An der Jahresmedienkonferenz von Kunstmuseum Bern (KMB) und Zentrum Paul Klee (ZPK) wurden am Donnerstag die Programme 2019 der beiden Museen vorgestellt, die seit 2015 unter dem Dach einer gemeinsamen Stiftung stehen. Zudem berichtete der Interimspräsident der Dachstiftung über das Projekt «Zukunft KMB». Über die diversen Ausstellungen wird zu gegebener Zeit informiert werden. Heute konzentrieren wir uns auf das Zukunfts-Projekt.
«Ein einzigartiges ganzheitliches Kunst- und Kulturerlebnis» bieten soll Bern dank enger Kooperation von KMB und ZPK: Das Haus an der Hodlerstrasse und jenes im Schöngrün sollen «komplementäre Ausgangspunkte der Begegnung, der Anregung, des Diskurses und der Erkenntnis» sein. Besucherinnen und Besucher sollen «Kunst neu erleben» können. So steht es in der Strategie der Dachstiftung. Dies ist der Anspruch an die bauliche Erweiterung des KMB.
Was bisher geschah
Seit 20 Jahren sucht das KMB seine neue Position in Bern und in der Schweiz. Die Gegenwartskunst im Zusammenspiel mit der bewährten Sammlung wurde als Trumpf erkoren. Ein Versuch mit dem PROGR scheiterte 2004, der Wettbewerb auf eigenem Grund ergab mit «an_gebaut» ein nicht bewilligbares Siegerprojekt, das darauf favorisierte Vorhaben «Scala» erwies sich als zu teuer und die anschliessend noch engere Konzentration auf das Haus führte mit beträchtlichen Kosten nirgends hin. Zuletzt wurde im Halbjahrestakt über unterschiedliche Ansätze informiert (Juni 2017: Gesamterneuerung des Atelier 5-Trakts für 40 Millionen, Oktober 2017 Beschränkung auf neue Klimaanlage für 7 Millionen, Mai 2018 Mitteilung über eine nicht vorgestellte Machbarkeitsstudie und «neuen Schwung» dank guter Zusammenarbeit mit Herrn Hansjörg Wyss, der 20 Millionen für eine nicht näher umrissene Erweiterung in Aussicht gestellt, jedoch nicht verbindlich zugesagt hatte).
«Zukunft KMB»
Man mochte es nicht mehr hören. Nie war es reif. Aber immer war es pressant. Seit der Medienmitteilung im Mai ist wieder ein halbes Jahr verstrichen, in dem Interessierte vertröstet wurden. Gestern nun der neue Slogan: «Zukunft KMB». Was Präsident Gimmel vorstellte, beruhte auf unlängst gefassten Beschlüssen des gesamten Stiftungsrats. Es geht um drei Punkte:
– die Verlängerung der Gegenwart
– die Vorbereitung der Zukunft
– die Teilhabe aller Interessierten.
Verlängerung der Gegenwart
Bis zum Zeitpunkt, da dereinst die bauliche Erweiterung abgeschlossen sein wird, sollen die Gebäude des KMB für die weitere Nutzung in Stand gehalten werden. Geplant sind zwei Massnahmen, die umgehend angepackt werden:
– Die Anpassung an neue Anforderungen für Erdbebenfestigkeit. Kostenpunkt rund 1 Million Franken. Die Finanzierung wird durch den Kanton in Aussicht gestellt.
– Die Reparatur des Klima- und Kälteanlage im Atelier 5-Trakt. Kostenpunkt rund 430’000 Franken. Finanzieren wird dies das KMB aus dem jährlichen Unterhaltskredit.
Verantwortlich dafür ist im Auftragsverhältnis Toni Gallmann, der vor kurzem als Direktor Facility Management KMB-ZPK zurückgetreten ist.
Zwischenbemerkung: Was noch im Oktober 2017 nicht unter 7 Millionen zu haben schien, kann jetzt anscheinend auf 7% reduziert werden, wenn auch lediglich für begrenzte Zeit. Gesunder Menschenverstand oder ein Geniestreich?
Vorbereitung der Zukunft
Grundlage der Zukunftsvision ist die Machbarkeitsstudie des Solothurner Architekturbüros Flury und Rudolf. Die war im Mai noch unter Verschluss, jetzt darf man sie sehen. Sie zeigt drei mögliche Ansätze unter Einbezug des A5-Baus oder bei einem Neubau an dessen Stelle. Die Nutzfläche variiert von 6’600 bis 8’900 Quadratmeter. Die Nutzfläche im A5-Bau beträgt heute 5’350 Quadratmeter. Die geschätzten Kosten bewegen sich je nach Ansatz zwischen 55 und 82 Millionen.
Am wichtigsten in dieser Auslegeordnung ist, dass das Gebäude Hodlerstrasse 6 einbezogen werden kann. Im Haus aus den 1950er Jahren ist heute ein Teil von Police Bern untergebracht. Police Bern hat in Niederwangen einen neuen Standort in Aussicht, wird aber dennoch teilweise die Gebäude an Waisenhausplatz und Hodlerstrasse weiternutzen. Wo und wie weit und mit welcher Funktion das KMB sich darin integrieren kann, ist nun herauszufinden. Gesucht wird eine »symbiotische Lösung».
