Nachgefragt: Perrenoud zum Aus der Riggisberger Geburtshilfe

von Anne-Careen Stoltze 4. April 2013

Die Riggisberger Hebammen üben nach dem Entscheid der Spital Netz Bern AG auch Kritik an der bernischen Gesundheitspolitik. Ist sie Schuld an der Schliessung der beliebten Geburtshilfe? Journal B fragt beim bernischen Gesundheits- und Fürsorgedirektor Philippe Perrenoud (SP) nach.

Die Geburtsabteilung des Spitals Riggisberg soll nach dem Willen der Spital Netz Bern AG Ende Juli geschlossen werden. Die Betroffenen werfen dem Kanton eine verfehlte Gesundheitspolitik vor – was sagen Sie dazu?

Philippe Perrenoud:

Der Grosse Rat hat sich bei der laufenden Spitalgesetzrevision ganz klar für mehr Wettbewerb ohne Leitplanken entschieden. Ich war für einen moderateren Ansatz. Ich wollte zwar ein vernünftiges Mass an Wettbewerb, aber auch einen Solidaritätsfonds innerhalb aller Spitäler. Doch nun heisst es für die Spitäler, insbesondere kleine ländliche wie dasjenige in Riggisberg: ihr dürft keine roten Zahlen mehr schreiben und müsst euch dementsprechend restrukturieren.

Was bedeutet das künftig?

Der Kostendruck wird in den nächsten Jahren nochmals zunehmen. Besonders zu spüren bekommen werden das die Spitäler in den Randregionen. Der Kanton wird jedoch keine Gelder mehr zuschiessen können aufgrund des Entscheides des Grossen Rates für Ausgaben, die durch die KVG-Tarife nicht oder ungenügend abgedeckt sind.

Ist der aktuelle Entscheid bereits ein Ausdruck für den härteren Wettbewerb, den das Parlament gefordert hat?

Nein, ich würde da jetzt keinen direkten Bezug zu Riggisberg machen. Den härteren Wettbewerb wollten die Eidgenössischen Räte mit der entsprechenden Revision des KVG. Unser Kantonsparlament hat vielleicht nicht alle Auswirkungen dieses neuen Paradigmas realistisch genug eingeschätzt. Dies bedaure ich.

Warum entscheidet sich die Spital Netz Bern AG gegen die Geburtsabteilung?

Es ist kein Entscheid gegen die Geburtsabteilung, sondern eine sorgfältig überlegte Restrukturierung. Die Spital Netz Bern AG wird diese wohl nutzen, um ihre Leistungen mit dem Geld das da ist an diesem Standort langfristig zu erhalten. Darüber kann sich die Region Gantrisch freuen. Ich habe ähnliche Entwicklungen in anderen Regionen schon oft gesehen, zum Beispiel auch in Meiringen. In den ländlichen Gebieten muss man die medizinische Versorgung konzentrieren, sonst ist sie gefährdet.

Aber die Geburtsabteilung in Riggisberg war bis über die Kantonsgrenzen hinaus bei werdenden Eltern beliebt…

Das ist sicher so. Aber man muss klar sehen, dass andere Spitäler auch sehr beliebt sind: etwa ein Drittel aller Geburten im Kanton Bern finden in privaten Spitälern der Berner Agglomeration statt. Im Lindenhofspital kommen pro Jahr über 2200 und in den Kliniken der Hirslandengruppe rund 1100 Babys auf die Welt.

Da kann die Geburtsabteilung in Riggisberg mit ihren rund 300 Geburten pro Jahr nicht mithalten. Ist die Schliessung der Geburtsabteilung auch eine Folge des Zusammenschlusses von Spital Netz Bern und Inselspital?

Ich denke nicht, dass der Zusammenschluss eine Bedrohung für die kleinen Spitäler rund um Bern ist, sondern eher die starke Konkurrenz der privaten Anbieter. Sie ziehen viele Menschen an. Und schliesslich entscheidet der Patient – nicht der Gesundheitsdirektor.