«Nichts tun oder handeln»

von Eliane Oesch 20. Februar 2013

Die Energiestrategie 2050 des Bundes soll den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie ermöglichen. Zudem ist eine ökologische Steuerreform vorgesehen. Welche Rahmenbedingungen müssen für die Energiewende geschaffen werden?

Wie sieht eine gelingende Energiezukunft aus? Diese Frage stand in der Veranstaltungsreihe «Energiestrategie Schweiz – die Kunst der Effizienz» des Forums für Universität und Gesellschaft der Universität Bern im Zentrum. Am Samstag ging die Schlussveranstaltung «Nachhaltige Energiezukunft: Was kann die Politik tun?» über die Bühne.

Auf dem Podium diskutierten Dr. Walter Steinmann (Direktor Bundesamt für Energie), Dr. Thorsten Staake (Direktor Bits to Energy Lab, ETH Zürich), Dr. Patrick Hofer-Noser (Leiter Renewable Energy Systems, Meyer Burger Technology AG) und Prof. Dr. Gebhard Kirchgässner (Schweizerisches Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wissenschaftsforschung, Universität St. Gallen) gemeinsam mit Nationalrat Roger Nordmann (Präsident Swissolar) und unter der Leitung von Martin Läubli («Tages-Anzeiger») darüber, welche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Energiezukunft der Schweiz geschaffen werden müssen.

«Die Wirtschaft ist nicht alles»

Laut Nationalrat Roger Nordmann hat die Politik die Wahl zwischen zwei Szenarien: «Nichts tun. Oder handeln.» Man dürfe als Bürger Entwicklungen fordern, die allein die Sicherheit in den Mittelpunkt rücken. Auch wenn die Ökonomie dabei nicht primär berücksichtigt werde. Durch die Energiewende habe der Mensch langfristig bessere Lebensbedingungen, sodass die «Nicht-Eenergiewende» letztendlich mehr koste. In Subventionen sieht er eine Chance für die Modernisierung unseres Stromprozesses, schliesslich sei Deutschland hierbei mit gutem Beispiel vorangegangen.

«Es gibt keine Alternative»

Dr. Patrick Hofer-Noser ist der Ansicht, dass Solarenergie das grösste Potenzial hat. Allerdings sei es eine Illusion, dass die Grundversorgung alleine durch die Solarenergie gesichert werden könne – es brauche einen Energiemix. Zudem müsse die Politik langfristige Rahmendbedingungen schaffen, die für Investitionssicherheit sorgten und die Rechtsgleichheit sicherstellten. Denn heute müsse bei den Photovoltaik-Anlagen oft rückwirkend etwas geändert werden, wodurch die Investoren das Vertrauen in die Politik verlören. Hofer-Noser ist zuversichtlich, dass die Energiewende funktioniert. Es gebe sowieso keine Alternative.

«Die Preiserhöhung ist essentiell»

«Die neue Energiepolitik bedarf starker Verhaltensveränderungen, die nur zu erwarten sind, wenn die Energiepreise massiv ansteigen», so Prof. Dr. Gebhard Kirchgässner. Die Preiserhöhung sei essentiell: Wenn fossile Energien in Indien oder China nach wie vor billig seien, könne man diese Länder nicht zwingen, nicht darauf zu setzen. Dadurch sei eine Umsetzung dann auch in der Schweiz schwierig. Die Aufgabe der Politik sei es also, die Bevölkerung zu überzeugen, dass Anstrengungen notwendig seien. Dabei sei alles eine Frage der Anpassungsgeschwindigkeit, denn extreme Schocks seien für die Wirtschaft nicht positiv.

«Man muss irrationales Verhalten berücksichtigen»

Dr. Thorsten Staake ist ebenfalls der Ansicht, dass eine Preisanpassung notwendig ist. Allerdings müsse man irrationales Verhalten von der Seite der Akteure berücksichtigen, welches zu Verhaltensänderungen führe. So sei es möglich, dass der Stromverbrauch bei Ökostrombezügern enorm ansteige – im Sinne von: «Ich kaufe teureren Ökostrom, also kann ich auch mehr verbrauchen.» Deshalb glaubt Staake, dass es Ansatzpunkte jenseits der klassischen Diskussion brauche.

«Wir müssen die Jugend begeistern»

Obwohl die Energiewende gemäss einer kürzlich veröffentlichten Economiesuisse-Studie enorme Preiserhöhungen und Subventionen erfordere und so die Marktwirtschaft gefährde, glaubt Dr. Walter Steinmann, dass es Mehrheiten für die Energiewende gibt. Die grossen Verbände etwa würden «Ja» oder höchstens «Ja, aber …» sagen – und nicht «Nein». Dasselbe trifft auf die Kantone zu. Ausserdem kämen die Schwarzmalereien bezüglich Beschäftigung beim Volk nicht mehr an: Man wisse, dass ein Atomausstieg ohne Wohlstandsverluste möglich sei. Und die Realität sei sowieso immer anders als in Modellen. Nicht zuletzt sei das A und O, die Jugend zu begeistern und so neue Forscher, Planer und Umsetzer für die Zukunft zu gewinnen. Das sei schon die Hälfte der Energiewende.