Was rund um das Bundeshaus geschieht, ist für die dort ansässigen eidgenössischen Behörden von grosser Wichtigkeit. Das zeigte sich vor einigen Wochen: Das Parlament beauftragte den Bundesrat damit, sich für eine Nutzung des öffentlichen Raums um das Bundeshaus einzusetzen, «die den spezifischen Bedürfnissen des Parlaments […] Rechnung trägt». Das Ziel soll sein, dass die künftige Nutzung mit Stadt und Kanton «einvernehmlich geregelt werden kann». Unliebsamen Aktivitäten rund ums Bundeshaus soll damit ein Riegel geschoben werden (Journal B berichtete ).
Wo soll das Tram in Zukunft fahren?
Das Parlament ist aber nicht die einzige Bundesbehörde, die sich in letzter Zeit mit dem öffentlichen Raum rund um das Bundeshaus befasst hat. Im Sommer 2023 hat die Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) dazu eingeladen, an der Mitwirkung zur Zweiten Tramachse durch die Berner Innenstadt teilzunehmen. Mit dieser zusätzlichen Tramachse soll die Strecke durch Spital- und Marktgasse entlastet werden, die mit Ausnahme der kurzen Linie 3 von allen Tramlinien befahren wird und an ihrer Belastungsgrenze angelangt ist. Grundlage der Mitwirkung ist eine Zweckmässigkeitsbeurteilung, die von der Regionalkonferenz durchgeführt wurde, um mögliche Linienführungen zu beurteilen. Daraus gingen drei Varianten hervor, die weiter geprüft werden sollen (siehe Abbildung). Bei der Variante 3 würde die zweite Tramachse auf der sogenannten «Bundesmeile» geführt: Durch Bundes- und Kochergasse, direkt zwischen Bundeshaus und Bundesplatz hindurch.
Aus dem Text geht hervor, dass das Bundesamt für Bauten und Logistik die Regionalkonferenz dazu aufgefordert hat, die Variante durch die «Bundesmeile» nicht mehr weiterzuverfolgen.
Die Interessen der ansässigen Bundesbehörden vertritt in dieser Sache das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL). Dieses hat an der Mitwirkung der Regionalkonferenz teilgenommen; jedoch nicht über das Online-Mitwirkungstool, wie es in solchen Fällen eigentlich üblich wäre. Stattdessen schickte es der Regionalkonferenz ein E-Mail, dessen Inhalt die Öffentlichkeit bis heute nicht kennt.
Der Mitwirkungsbericht
Dass sich der Bund zu der Angelegenheit geäussert hat, ist dem Mitwirkungsbericht der Regionalkonferenz zu entnehmen. Dieser wurde letzten Frühling veröffentlicht und gibt die Haltungen der Mitwirkungsteilnehmenden zur zweiten Tramachse und zur Zweckmässigkeitsbeurteilung wieder. Bei den Mitwirkungsteilnehmenden handelt es sich um Transportunternehmen, Verbände, Parteien, Vereine, Privatpersonen und staatliche Stellen. Die allermeisten Teilnehmenden haben wie vorgesehen via Online-Umfrage an der Mitwirkung teilgenommen. Darin wurden sie etwa zu ihrer grundsätzlichen Haltung zu einer zweiten Tramachse befragt, wie sie den Variantenfächer beurteilen und welche der drei verbliebenen Varianten sie favorisieren. Aus dem Fazit des Mitwirkungsberichts wurde das weitere Vorgehen abgeleitet.
Die Mitwirkungseingaben, die über das Onlinetool eingegangen sind, können im Anhang des Berichtes eingesehen werden. Es ist also einfach ersichtlich, welche Haltung der entsprechende Akteur in einer bestimmten Frage vertritt und häufig auch mit welcher Begründung. Anders verhält es sich bei der Eingabe des BBL. Da diese als E-Mail eingegangen ist, findet sich seine Rückmeldung nicht im Anhang. Stattdessen wird die Haltung des Bundes in einem eigenen Unterkapitel zusammengefasst.
Die RKBM wird aufgefordert, die vorgesehenen vertieften Abklärungen für diese Variante endgültig zu stoppen.
Wer dieses Unterkapitel liest, wird stutzig. Aus dem sechs Zeilen fassenden Text geht hervor, dass das BBL die Regionalkonferenz offenbar mit deutlichen Worten dazu aufgefordert hat, die Variante 3 durch die «Bundesmeile» nicht mehr weiterzuverfolgen – ungeachtet des Potentials, das ihr in der Zweckmässigkeitsbeurteilung beigemessen wurde. «Die Option einer Tramachse vor dem Bundeshaus sei ein für alle Mal zu verwerfen», wird die Eingabe paraphrasiert. Und weiter: «Die RKBM wird aufgefordert, die vorgesehenen vertieften Abklärungen für diese Variante endgültig zu stoppen und somit keine weiteren Ressourcen in eine zum vornherein nicht bewilligungsfähige Variante einzusetzen.»
