scheint Online zu einer neuen geschriebenen Oralität zu führen, das passt zu dem, was ich machen möchte. Dass es heute diese Möglichkeiten gibt, finde ich gut.
Und wie machst du’s bei den Lesungen mit der Zweisprachigkeit?
Lesungen werde ich weiterhin in der Mundart machen – ausser der Veranstalter wünscht die deutsche Fassung. Oder zweisprachig: Bei anderen Büchern haben Uwe und ich in Deutschland öfter Passagen parallel gelesen, er die Übersetzung und ich das Original.