No-Billag: Eine Ohrfeige für die Marktgläubigen

von Willi Egloff 5. März 2018

Die Niederlage ist heftig. Nur gerade 28% der Stimmenden wollten Radio und Fernsehen dem unkontrollierten Markt ausliefern. In der Stadt Bern waren es nicht einmal 16%. Die ganz grosse Mehrheit sprach sich für eine öffentliche Finanzierung der elektronischen Medien aus.

Sie waren angetreten, die Schweizer Bevölkerung von dem zu befreien, was sie als «Zwangsgebühren» denunzierten. Sie starteten eine lautstarke Kampagne, und sie erhielten Unterstützung von rechten Parteien, vom Schweizerischen Gewerbeverband und von einem Grossteil der gedruckten Presse. Und sie kassierten eine schallende Ohrfeige: Schweizerinnen und Schweizer wollten nicht weniger, sondern mehr Service public im Medienbereich!

Aktive Kulturschaffende

Es war eine eindrückliche Erfahrung: Während sich die am direktesten betroffene SRG vorerst in ängstliches Schweigen hüllte, kämpften lokale und regionale Radios und Fernsehen an allen Fronten um ihr Überleben. Filmschaffende brachten Werbespots und Kurzfilme unters Volk, welche vor einer Gesellschaft ohne Service public warnten. Musikschaffende aller Sparten wehrten sich für ihre elektronischen Verbreitungskanäle. Autorinnen und Autoren unterzeichneten Aufrufe gegen die Vernichtung des Service public im Medienbereich. Offensichtlich hatten die Kulturschaffenden als erste verstanden, dass ihnen «No Billag» nicht nur wichtige künstlerische Aufträge entziehen wollte, sondern auch den Kontakt zu ihren jeweiligen Publika kaputt machen würde.

Auch das Publikum hatte das bald einmal kapiert. Während die Initiantinnen und Initianten noch wortreich von einem unrealistischen Plan B schwadronierten, war es für die Leute in sämtlichen Landesgegenden und in allen Schichten längst klar, dass ein durchkommerzialisiertes Mediensystem nicht in ihrem Interesse sein konnte. Sie waren sich offensichtlich bewusst, dass sie mit «No Billag» ihre mediale Grundversorgung insbesondere im lokalen und regionalen Bereich verlieren würden. Anders ist es nicht zu erklären, dass es bei dieser Abstimmung keinen Röstigraben, keinen Stadt-Land-Gegensatz und keine Genderdifferenzen gab.

Schlechte VerliererInnen

Kaum waren die Stimmen ausgezählt, meldeten sich die Verliererinnen und Verlierer mit Forderungen nach einem raschen Abbau des Service public im Medienbreich zu Wort. Sie forderten also genau das, was die Stimmberechtigten soeben mit überwältigendem Mehr abgelehnt hatten. Man könnte das als Arroganz, als Missachtung des Volkswillens oder als Sturheit bezeichnen. Vielleicht sind diese Fetischistinnen und Fetischisten des Marktes aber auch einfach zu verbohrt, um die Realität wahrzunehmen.

Denn die Abstimmung über «No Billag» war ein klares Bekenntnis zu Medien mit einem öffentlichen Leistungsauftrag, zu Medien, die allen Bevölkerungsteilen eine Grundversorgung mit relevanter Information, Kultur und Unterhaltung garantieren, und dies auf lokaler wie auch auf regionaler und nationaler Ebene. Sie war eine klare Absage an eine marktgesteuerte und nur auf finanziellen Ertrag ausgerichtete Medienlandschaft. Am 4. März 2018 haben die Schweizerinnen und Schweizer für einen leistungsstarken Service public im Medienbereich demonstriert. In der Stadt Bern taten dies nicht weniger als 84,5% der Stimmberechtigen.

Ausbau des Service public ist das Gebot der Stunde

Nicht der Abbau des medialen Service public ist daher anezeigt, sondern dessen substantieller Ausbau. Radio und Fernsehen sollen nach dem Willen der Stimmberechtigten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene effiziente und kräftige Stimmen im Medienkonzert bleiben. Onlinemedien mit eigenem Leistungsauftrag könnten diese traditionellen elektronischen Medien mit spezifischen Zielsetzungen wirksam ergänzen. Vielleicht ist es dazu erforderlich, die mit der Haushaltabgabe vereinnahmten Gelder teilweise umzuverteilen. Soweit dies nicht reicht, wäre auch eine massvolle Erhöhung dieser Abgabe politisch durchaus vertretbar. Genau dies ist das Fazit der schallenden Ohrfeige, welche Stimmbürgerinnen und Stimmbürger den Initiantinnen und Initianten von „No Billag” erteilt haben.