«They, nicht sie!» fiel mein Beziehungsmensch seiner Mutter letztens ins Wort, als wir bei seiner Familie zum Abendessen waren. Da wir gerade eben noch über Belangloses gesprochen hatten, löste dieser Einschub am Familientisch noch mehr Stress in mir aus, als in den meisten Fällen, in denen ich «misgendert», also mit falschem Pronomen angesprochen werde. Richtig, es geht hier nicht um einfache Englisch-Deutsch-Übersetzungen, sondern um Pronomen.
They/them/their ist ein englisches Personalpronomen, das auch als genderneutraler Singular gebraucht werden kann. Auf Deutsch wird they als eines von vielen Neopronomen, meist (aber nicht ausschliesslich) von genderqueeren Personen, verwendet. Auch ich benutze dieses Pronomen für mich. Viele Menschen wissen (noch) nicht, was das ist, beziehungsweise, wie es richtig verwendet wird. In solchen Situationen bin ich oft etwas überfordert, da ich weder das Gespräch unterbrechen noch die ganze Aufmerksamkeit auf mich lenken will.
Umso erstaunter war ich, als die Reaktion der Mutter meines Beziehungsmenschen so ganz untypisch für Generation X war. Etwas beschämt fasste sie sich an den Kopf und meinte: «Ich krieg’s nicht hin! Gebt ihr mir Nachhilfe?» Belustigt, aber vor allem positiv überrascht, nahmen wir ihre Bitte ernst und übten gemeinsam am Tisch Neopronomen.
Es ging um die Sache selbst, nicht nur um mich. Es ging darum, zu üben.
Das Schöne daran? Ich war überhaupt nicht im Mittelpunkt des Gesprächs. Es ging um die Sache selbst, nicht nur um mich. Es ging darum, zu üben. Genau das ist das Stichwort, das mir in den Debatten um neue («neo»!) Formen des Sprechens und Schreibens oft fehlt: Es ist für viele unbekanntes Terrain, und was macht mensch da? Na, üebe, dänk!
Dies zum Beispiel, in dem wir uns liebevoll korrigieren, wenn wir Fehler machen und gemeinsam Sätze üben; also «Er hat sich seinen Fuss verknackst» würde zu «They hat sich their Fuss verknackst» werden. Sowohl online als auch analog gibt es Hilfsmittel wie Videos und Informationsbroschüren, in denen gestöbert werden kann und die das Üben erleichtern können.
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Aktivist*innen gehören wahrscheinlich zu den wenigen Menschen, für die dieses Thema nicht so kompliziert scheint. Dies liegt vor allem daran, dass es in aktivistischen Räumen (jedenfalls dort, wo ich mich so herumtreibe) seit längerer Zeit gang und gäbe ist, bei Vorstellungsrunden nebst Namen und lustigem Fakt auch die eigenen Pronomen anzugeben. Das Ziel dieser «Pronoun-Go-Rounds» ist, natürlich nebst dem korrekten Ansprechen von Menschen, aufzuzeigen, dass wir einem Menschen eben nicht ansehen, was für Pronomen er*sie*they braucht.
Damit diese Erkenntnis auch ausserhalb der aktivistischen Blase Fuss fasst, ist es wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem das gemeinsame Üben normalisiert statt verachtet wird. Das wäre das A und O für ein erstes Umdenken in unseren Köpfen – respektive das they und them!