Neues Auffangnetz abseits der Sozialhilfe

von RaBe Info 18. Januar 2023

Um dem Problem der versteckten Armut zu begegnen, hat die Stadt Bern ein neues Programm zur finanziellen Überbrückungshilfe lanciert. Damit soll Menschen geholfen werden, die aus unterschiedlichen Gründen keine Sozialhilfe beziehen können oder wollen.

Das Auffangnetz der Sozialhilfe ist löcherig geworden, immer mehr Menschen fallen durch die Maschen. Wie die vollen Notunterkünfte und langen Schlangen vor den Lebensmittelausgaben zeigen, sind auch nach dem Abklingen der Corona-Pandemie weiterhin viele Menschen auf existentielle Unterstützung angewiesen.

Das Problem der versteckten Armut sei offensichtlich grösser als bisher angenommen, betont Gemeinderätin Franziska Teuscher. Exakte Zahlen gibt es zwar nicht, gemäss wissenschaftlichen Berechnungsmodellen gehe man aber davon aus, dass in der Stadt Bern rund 1500 armutsbetroffene Menschen keine Sozialhilfe beantragen können oder wollen, obwohl sie eigentlich einen Anspruch darauf hätten.

Die Auslagerung an eine unabhängige, nicht-staatliche Stelle war ein bewusster Entscheid, um der verbreiteten Angst der Betroffenen vor behördlichen Stellen Rechnung zu tragen.

Für diese Personen lanciert die Stadt Bern im Rahmen eines Pilotprojektes nun die so genannten Überbrückungshilfen. Gemäss Claudia Hänzi, Leiterin Sozialamt der Stadt Bern umfassen diese die Übernahme von Ausgaben oder Rechnungen in den Bereichen Wohnen, Essen, Kleidung oder Gesundheit. Die finanzielle Unterstützung ist grundsätzlich auf 6 Monate befristet und beträgt maximal 3000 Franken pro Person, bzw. 5000 Franken für Paare.

Die Organisation und Auszahlung der Überbrückungshilfen hat die Stadt Bern an die Fachstelle Sozialarbeit der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung übergeben. Die Auslagerung an eine unabhängige, nicht-staatliche Stelle war ein bewusster Entscheid, um der verbreiteten Angst der Betroffenen vor behördlichen Stellen Rechnung zu tragen.

Eine der Hauptzielgruppen der Überbrückungshilfen sind Migrant*innen. Grund ist, dass gerade für sie der Sozialhilfebezug immer grössere Hürden und auch Risiken mit sich bringt, wie Sozialdirektorin Franziska Teuscher betont. Seit 2019 ist der Sozialhilfebezug direkt mit dem aufenthaltsrechtlichen Status einer Person verknüpft. Heisst, Ausländer*innen die längerfristig viel Sozialhilfe beziehen, müssen damit rechnen, den C- oder B-Ausweis zu verlieren oder zurückgestuft zu werden.

An dieser gesetzlichen Regelung könne die Stadt Bern selber nichts ändern, betont Franziska Teuscher. Mit dem Pilotprojekt aber könne man zumindest die gravierendsten Lücken füllen und auch mehr Klarheit schaffen, wer sich aus welchen Gründen nicht beim Sozialamt meldet.

Die Überbrückungshilfen laufen vorerst bis im Herbst. Dann will die Stadt auf Basis der wissenschaftlichen Begleitstudie entscheiden, ob sie auch im nächsten Jahr weiterlaufen.