Mit Kriminalromanen die Gesellschaft spiegeln

von Julia Richter 16. April 2013

Roger Strub ist Präsident des Vereins «Criminale 2013». Dieser organisiert das jährlich Treffen der deutschsprachigen Krimiautoren erstmals in der Schweiz. Strub ist Mitglied im «Syndikat», der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur.

«Ich bin ein Besessener.» Diese Selbsteinschätzung Roger Strubs lässt viel erwarten. Das Schreiben sei schon immer seine Leidenschaft gewesen, erklärt der 1957 in Bern geborene Autor. Den dafür notwendigen Rucksack an Fähigkeiten habe er sich mit seiner Tätigkeit als Werbetexter und Drehbuchautor für multimediale Lern- und Informationsprogramme über die Jahre hinweg aneignen können. Dieser Prozess war immer wieder von Unterbrüchen und Zweifeln begleitet, ob er «gut genug» sei, um einen Roman zu schreiben.

Roger Strub sieht Kriminalromane als ein ideales Medium, um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und um menschliche Abgründe zu beleuchten. Dabei zieht er seine Inspiration immer aus realen Gegebenheiten, nutzt Zeitungen und Gerichtsurteile als Ausgangspunkt seiner schriftstellerischen Tätigkeit. In seinem Kriminalroman Waches Auge kritisiert er beispielsweise die «lahme Justiz» – er habe von verschiedenen stossenden Gerichtsurteilen gelesen, die ihn in Erstaunen und Empörung versetzten und die so «einfach nicht mehr geschehen dürfen». In Flüchtiges Geld thematisiert Strub die Problematik der deregulierten Finanzmärkte.

«Bern ist eine interessante Mischung aus gutbürgerlicher Biederkeit und Urbanität»

Roger Strub, Autor

Bisher hat Roger Strub sechs Kriminalromane geschrieben. Die Stadt Bern habe dabei immer einen grossen Einfluss gehabt – Roger Strub hat fast sein ganzes Leben in Bern und Umgebung verbracht. Für ihn ist die Stadt eine «interessante Mischung aus gutbürgerlicher Biederkeit und Urbanität». Auf Berndeutsch schreiben sei aber keine Option – «das überlassen wir Pedro Lenz, der macht das gut.»

Trotz dieser Bern-Verbundenheit verlagert Strub den Schauplatz seiner Romanhandlungen ab dem fünften Band von Bern nach Biel. Dies sei einerseits, weil seine Hauptfigur eine Veränderung gebraucht habe, um sich weiter entwickeln zu können. Andererseits hat Roger Strub während seinen Lesungen in verschiedenen Städten der Schweiz festgestellt, dass er in den Regionen Biel und Solothurn wesentlich mehr Publikum hatte als in der Stadt Bern.

Ohne Weichspüler und mit Ecken und Kanten

Strubs Protagonistin heisst Lena Bellmann. Eine Frau, die sich nach ihrer vielversprechenden und erfolgreichen Tätigkeit bei der Kriminalpolizei in Bern im fünften Band der Krimireihe selbständig gemacht und ein kleines Detektiv- und Frauenberatungsbüro namens «Lenaria GmbH» in Biel eröffnet hat.
Identifiziert sich Roger Strub mit Lena Bellmann? «Autobiographische Elemente sind in Büchern immer enthalten», sagt Strub. Mit Lena Bellmann teile er vor allem das Element der Leidenschaft – in den Romanen kämpft sie für Gerechtigkeit, für die Integration von Ausländern, gegen rechtsnationales und eugenisches Gedankengut und setzt sich für Frauenanliegen ein.

Er habe bei seiner schriftstellerischen Tätigkeit immer den Anspruch gehabt, tabufrei zu sein und sich von der typisch schweizerischen «Weichgespültheit», die es allen recht machen will, zu distanzieren. So dürfen seine Figuren auch Fehler und einen «Unterleib» haben.

«Autobiographische Elemente sind in Büchern immer enthalten»

Roger Strub, Autor

Tatsächlich ist das eigentlich sympathische an der Romanfigur Lena Bellmann, dass sie keine toughe Superheldin darstellt, der alles gelingt. Auch sie scheitert und erleidet Rückschläge. Beispielsweise wird der junge Bumin in Tödliche Punkte ermordet, obwohl Lena Bellmann angestellt wurde, auf ihn aufzupassen. Und in Flüchtiges Geld hat Lena Bellmann Angst, für ihren neuen, zehn Jahre jüngeren Freund bald nicht mehr attraktiv genug zu sein. Man ist nahe dran, an der Figur der Lena Bellmann und beginnt sie zu mögen – gerade weil sie ein Mensch ist, wie wir alle: Mit Ecken, Kanten, Selbstzweifeln und Fehlern.

Dass das Private dennoch ein bisschen untergeht und die zwischenmenschlichen Beziehungen teilweise unglaubwürdig wirken, liegt wohl an der Kürze der Bücher. Ähnlich wie die Handlungen der Kriminalromane, die bisweilen den Eindruck von Überstürztheit und Unglaubwürdigkeit hinterlassen, bleiben auch kleine menschliche Interaktionen und Lena Bellmanns Selbstreflexionen in Oberflächlichkeiten stecken. Dennoch sind Roger Strubs Bücher einfach zu lesen, unterhaltsam und schnörkellos-intelligent geschrieben.

Geplant ist ein weiterer Roman mit Lena Bellmann. Wir können also gespannt sein, was als nächstes kommt.