Nachtleben Bern: «Politik ist nicht die Lösung»

von Beat Kohler 5. Februar 2013

So gut ein Konzept für das Nachtleben auch gestaltet sein mag: Jede Jugend wird ihr Nachtleben zu einem grossen Teil selber gestalten und wird bei den älteren Generationen damit anecken. 

«Wenn man in dieser Frage wirklich Erfolg haben will, muss man die Politik aussen vor lassen», erklärte Sven Gubler, ehemaliger Matteleist-Präsident und aktueller Geschäftsführer von Bern City am Mäntig-Apéro. Doch nicht nur er hat bei der Nachtleben-Frage das Vertrauen in die Politik verloren.

Auch Christian Pauli, Präsident von Bekult, glaubt nicht daran, dass die Politik im Moment Teil der Problemlösung ist: «Das ist nicht nur beim Nachtleben so. Der Stadt Bern fehlt insgesamt eine Kulturpolitik.» Seine Hoffnung ist, dass der neu zusammengesetzte Gemeinderat hier etwas Abhilfe schaffen kann.

Dass schlussendlich alles an der Politik und der Verwaltung hängen bleiben soll, dagegen wehrte sich Marc Heeb, Leiter Orts- und Gewerbepolizei Bern. Fast alles am vorliegenden Nachtlebenkonzept sei kritisiert worden. «Ich hoffe nun auch auf Inputs, die zeigen, wie man es besser macht», meinte er an die Adresse der Kritiker.

Fast geriet der Abschluss des Mäntig-Apéros zum Lamento ohne die Hoffnung auf Besserung. Nicht alle beurteilten die Lage ganz so negativ. «In Bern gibt es keine Wahlen dieses Jahr, das ermöglicht konstruktive Diskussionen», sagte Thomas Berger, Präsident von «Pro Nachtleben», hoffnungsvoll. «Um Lösungen zu finden, braucht es ein Miteinander. Wir finden Lösungen, die für alle passen – die Stadt ist gross genug.» Für diese Aussage erhielt Berger vom vorwiegend älteren Publikum Applaus. Sie sei gleichzeitig klein genung, dass alle interessierten Kreise an einem Tisch Platz finden, sagte Christian Pauli hinsichtlich des zweiten Treffens am runden Tisch, das im März stattfinden soll.

Die Analyse des Ist-Zustandes brachte wenig überraschendes zu Tage. «Das Nachtleben ist schnelllebiger geworden. Früher kannten wir Ruhestörungen nur samstagnachts. Inzwischen erhalten wir von Donnerstag bis Sonntag Post von empörten Anwohnern», sagte Polizist Heeb. Dies habe mit den veränderten Familienstrukuren zu tun. Paare teilen ihr Artbeitspensum auf und haben oft auch unter der Woche einen freien Tag. So beschränkt sich der Ausgang nicht mehr aufs Wochenede.

Zudem sucht jeder nach dem eigenen Kick. Gubler: «Wir sind zu einer ‘Ich-Gesellschaft’ geworden, in der jeder nur auf seine eigenen Interessen schaut.» Die ausgedehntere Nachfrage nach Nachtleben darf deshalb auch für Berger nicht ins grenzenlose ausufern: «Ich will ein facettenreiches und lebendiges Nachtleben, aber nicht an 7 Tage die Woche 24 Stunden Halligalli-Partys». Und auch für Pauli ist klar, dass «in der heutigen Nachtleben-Kultur enorm viel Unkultur steckt».

Immer wieder tauchten in der Diskussion Vergleiche mit Städten wie Zürich und Lausanne auf, welche verschiedene Entwicklungen im Nachtleben bereits hinter sich haben. Durch verschiedene Voten schimmerte ein gewisser Minderwertigkeitskomplex gegenüber diesen beiden Zentren. Es sei nicht alles gut, was Zürich im Bezug auf das Nachtleben gemacht habe, betonte der Gewerbepolizist. «Bern soll nicht nur die Polizeistunde aufheben wie Zürich, sondern eine ganzheitliche Lösung finden», konterte Berger.

Dass sich das Nachtleben nicht abschliessend regeln lässt und dass es hier immer zu Reibungen kommen wird, das liess sich aus den beinahe philosophischen Aussagen von Marc Heeb und Christian Pauli heraushören. «Das Nachtleben ist ein sehr dynamischer Prozess. Jede Generation hat ihre eigenen Ausdrucksformen», sagte Heeb und Pauli forderte: «Jede Jugend muss ihre Chance bekommen, die Welt selber zu erobern.»

Die Voten aus dem Publikum zeigten vor allem eines: Die Bewohner der Stadt wollen einfach nicht jeden Morgen zerbrochene Bierflaschen und Erbrochenes sehen und Urin riechen.