Mit dem Slogan „Staatsmedien nein!“ war im vergangenen Jahr eine Gruppe reicher libertärer Männer gegen das vom Parlament beschlossene Medienförderungspaket ins Feld gezogen. Wenn der Staat die Medien unterstütze, hörten diese auf, den Staat zu kritisieren, war ihr hauptsächlichstes Argument. Allerdings hielt dieses schon einer allerersten Prüfung nicht stand: Eine indirekte staatliche Presseförderung, wie sie in dieser Gesetzesvorlage enthalten ist, gibt es in der Schweiz nämlich seit genau 173 Jahren. Sie hatte noch keine einzige Zeitung und keine einzige Zeitschrift an politischer Kritik gehindert. Und „der Staat“ hatte auch gar keine Möglichkeit, seinen Kritikerinnen und Kritikern diese gesetzlich geregelte Förderung zu entziehen.
Die Behauptung von drohenden Staatsmedien weckte denn auch ausserhalb der rechtslibertären Szene kaum Interesse. Zu offensichtlich war, dass die Medienvielfalt nicht durch den Staat gefährdet wird, sondern durch Medienkonzerne, die kleine und grössere Lokal- und Regionalmedien zusammenkaufen und sie danach durch sprachregionale Produkte ersetzen, welche einen landesweiten Einheitsbrei vermitteln. Und für eine grosse parlamentarische Mehrheit war daher auch klar, dass in einer direkten Demokratie, die auf informierte Stimmberechtigte angewiesen ist, der Staat Massnahmen zur Sicherung einer Medienvielfalt auch auf lokaler und regionaler Ebene ergreifen müsse.
Eine indirekte staatliche Presseförderung gibt es in der Schweiz seit 173 Jahren
Nun scheint das Referendumskomitee seine Strategie zu wechseln. In einem im „Bund“ vom 7. Januar veröffentlichten Kommentar ist der Präsident des Komitees nun plötzlich gegen die Medienförderung, weil diese vor allem den grossen Medienkonzernen diene. Von den zusätzlich bereit gestellten Millionen würden mehr als 70 Prozent an diese grossen Medienkonzerne gehen, will uns der Abstimmungskämpfer weismachen. Wer sich die Vorlage aber im Detail anschaut, sieht bald einmal, dass diese Behauptung genauso falsch ist wie das Märchen von den Staatsmedien.
Ausbau der indirekten Presseförderung
Das Massnahmenpaket sieht vorerst einmal vor, dass die indirekte Presseförderung in Form der Verbilligung von Posttaxen von bisher 50 Millionen Franken auf 80 Millionen aufgestockt wird. Davon gehen 50 Millionen an abonnierte Zeitungen und Zeitschriften, 30 Millionen an die Mitteilungsblätter nicht gewinnorientierter Organisationen. Anders als bisher ist diese Unterstützung nicht mehr davon abhängig ist, dass die geförderte Zeitung oder Zeitschrift eine im Gesetz festgelegte Auflagengrenze nicht überschreitet. Die genauen Subventionskriterien werden nämlich erst in der Verordnung festgelegt. Der Bundesrat wird aber im Gesetz verpflichtet vorzusehen, „dass die Ermässigungen tiefer sind, je höher die Auflage ist“. Schon in diesem Punkt ist also ausdrücklich verlangt, dass die Kleinen gegenüber den Grossen bevorzugt werden.
Die Behauptung, von den zusätzlichen 30 Millionen für die Posttaxenverbilligung gehe die Hälfte an die grossen Medienkonzerne, könnte also nur richtig sein, wenn der Bundesrat bewusst eine gesetzeswidrige Verordnung erlässt. Es kommt dazu, dass bei dieser Massnahme gar kein Geld verteilt wird, sondern von der Post tiefere Rechnungen gestellt werden, als sie von einem kommerziellen Standpunkt aus vielleicht angemessen wären. Das Geld geht also in jedem Fall an die Post.
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Neu will das Massnahmenpaket auch die Kosten der privaten Frühzustellung während der Woche und an Sonntagen mit 40 Millionen Franken unterstützen. Auch hier erhält nicht der Zeitungsverlag Geld, sondern die Vertriebsorganisation, also z.B. die Firma Presto AG. Auch diese Subvention richtet sich nach der Auflage, und sie muss laut Gesetz tiefer sein, je höher die Auflage ist. Sie kann auch je nach Verbreitungsgebiet unterschiedlich ausfallen, also z.B. in ländlichen Gebieten höher sein als in städtischen.
Viel entscheidender aber ist, dass die Vertriebsorganisationen, welche diese Frühzustellung durchführen, verpflichtet werden, einen Gesamtarbeitsvertrag mit den zuständigen Gewerkschaften auszuhandeln, der branchenübliche Arbeitsbedingungen garantiert. Das wird dazu führen, dass die Leute, die dafür sorgen, dass wir jeden Morgen die Zeitung im Briefkasten finden, endlich überall anständig bezahlt und durch die AHV versichert werden müssen. Die neuen Subventionen in diesem Bereich werden daher zu einem ganz erheblichen Teil diesen nächtlichen Heinzelmännchen und Heinzelweibchen in Form von besseren Löhnen zugute kommen.