Für das KMB resultieren kann aus alledem ein «Dreiklang»:
– Der Stettlerbau bleibt. Er wird in seiner Eigenständigkeit aufgewertet.
– Der A5-Trakt wird – falls eine architektonisch gleichwertige Alternative vorliegt – abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.
– Das Gebäude Hodlerstrasse 6 wird teilweise dem Museum zugeschlagen.
Wichtig: Alle drei Gebäude stehen unter Schutz. Um den «Dreiklang» realisieren zu können, ist gute Architektur gefragt.
Hinzu kommt die Vision einer «Kunstachse» entlang der Hodlerstrasse vom Waisenhausplatz bis zum Brückenkopf der Lorrainebrücke. Die Ausstellungsräume des KMB sollen mit dem PROGR verknüpft werden. An der Kante des Aaretalhangs ist ein Fussweg in Diskussion. Weitere Ideen stehen im Raum, so ein Pfad durch das Wäldchen unterhalb des KMB bis ans Aareufer. Das ist städtebaulich und landschaftsarchitektonisch eine grosse Chance.
Das alles ist zu diskutieren. Ebenso, welches Potenzial im ZPK liegt für die Erweiterung des KMB. Der für Gegenwartskunst konzipierte und bestens geeignete Südhügel wird heute für die Administration genutzt, die auch anderswo Platz findet. Diese an sich naheliegende und immer wieder von aussen ins Spiel gebrachte Option wurde nicht erwähnt. In einer offenen Debatte muss sie thematisiert werden können.
Teilhabe aller Interessierten
Der Stiftungsrat hat die nötige Diskussion rundum ausgelöst. Police Bern, Kanton, Stadt, Burgergemeinde Bern, Eidgenossenschaft, Heimatschutz, Architektur- und Planungs-Verbände, die dem KMB assoziierten Stiftungen, das Gewerbe, die Mitarbeitenden vom KMB und ZPK sowie Interessengruppen aus dem politischen Umfeld sollen einbezogen werden. Auch Einzelpersonen werden eingeladen, mitzureden. Und die Medien.
Die Zauberwörter heissen Öffnung und Augenhöhe. So soll der Dialog stattfinden: in gegenseitiger Offenheit und von gleich zu gleich. Ob dies funktionieren wird oder nicht – schon nur, dass der Stiftungsrat es ernsthaft versucht, verdient Anerkennung. Es liegt nun an allen, sich einzubringen. Nicht die Faust im Sack ist gefragt, sondern die Idee im Kopf. Für Kritik ist der richtige Ort fürderhin im Dialog. Wer teil hat, braucht nicht zu protestieren, zumindest vorläufig nicht.
Und was läuft jetzt konkret?
Der Stiftungsrat führt mit allen Beteiligten und Interessierten Gespräche. Dabei ergeben sich vielleicht neue Ansätze, werden die bestehenden Optionen geschärft, kristallisiert sich die anzustrebende Lösung heraus. Mit Blick auf diese Lösung wird ein Architekturwettbewerb vorbereitet. Er soll im Sommer 2019 lanciert werden und ein Jahr später juriert sein.
Anschliessend gilt es, die Finanzierung durch den Kanton und weitere Geldgeber sicherzustellen. Die Gesamtkosten belaufen sich auf kaum weniger als 85 Millionen. Der Kantonsanteil dürfte bei 40-45 Millionen Franken liegen, die der Grosse Rat bewilligen muss. Hoffen darf man nach wie vor auf eine Schenkung von Hansjörg Wyss, der die Pläne mit regem Interesse verfolgen soll, zumindest in der bisher genannten Höhe von 20 Millionen. Die restliche Summe von – je nach Lösung – rund 20 Millionen muss durch weitere Geldgeber gedeckt werden. Dieser Prozess dauert etwa ein Jahr.
Dann folgt das Bewilligungsverfahren mit allfälligen Einsprachen. Im Sommer/Herbst 2022 könnten die Bauarbeiten beginnen. Bei einer Bauzeit von 3 Jahren wäre Ende 2025 die Erweiterung KMB abgeschlossen. Dies ist eine optimistische Annahme. Wie bei jedem grösseren Bauvorhaben können sich Überraschungen einstellen: planerisch, kostenmässig, politisch und – hier ganz besonders – durch die anspruchsvolle Zusammenarbeit mit Police Bern beim Gebäude Hodlerstrasse 6.
Bauen für den Wandel
Es gelte ein Museum zu bauen in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels, sagt Stiftungspräsident Jonathan Gimmel. Dabei weiss niemand, welche Ansprüche wir in Zukunft an ein Museum stellen, was wir uns von der Kunst erwarten oder erhoffen werden oder in welche wirtschaftliche und politische Situation die Neueröffnung fallen wird. Eine möglichst breite Nutzbarkeit der Gebäude ist also gefragt, ebenso aber auch optimale Räume für Kunst. Eine Herausforderung.