Odyssee für ein E-Mail
Journal B wollte die Gründe für diese klare Ablehnung und das forsche Auftreten in Erfahrung bringen. Deshalb baten wir bei der zuständigen Stelle der Regionalkonferenz um Zustellung des betreffenden E-Mails. Diese verwies uns an das BBL, nachdem es sich zuvor mit diesem abgesprochen hatte. Doch das BBL lehnte unser Gesuch ab. Begründung: Beim Gegenstand handle es sich um ein «laufendes Verfahren», weshalb eine Herausgabe aus juristischen Gründen derzeit nicht möglich sei. Es stützt sich dabei unter anderem auf die Tatsache, dass die Behördendelegation der Regionalkonferenz im weiteren Prozess mit dem Bund das Gespräch suchen will.
Die Berner Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, welche Haltung der Bund in dieser Sache vertritt und aus welchen Gründen er es tut.
Journal B ist der Ansicht, dass diese Begründung juristisch nicht haltbar ist, und stellte beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) einen Schlichtungsantrag, wie es für solche Fälle vorgesehen ist (siehe Kasten). Die Schlichtungsverhandlung im Oktober führte zu keiner Einigung, weshalb der EDÖB eine Empfehlung abgab: In einer detaillierten juristischen Auslegung legte er dar, dass er unsere Beurteilung der Sachlage praktisch vollumfänglich teile und empfahl, dass uns das BBL das E-Mail zustellen sollte.
In der Schweiz gilt das Öffentlichkeitsprinzip. Das heisst, dass jede Person grundsätzlich Anrecht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten von Behörden der Bundesverwaltung (z. B. Bundesämtern) hat und ohne Angabe von Gründen Einsicht in diese Dokumente verlangen kann. Zum Schutz überwiegender Interessen kann eine Behörde den Zugang zu Dokumenten einschränken, muss dies jedoch begründen. Die zulässigen Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip sind im Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip geregelt.
Wird ein Gesuch von einer Behörde abgelehnt, kann die gesuchstellende Person beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten EDÖB einen Schlichtungsantrag stellen. Der EDÖB ist eine unabhängige Behörde, die die Einhaltung der bundesrechtlichen Datenschutzvorschriften sowie des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip überwacht. Der EDÖB versucht, zwischen der betreffenden Behörde der Bundesverwaltung und der gesuchstellenden Person zu schlichten und eine Einigung zu erreichen. Gelingt dies nicht, gibt der EDÖB basierend auf den Vorschriften des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip eine Empfehlung ab, die jedoch nicht bindend ist.
Wenn die Empfehlung wie in diesem Fall im Sinne der gesuchstellenden Person ausfällt, von der Behörde der Bundesverwaltung jedoch nicht akzeptiert wird, muss diese eine entsprechende Verfügung erlassen. Diese Verfügung kann wiederum vor Bundesverwaltungsgericht angefochten werden, welches dann über die Gewährung des Zugangs zum betreffenden Dokument entscheidet.
Das Bundesamt lehnt es jedoch ab, der Empfehlung des EDÖB Folge zu leisten. Die Begründung ist dieselbe, welche vom EDÖB als nicht stichhaltig beurteilt wurde. Der Gegenstand sei ein laufendes Verfahren; die Gewährung des Zugangs würde die «freie Meinungs- und Willensbildung» der zuständigen Stellen erheblich beeinträchtigen. Bei Bekanntgabe der Mailinhalte sähen sich diese damit konfrontiert, «die darin enthaltenen Argumente zu rechtfertigen oder zu kontern». Dies habe einen weiteren unerwünschten Effekt zur Folge: «Daraus würde wiederum ein heftiger öffentlicher Diskurs resultieren, was den anstehenden Entscheidungsfindungsprozess […] erheblich beeinflussen und zeitlich unnötig verzögern würde.»
Unverständliche Geheimnistuerei
Für Journal B ist klar: Die Mitwirkung und damit auch die Meinungsbildung des BBL zu den verschiedenen Varianten ist abgeschlossen. Es ist höchst ungewöhnlich, dass einzelne Eingaben zu einer öffentlichen Mitwirkung nicht zugänglich gemacht werden. Die Berner Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, welche Haltung der Bund in dieser Sache vertritt und aus welchen Gründen er es tut. Und auch, wie der Bund gegenüber den regionalen Behörden auftritt, wenn er seine Interessen tangiert sieht. Eine Haltung, die vom EDÖB klar gestützt wird.
Aus diesen Gründen hat Journal B beschlossen, die Verfügung des BBL vor Bundesverwaltungsgericht anzufechten. Doch bis dieses in der Sache entscheidet, wird es mehrere Monate dauern – Zeit, in der hinter verschlossenen Türen neue Fakten zur künftigen Ausgestaltung des öffentlichen Verkehrs in der Stadt Bern geschaffen werden könnten. Journal B wird deshalb an der Sache dranbleiben und weiter über das Thema berichten.