Förderung von Onlinemedien
Nach Meinung des Präsidenten des Referendumskomitees gehen auch die im Massnahmenpaket vorgesehenen 30 Millionen für die Unterstützung von Onlinemedien „zu rund 80 Prozent an die Grossen, da primär diese über Bezahlmodelle im Internet und entsprechende Reichweite verfügen“. Diese Behauptung ist schon deshalb bemerkenswert, weil sich gerade die genannten Grossen wie „Blick.ch“ oder „20Minuten.ch“ bitter über die Ausgestaltung dieser Onlineförderung beklagen. Sie erhalten nämlich gar nichts, weil sie eben Gratisportale betreiben. Aber auch die Webportale der grossen Tageszeitungen dürften kaum die grossen Profiteurinnen sein, da laut Gesetz ausdrücklich „nur die dem Online-Medienangebot zuzurechnenden Erträge berücksichtigt werden“. Alle Einnahmen aus Abonnements, die sich auch auf die Papierausgaben beziehen, werden daher irrelevant sein.
Es kommt dazu, dass auch bei dieser Förderung von Onlinemedien im Gesetz ausdrücklich eine Bevorzugung der Kleinen festgehalten ist: Die Subvention wird in Anteilen der Publikumserträge berechnet, und das Gesetz schreibt vor, dass der Anteil kleiner wird, je höher diese Erträge sind. Auch hier ist die Subvention eben klar auf die Förderung lokaler und regionaler Medien ausgerichtet, nicht auf die weitere Bereicherung dominanter Zeitungsverlage.
Massnahmen zur Förderung der Medien-Infrastruktur
Weiter sieht das Massnahmenpaket Massnahmen im Bereich der journalistischen Aus- und Weiterbildung oder der Förderung von Nachrichten- und Bildagenturen vor. So könnte etwa die Schweizerische Depeschenagentur unterstützt werden, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie keine Dividenden mehr ausschüttet. Auch hier hängt es von der konkreten Ausgestaltung ab, welchen Sektoren der Medienlandschaft diese Art der Infrastrukturförderung zugute kommt. Eine einseitige Ausrichtung an den Interessen der grossen Verlage ist aber im Gesetz keineswegs angelegt.
Die im Gesetz genannten Richtlinien machen es undenkbar, dass überdurchschnittliche Beträge an die grossen Medienkonzerne gehen werden
Die wenigen Beispiele zeigen, dass die Behauptung, diese Medienförderung gehe zu 70 Prozent an Mediengrosskonzerne, im heutigen Zeitpunkt jeder Grundlage entbehrt. Es ist nach dem anfänglichen Geschwätz des Referendumskomitees über angebliche Staatsmedien einfach eine weitere Nebelpetarde, welche die Sicht auf die tatsächliche Gesetzesvorlage verhindern soll. Solange die Kriterien für die Aufteilung der Gelder nicht in der Verordnung festgeschrieben sind, ist eine Berechnung der verschiedenen Anteile gar nicht möglich. Die schon im Gesetz genannten Richtlinien machen es jedenfalls undenkbar, dass überdurchschnittliche Beträge an die grossen Medienkonzerne gehen werden.
Druck auf Bundesrat notwendig
Das Massnahmenpaket zielt eben auf das direkte Gegenteil, nämlich auf die Stärkung der lokalen und regionalen Medien und auf die Aufbauhilfe für die noch jungen Onlinemedien wie z.B. Journal B. Ob diese Zielsetzung bei der Umsetzung des Gesetzes auch verwirklicht werden kann, hängt von den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen ab. Es wird ohne Zweifel Druck auf den Bundesrat brauchen, damit die Förderung lokaler und regionaler Medien, die zu Recht als Begründung für die Notwendigkeit des Massnahmenpakets geltend gemacht wurde, in der Verordnung zum Gesetz dann auch tatsächlich umgesetzt wird.
Sollte das Paket verworfen werden, ist eine staatliche Medienförderung wohl auf viele Jahre hinaus verunmöglicht
Über diese Umsetzungsschritte muss allerdings überhaupt nur diskutiert werden, falls das Massnahmenpaket am 13. Februar von den Stimmberechtigten angenommen wird. Sollte es nämlich verworfen werden, so ist eine staatliche Medienförderung sowohl im Presse- als auch im Onlinebereich wohl auf viele Jahre hinaus verunmöglicht. Dann regiert der freie Markt, der die heute bestehende Situation herbeigeführt hat: Ein langsames Sterben der lokalen und regionalen Medien zugunsten eines Oligopols weniger Medienkonzerne, die von Zürich aus den Schweizer Markt mit Einheitskost beliefern. Die Situation auf dem Medienplatz Bern kann dafür als aktuelles Anschauungsbeispiel dienen.