Noch immer im Dornröschenschlaf

von Martin Mäder 4. März 2014

Der Loryplatz ist ein Quartierzentrum des Stadtteils III. Aber obwohl er ein Platz ist, ist er noch lange kein Quartierplatz. Nun gibt es Anzeichen dafür, dass gut wird, was lange währt. Dank der Nähe zum Insel-Areal könnte Bewegung in die Sache kommen.

Wer sich heute auf den Loryplatz verirrt, will in den meisten Fällen schnell wieder von dort weg. Schliesslich gibt es dafür durch das Aufeinandertreffen der Strassenverbindungen Effingerstrasse, Schwarztorstrasse, Schlossstrasse und Könizstrasse sowie den Tramlinien 7 und 8 mit der Buslinie 17 viele Möglichkeiten. Die Fläche am Fusse des sogenannten Engländerhügels mit dem darauf thronenden Loryspital ist mehr eine riesige Kreuzung und wichtige ÖV-Umsteigemöglichkeit, denn ein Platz zum Verweilen.

«Der Platz ist wohl heute zu stark vom Verkehr dominiert, als dass man sich erhoffen könnte, dass darauf einmal ein reges Quartierleben wird stattfinden können», konstatiert Sabine Gresch, die Bereichsleiterin Freiraumplanung im Stadtplanungsamt. Das Fazit der Planerin ist korrekt. Denn der nach Carl Ludwig Lory (1838-1909; Stifter des Loryspitals) benannte Platz war schon immer ein Knotenpunkt. Einst wurden über den Perimeter Waren verschoben – in der Nähe nutzten Mühlen, Stampfanlagen und weitere Handwerksbetriebe die Wasserkraft des Stadt- und des Sulgenbachs – danach legte Mitte des 18. Jahrhunderts die Strassenplanung durch den Grossen Rat der damaligen Republik Bern den noch heute geltenden Status als Verkehrsdrehscheibe fest.

Potential wäre vorhanden

Doch die Tage des Dornröschenschlafs scheinen für den Loryplatz schon bald gezählt zu sein. Ursache für diese Perspektive ist die rege Bautätigkeit ringsum. Sie ist quasi der Erretter aus dem Dauerschlaf. Bedingt durch die bereits realisierten oder zumindest geplanten Überbauungen Brunnmatt Ost, Mutachstrasse sowie Warmbächliweg und Meinen-Areal besteht die grosse Chance, dass dieses Quartierzentrum auch wirklich eines werden wird.

Flankiert werden diese Siedlungsprojekte vom Masterplan für das Insel-Areal. Zudem soll mit dem Stadtteilpark Holligen Nord ein Freiraum zur Erholung geschaffen werden. Dass diese Perspektiven Hoffnungen wecken, versteht sich von selbst. So namentlich bei lokalen Organisationen wie der Quartiermitwirkung Stadtteil III (QM3), dem Holligen-Fischermätteli-Leist oder der eigens gegründeten IG LoryPlatz. Sie alle wünschen sich eine Aufwertung des Loryplatzes. Die formulierten Massnahmen reichen vom Stromverteiler auf dem Platz bis hin zum regelmässigen Marktbetrieb.

Forderungen der Politik

Druck gibt es auch von Seiten Lokalpolitik: So verlangte im Stadtrat eine interfraktionelle Motion von SP/JUSO und GFL/EVP eine Belebung des Loryplatzes, was letztlich zu einem durch das Stadtplanungsamt erarbeiteten Nutzungskonzept führte. Von Seiten der BDP/CVP-Fraktion forderte eine Motion die Schliessung der Bypassverbindung von der Schloss- in die Könizstrasse, um die Platzfläche markant zu vergrössern. Über diesen Vorstoss entscheidet der Stadtrat zwar erst am 13. März 2014, doch bereits heute ist klar, dass der Gemeinderat zwar den Bypass schliessen will, den Rückbau der Strassenfläche zu einer einheitlichen Oberfläche aus Kostengründen aber ablehnt.

Diese Ablehnung überrascht nicht, denn schon im Nutzungskonzept ist vermerkt, dass die Stadt bereits 2008/2009 mit Tram Bern West massiv in den Platz investierte und man mit Blick auf die Stadtfinanzen dort vorläufig nicht nochmals im grösseren Stil in bauliche Massnahmen investieren wolle. Nun sollen mit Signalisationen die Verbindungsstrasse für den motorisierten Verkehr einseitig gesperrt und die dortigen öffentlichen Parkplätze aufgehoben werden. Als weiteren kurzfristigen Schritt will man die Platzquerung mittels eines neu angelegten Kieswegs verbessern.

Belebung tut Not

Die zuständige Gemeinderätin Ursula Wyss (SP) erklärt, dass man mit den geplanten Aktivitäten in Sachen Platzgestaltung «Erfahrungen sammeln und daraus weitere Erkenntnisse gewinnen will». Sabine Gresch vom Stadtplanungsamt hält ihrerseits fest, «dass es zwar schon den Wochenmarkt und vereinzelte Anlässe der Quartierorganisationen gibt, doch müsste die Aufenthaltsfläche grösser sein, damit der Loryplatz zu einem geselligen Ort werden könnte».

Doch auch mit mehr Platz für den Platz wäre man nicht einfach so aus dem Schneider. So betont Sabine Gresch, dass solche Quartierzentren in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung verloren hätten, weil sich der Detailhandel stark wandelte.

«Mit der dortigen Migros-Filiale übte der Loryplatz für die lokale Bevölkerung eine wichtige Funktion als Quartierzentrum aus, doch als sich die Migros im März 2009 zurückzog, gerieten die verbliebenen Geschäfte zunehmend unter Druck», bilanziert Gresch. Dort wo der Detailhandel mit Gütern für den täglichen Bedarf angesiedelt ist, hätten in der Regel andere Geschäfte zumindest eine Chance, von den Kundenfrequenzen zu profitieren. Wegen des von der Migros verhängten Konkurrenzverbots ist es aber vorläufig kaum möglich, dieses Defizit zu beseitigen.

Durchbruch dank Insel?

Punkto Entwicklung sieht Sabine Gresch im Zusammenhang mit dem angrenzenden Inselareal mehr Möglichkeiten. Dieses ist heute Arbeitsplatz von über 7’700 Menschen und jährlich frequentieren rund 500’000 Besucherinnen und Besucher das Inselspital. Mit der im Masterplan Insel-Areal beabsichtigten Entwicklung werden sich diese Publikumsfrequenzen noch wesentlich erhöhen.

Der Loryplatz mit seinem ÖV-Angebot ist eine wichtige Erschliessungsachse für das Insel-Areal. Im Gegenzug stellt dieses für die lokalen Geschäfte ein grosses Kundenpotential dar. Laut Gresch prüft das Stadtplanungsamt, ob man eine direkte Treppenverbindung hinauf zum Loryspital auf dem Engländerhügel realisieren kann. «Man klärt derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie das Kosten-/Nutzen-Verhältnis ab», so Gresch. «Der Platz hat Potenzial, dem Quartier wieder ein attraktives und lebendiges Zentrum zu bieten.»

Das Dornröschen wird wohl bald erwachen.