Der 1. August steht vor der Tür. Die Anwohnenden in der Berner Altstadt sehen diesem Anlass allerdings mehr besorgt als freudig entgegen. Was sie fürchten, ist das Feuerwerk. Die Böller und die Raketen, die in immer grösserer Zahl von festfreudigen Menschen in den engen Gassen bedenken- und gedankenlos gezündet und abgefeuert werden. Welche Menschen ebenso gefährden wie die Häuser mit ihren Dachstöcken aus jahrhundertealtem Holz.
Die Vereinigten Altstadtleiste VAL machen sich deshalb für eine Neuauflage des Feuerwerksverbot im Stadtrat stark. Denn Langmut und Toleranz der Anwohnenden wurden am vergangenen Silvester definitiv überstrapaziert. Nach einem gewaltigen Böllerschlag am Mosesbrunnen kurz nach Mitternacht verliessen zahlreiche Menschen, die dort mit ihren Familien und Freunden aufs neue Jahr anstossen wollten, fluchtartig den Münsterplatz. Ungeachtet der verbliebenen Menschenansammlung wurden dort weitere Böller, Pyros und mindestens eine Rauchpetarde gezündet. In der Gerechtigkeitsgasse zischte Rakete um Rakete in den Himmel. Auf dem Gitter des Stadtbachs wurden ganze Raketenbatterien aufgestellt und abgebrannt, während gleichzeitig der 12-Bus durch die Gasse fuhr, nur Zentimeter entfernt von den aufsteigenden Raketen.
Einhaltung der Sicherheitsabstände illusorisch
In den Sicherheitshinweisen der Feuerwerkshersteller wird bei Raketen ein Abstand zwischen 70 und 80 Metern zu Personen, Gebäuden und brennbaren Materialien angemahnt. Denn Raketen sind unberechenbar. Es gibt keine Garantie, dass eine Rakete auf Kurs bleibt und wie vorgesehen in der Luft explodiert. Der Sicherheitsabstand kann aber in der Altstadt nirgendwo eingehalten werden. Die Polizei kann nichts tun. «Die Sicherheitsbestimmungen von Feuerwerksprodukten haben keinen gesetzlichen Charakter», wie ein Polizeisprecher gegenüber der BrunnenZytig erklärte, welche das Thema aufgegriffen hat. Die Polizei könne «nur geltenden gesetzlichen Bestimmungen Nachachtung verschaffen».
Eine Rakete wird weit über 1000 Grad heiss. Was also, wenn sie sich in einem der hölzernen Dachfenster, den Lukarnen, verfängt? Oder auf einen der Laubengänge aus Holz in den Innenhöfen fällt, die lange bevor es Wasserleitungen gab errichtet wurden, um zum Beispiel trockenen Fusses von der Wohnung zum Toilettenturm über dem Ehgraben, der Kanalisation, zu gelangen. Das reichlich verbaute trockene Holz in den alten Häusern brennt wie Zunder, Notre Dame lässt grüssen.
Parteiübergreifender Vorstoss im Stadtrat und eine Petition
Für die Anwohnenden ist das eine Horrorvorstellung. Kein Wunder also, dass sich viele nach dieser Silvesternacht hilfesuchend an die Altstadtleiste wandten. Die sondierten in der Folge Möglichkeiten, wie ein Feuerwerksverbot für die Altstadt wieder auf die politische Agenda im Stadtparlament gesetzt werden könnte. Denn vor vier Jahren war ein solches Verbot im Stadtrat gescheitert, an einer Mehrheit von gerade einmal 7 Stimmen. Im Herbst soll nun im Stadtrat ein parteiübergreifender Vorstoss für ein Feuerwerksverbot für die Altstadt traktandiert werden. Gleichzeitig starteten die Altstadtleiste trotz Ferienzeit eine Unterschriftensammlung für eine Petition, die zeigen soll, dass ein Feuerwerksverbot für die Altstadt breite Akzeptanz findet. Was in Thun möglich ist, sollte auch in Bern machbar sein.
Die Altstadt ist das Stadtquartier, das am dichtesten bebaut ist. Die engen Gassen und Verbindungsgässchen, die verwinkelten und ineinander verschachtelten Häuser stellen die Feuerwehr im Fall eines Brandes vor grösste Herausforderungen. Die Feuerwehr würde ein Feuerwerksverbot deshalb auch begrüssen. Die Altstadt habe bisher einfach grosses Glück gehabt, dass es bei Feuerwerken bisher nicht zu grösseren Zwischenfällen gekommen ist. «Das heisst aber nicht, dass nie etwas passieren wird», sagt Simon Zumstein, Abteilungsleiter Feuerwehr, Zivilschutz und Quartieramt. Die Altstadtleiste wollen nicht warten, bis es zu einer Katastrophe kommt. Deshalb sind sie jetzt aktiv geworden und engagieren sich für ein Feuerwerksverbot im UNESCO geschützten Weltkulturerbe der Berner Altstadt.