«Musik hat keinen Preis»

von Kylie Barth 8. April 2013

Interview mit der Musikerin und Songschreiberin Nadja Stoller über Strassenmusik als gute Schule, über die Ästhetik der japanischen Teezeremonie und von Spaziergängen auf komischen Planeten.

Nadja Stoller ist in Thun ländlich aufwachsen. Der Wunsch, eine Ausbildung an der Keramikdesign Fachklasse in Bern zu machen, führt sie in die Hauptstadt. Während dieser vierjährigen Ausbildung entdeckt sie ihr Faible für den Gesang. Sie weilte acht Monate in Paris, wo sie auf der Strasse, in kleinen Bars und an privaten Soirées aufgetreten ist. Diese Zeit prägt sie noch heute.

Wann hast du deine Passion für den Gesang wahrgenommen?

Nadja Stoller:

Angefangen habe ich mit klassischen Klavierunterricht, doch das Üben machte mir keine Freude. Somit konzentrierte ich mich auf das Gestalten. Während meiner Ausbildung zur Keramikerin habe ich begonnen, für mich selbst zu singen. Das brachte mich dazu, Jazzgesang an der Hochschule der Künste zu studieren.

Welche Musik gefällt dir persönlich am besten?

Ich höre sehr viel verschiedene Sachen. Ziemlich inspirierend finde ich Indie Musik und Songwriter-Sachen. Gemocht habe ich immer Lieder, die nicht überproduziert sind, wo man den Menschen dahinter spürt, und ihre Geschichten im Mittelpunkt stehen. Anregend finde ich auch fragmentarische Lieder, da sie vieles offen lassen.

Du als Songwriter, wie wichtig sind die Lyrics für ein Lied?

Es gibt viel instrumentale Musik, die sehr Vieles erzählt. Da hat man auch eine Vielzahl an Bildern im Kopf. Aber ich denke, dass der Text unterstützend oder gar verstärkend wirkt.

Was bedeutet für dich Musik machen?

Ich lebe ein Leben ohne Luxus, aber dafür mache ich das, was ich liebe.

«Ich lebe ein Leben ohne Luxus, aber dafür mache ich das, was ich liebe.»

Nadja Stoller, Musikerin

Es ist ein gutes Gefühl, hauptsächlich von der Musik leben zu können. Ich stecke viel Energie und Arbeit rein, da Musik für mich im Zentrum liegt. Sie ist zu meinem Lebensmittelpunkt geworden.

Wie nimmst du das Publikum während deinen Auftritten wahr?

Ich suche immer sehr stark die Verbindung zum Publikum, weil das die Live-Konzerte ausmacht. Die Strassenmusik war für mich eine gute Schule, da ich die Passanten mit meiner Musik anpacken musste, damit sie zuhören und stehen bleiben. Ich erlebe das als Energieaustausch mit der Hörerschaft.

Welche negativen Erfahrungen hast du bis anhin gemacht?

Manche Clubs haben eine Bar und stellen Musikerinnen und Musiker als Background ein. Und wenn die Leute dabei schwatzen, merke ich, dass es mich unglücklich macht, weil da für mich ein wichtiges Element fehlt. Ich möchte bei meinen Auftritten gerne etwas geben. Bei solchen Auftritten hat man das Gefühl, niemand möchte zuhören. Aber mittlerweile stelle ich mir vor, dass ich für diejenigen spiele, die mir zuhören.

Welche Triumphe hast du in der Musikszene gefeiert?

Es gab ganz viele unterschiedliche Konzerte, bei denen die Funken gesprungen sind. Die Höhepunkte habe ich, wenn ich alleine spiele. Es ist so direkt, und man ist eine Stunde lang dauerpräsent. Das gibt mir einen extrem Kick. Einmal, als ich im Sommer in Paris auf der Strasse spielte, tanzten zwei kleine Mädchen. Das war für mich ein magischer Moment, denn sie sahen aus wie kleine Engel mit blonden Haaren.

Wie bezähmst du dein Lampenfieber?

Mittlerweile fühle ich mich ganz wohl auf der Bühne. Allerdings wurde mir am Anfang immer übel. Inzwischen empfinde ich die Aufgeregtheit als positive Spannung.

Wie findest du neben der Musikwelt einen Ausgleich?

Ich arbeite seit über 16 Jahren in einem Teeladen. Da bin ich einmal die Woche im Geschäft, und an einem Nachmittag mache ich eine japanische Teezeremonie.

Wie spielt sich diese Zeremonie ab?

Im ersten Stock haben wir einen japanischen Teeraum, in dem wir eine Bewusstseinsschulung praktizieren. Wir servieren eine Tasse Tee mit einer bestimmten Choreografie. Es hat etwas Meditatives und Ästhetisches, da wir die Zeremonie im Kimono machen. Es geht dabei um dasselbe wie bei der Musik: Um Aufmerksamkeit und darum, eine Stimmung mit den anderen Leuten zu kreieren.

«A.Spell ist, als würden drei Planeten aufeinander treffen aber jeder behält seinen eigenen Spielplatz auf der Bühne.»

Nadja Stoller, Musikerin und Sängerin von «A.Spell»

Mit der Band «A.Spell» hast du eben ein neues Album herausgegeben. Was hat euch inspiriert?

Die Grundidee hatten Jan Galega Brönnimann und ich. Viele Melodien sind beim Ausprobieren entstanden. Der Dritte im Bunde, Ronan Skillen, wohnt in Afrika und trägt, wenn er im Land ist, seinen Teil dazu bei. Insgesamt wurde sehr wenig aufgeschrieben. Das Album ist eine sehr aussergewöhnliche Kombination und tönt nach verschiedenen Weltmusiken.

Wie ist eure Zusammenarbeit entstanden?

Ich habe schon früher mit Jan Galega Brönnimann zusammen gespielt. Später kam Ronan Skillen in die Schweiz, und wir haben gemeinsam gejammt. Dabei merkten wir, dass wir eine Band sein müssen. Man kann sich das so vorstellen, als würden drei Planeten aufeinander treffen, aber jeder behält seinen eigenen Spielplatz auf der Bühne.

Welches ist dein Lieblingslied auf dem Album?

Ja den Titelsong «Where The Strange Creatures Live» mag ich sehr, weil es für mich das Konzentrat ist. Man hat einen klaren Song, aber auch gewisse Nischen. Bei diesem Lied habe ich das Gefühl, dass ich auf den komischen Planeten bin und darauf herumspaziere.