Mitwirken an der Zukunft Berns

von Sabine Schärrer 26. September 2016

Seit Ende August läuft die öffentliche Mitwirkung zum Stadtenwicklungskonzept STEK 2016.

Grosser Aufwand…

Das Stadtenwicklungskonzept STEK 2016 wurde vom federführenden Stadtplanungsamt in rund 3 Jahren intensiver Arbeit mit viel Aufwand, Kosten und mit breiter Beteiligung aus Fachkreisen, Politik und den Quartierorganisationen erarbeitet. In mehreren Durchläufen wurden jeweils die Vorarbeiten hochkarätiger externer Planungsteams den partizipierenden rund 100 Akteuren aus 60 Organisationen vorgelegt. Ob Lob oder Kritik – die in grosser Zahl eingebrachten Anliegen und Vorschläge wurden jeweils seriös aufbereitet und in die nächste Bearbeitungsstufe aufgenommen. Als Teilnehmerin ‚aus der Quartierecke‘ habe ich einerseits erlebt, dass die Partizipation seitens der Verwaltung ernst genommen wurde, dass andrerseits der Aufwand für die beteiligten Organisationen sehr hoch war und einiges Fachwissen erforderte, wollte man sich gründlich mit der jeweils geballten Ladung an Informationen auseinandersetzen.

…und lange Wirkung

Der grosse Aufwand rechtfertigt sich angesichts der Wichtigkeit, die diesem Planungswerk als Grundlage für die Entwicklung Berns für mindestens 15 Jahre zukommt. Zur Erinnerung: das Vorgängerwerk STEK 95, erarbeitet unter dem damaligen Stadtpräsidenten Klaus Baumgartner, löste so prägende Entwicklungen aus wie die Entwicklungsschwerpunkte ESP Wankdorf und Europaplatz oder die flächendeckende Erarbeitung von Quartierplänen. Auch die Grundlage zu einer neuen Verkehrsbetrachtung, deren konsequente Weiterentwicklung zur heutigen Fokussierung auf die Stärkung des Langsamverkehrs führt, geht auf STEK 95 zurück. STEK 95 galt damals in Fachkreisen als wegweisendes Modell. Bern leistete Pionierarbeit was aber – für Bern ja nicht ungewöhnlich – im eigenen Gärtchen kaum wahrgenommen wurde. Nun liegt STEK 16 vor und wird in den Prüfstand der öffentlichen Mitwirkung gegeben. Was fällt auf?

STEK 16 geht neue Wege

STEK 16 nimmt die grosse Herausforderung an, über einen Zeitraum von 15 Jahren hochkomplexe und interaktive Prozesse der Stadtentwicklung zu beschreiben und mögliche Leitideen zu formulieren. Auch hier geht Bern neue Wege indem versucht wird, Stadtentwicklung als Querschnittsdisziplin zu verorten, welche die relevanten Handlungsfelder mit den 3 Nachhaltigkeitskriterien Oekonomie, Oekologie und Gesellschaft verknüpft. Diese in den Vorarbeiten von vielen Akteuren geforderte neue integrale Sichtweise anstelle der Beschränkung auf ‚räumliche Stadtentwicklung‘ ist gelungen, STEK 16 hat ein ungleich grösseres Potenzial, die Lebenswelt der StadtbewohnerInnen nachhaltig zu beeinflussen als STEK 95.

Es finden sich Formulierungen – seien es Leitsätze, Visionen, oder Zielformulierungen die sich tatsächlich zur Gestaltung einer urbanen, sich ständig wandelnden Lebenswelt eignen. Und die notabene unverkennbar die Handschrift der langjährigen linken Mehrheit tragen. Beispiele?

Zitate aus den Leitideen

«Bern ist attraktiver Lebens- und Begegnungsort mit einer vielfaltigen und sozial gemischten Einwohnerschaft.» oder: «Das Wohnungsangebot ist vielfältig. Für jede Familiengrösse und jedes Budget steht ein ausreichendes Angebot zur Verfügung», «preiswerter und gemeinnütziger Wohnungsbau werden im Sinne der Wohninitiative gefördert», «das ‚Gute Leben in der Stadt‘ steht bei der Entwicklung der Quartierzentren und der Quartierstruktur im Mittelpunkt», «Der Anteil MIV am Verkehr wird reduziert und mittels Parkplatzbewirtschaftung gelenkt, die Anzahl Parkplätze reduziert»… Soweit so gut…

STEK als Story

Das neue STEK besteht aus dem behördenverbindlichen Hauptbericht und 2 Vertiefungsberichten (1. ‚Siedlung und Freiraum‘ und 2. ‚Mobilität‘), die als nicht behördenverbindlich erklärt wurden. Der Hauptteil hat eine grosse Flughöhe und beschreibt relativ knapp und prägnant im Kapitel ‚Vision 2030‘ die Ziele sowie drei geschickt ausgewählte ‚Handlungsfelder‘ die sich gut eignen um alle relevanten Entwicklungsmöglichkeiten abzubilden. Die Titel der 3 Handlungsfelder ‚Bern wächst dynamisch‘, ‚Bern ist grün und vernetzt‘, ‚Bern lebt in Quartieren‘ sind gleichzeitig Programm und drei Erzählstränge die sich vielfältig und anregend verknüpfen und schliesslich zur spannenden Story STEK 16 entfalten.

Knacknuss Form und Verbindlichkeit – Büsi oder Tiger?

Allerdings ist die Story des Hauptteils viel zu wenig direkt verknüpft mit den Erkenntnissen, respektive den Grundlagen die in den Vertiefungsberichten beschrieben sind. Diese Grundlagen wurden zudem bereits intensiv diskutiert, sie sind den TeilnehmerInnen des Mitwirkungsverfahrens grösstenteils aus der 3. Überarbeitungsphase bekannt. Weshalb also plötzlich diese Unverbindlichkeit? Hat da jemand kalte Füsse bekommen als festgestellt wurde, wie viel Konkretes für die Zukunft in diesen Grundlagen bereits enthalten ist? Zum Beispiel die genaue Klassierung aller Quartierstrassen, des Basisnetzes und der grossflächig verkehrsberuhigten Wohnquartiere. Oder Aussagen zum Verkehrsmanagement zur Priorisierung des Fuss- und Veloverkehrs.
Es widerspricht eigentlich jeder Planerlogik, lediglich ein Konzept ohne seine Grundlagen als verbindlich zu erklären! Sollten damit dem STEK-Tiger die Zähne gezogen werden? Ohne Verbindlicherklärung der beiden Grundlagenberichte droht der Hauptteil als wolkige Vision oder eben als Büsi statt Tiger zu enden. Dazu ist er definitiv zu schade. Es ist zu hoffen, dass Politik und Mitwirkende diesen Fehler des Gemeinerats noch korrigieren!