Mit «Leck mich»-Lollies in den Stadtrat

von Anne-Careen Stoltze 9. November 2012

Erst sah es so aus, als würde Mark Hayoz in die Fussstapfen seiner Mutter, FDP-Gemeinderätin Barbara Hayoz, treten. Doch beim Jungfreisinn sah er für sich keine Zukunft – bei den Grünliberalen dagegen schon. Nun kandidiert er für den Stadtrat.

Politik kann ein hässliches Geschäft sein. Mark Hayoz hat hautnah mitbekommen, wie böse es zugehen kann, als seine Mutter Barbara wegen des Bärenparks in die Kritik geraten war. Doch deswegen selber aufs Politisieren verzichten? Für den 21-Jährigen kein Thema: «Klar, gehe ich ein Risiko ein, wenn ich etwas bewirken will.» Niemand werde ihn mit Handkuss empfangen. «Aber man darf sich nicht alles zu Herzen nehmen und nicht jeden Medienbericht über sich selber lesen.» Es gebe sicher Politikerkollegen, für die sei jeder Artikel gut – ob positiv oder negativ, Hauptsache PR. Ihm selber liegt das nicht. Abschrecken lässt er sich davon nicht und sagt selbstbewusst: «Wenn es drauf ankommt, kann ich mich wehren.»

«Thematisch ging mir der Freisinn nicht weit genug.»

Mark Hayoz, GLP-Kandidat

Mit Politik ist er am Küchentisch gross geworden. Seine Mutter wirkte zunächst im Grossen Rat und später im Gemeinderat. «Sie hat mein Interesse für die Politik geweckt, und den Weg dahin erleichtert, aber sie hat mir nie Dossiers gegeben, damit ich sie lese.» Zunächst zog es Hayoz deshalb zum Jungfreisinn. «Mit den liberalen Ideen konnte ich mich sehr gut identifizieren», sagt er. Umgekehrt kam Hayoz bei seinen Parteikollegen so gut an, dass er 2010 mit 19 Jahren bereits für den Grossen Rat kandidierte.

Die Mutter vermittelte Kontakt zu GLP

Doch im vergangenen Jahr trat Hayoz beim Jungfreisinn aus und der Grünliberalen Partei Bern (GLP) bei. «Thematisch ging mir der Freisinn nicht weit genug, die Energiefrage gehört für mich heute zwingend dazu. Gerade diese kam beim Jungfreisinn viel zu kurz», erklärt Hayoz. Von aussen betrachtet mag der Wechsel ziemlich abrupt gewesen sein. «Für mich war es aber ein längerer Prozess.» Den ersten Kontakt vermittelte gar die Mutter: Sie besorgte ihm die Handynummer von GLP-Stadtrat Michael Köpfli. Nach den ersten Gesprächen war für Hayoz klar, dass die GLP seine neue politische Heimat werden würde. «Auch meine Kandidatur für den Stadtrat war ein Thema.» Mit seinem Alter hat das sicher auch zu tun: «Jede Partei ist heute froh um Nachwuchs.»

Slogan «Leck mich – Wähl mich» irritiert manche

Mark Hayoz steht zusammen mit 40 anderen auf der Liste. Seine Wahlchancen schätzt er – falls die GLP sechs Sitze erreicht – auf etwa 20 Prozent. «Ich gebe im Wahlkampf alles.» Facebook und Twitter spielen dabei keine Rolle. Hayoz ist lieber auf Strassen und Plätzen, vor Einkaufszentren und in der Stadt unterwegs und verteilt nicht einfach Flyer, sondern Lollies.

Auf denen ist nebst seinem Konterfei der Schriftzug zu sehen: «Leck mich – wähl mich». Diesen Humor muss er älteren Leuten erst erklären. Gut kommen die Schleckstängel hingegen bei Jungen an. Und genau diese möchte er für die Wahl mobilisieren. «Es ist schade, dass sie politisch nur wenig interessiert sind. Dabei braucht es uns in der Politik.» «Bern könnte noch mehr Kultur vertragen.»

Als Stadtrat will er sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass EWB (Energie Wasser Bern) ihre Gewinne nicht mehr an die Stadt abliefern muss, sondern damit erneuerbare Energien fördern kann, dass die zweite Tramachse gebaut wird und Ringbusse in den Quartieren fahren, um den Bahnhofplatz zu entlasten.

Mehr Kultur für Bern 

Sein eigentliches Herzensthema ist jedoch das Berner Kultur- und Nachtleben. «Bern könnte noch mehr Kultur vertragen, vor allem Konzertlokale und Kleintheater», sagt Hayoz, der selbst Musiker ist. Heute bestehe ein Ungleichgewicht zwischen den grossen Institutionen wie dem Stadttheater und den Museen, die die grössten Beträge der Kulturförderung verschlingen.

«Es muss ein Weg gefunden werden, dass auch in der unteren Altstadt Clubs und Lokale betrieben werden können.»

Mark Hayoz, GLP-Kandidat

«Das ist auch gut so, dass Bern sein Kulturgut erhält, aber die kleinen Kulturorte dürfen darüber nicht verloren gehen», erklärt Hayoz, der am liebsten in den Gaskessel geht. «Für die Zukunft des ‘Chessu’ würden schon 200’000 Franken reichen.»

 

Ein Dorn im Auge ist dem grünliberalen Nachwuchspolitiker die Sperrstunde. «Sie erschwert ein lebendiges Nachtleben. Es müsste ein Weg gefunden werden, dass es auch in der unteren Altstadt möglich ist, Clubs und Lokale zu betreiben», sagt er und erinnert an das geschlossene Sous Sol.

Unterschiedliche Ansichten

Um Rat fragen will Mark Hayoz, der noch daheim wohnt, seine Mutter später nicht. «Natürlich reden wir viel über politische Themen. Aber manche klammern wir lieber aus, weil wir da zu unterschiedlicher Ansicht sind.» Er finde etwa nicht, dass die Stadt dreckig sei oder gefährlich. Ihm ist wichtig, als eigenständige Person wahrgenommen zu werden. Auf die Verwandtschaft wurde er bislang wenig angesprochen und wenn, dann habe er das Thema runtergespielt. «Und ich finde es auch besser, dass meine Mutter nicht mehr im Gemeinderat sein wird, wenn ich in den Stadtrat käme.» Bei dieser Konstellation wäre ihm nicht wohl.

Falls es diesmal mit der Wahl nicht klappt, will Mark Hayoz «einfach weitermachen und es bei anderer Gelegenheit wieder versuchen». Langweilig wird ihm auch so nicht. Parallel zur Ausbildung an der Hotelfachschule in Thun arbeitet er gerade intensiv an seiner ersten CD – die Record-Release-Party findet zwei Tage vor der Wahl statt.