«Mein Kopf ist gerade komplett im ESC-Modus»

von Lucy Schön 13. Mai 2025

B-Kanntschaft Wie landet man von der Hochschule der Künste Bern im grössten Pop-Spektakel Europas? Nicolas Döbelin mischt im Wettbewerbs-Kernteam des Eurovision Song Contests mit.

Mit über 160 Millionen Zuschauer*innen weltweit gilt der Eurovision Song Contest als grösste Live-Show Europas. Ein kulturelles Megaevent zwischen Kunst und Kitsch. 2025 ist die Schweiz zum dritten Mal seit dem allerersten ESC 1956 in Lugano Gastgeberin: In der St. Jakobshalle in Basel laufen die letzten Proben. Das erste Halbfinale wird heute um 21 Uhr ausgestrahlt.

Mitten im Getümmel: Nicolas Döbelin. Der 32-Jährige hat an der Hochschule der Künste Bern (HKB) den Bachelor in Multimedia Production abgeschlossen und befindet sich aktuell im Masterstudium Multimedia Communication & Publishing. Als ausgebildeter Journalist hat er unter anderem an SRF-Formaten wie Impact und Kassensturz mitgewirkt. Zudem ist er als Tänzer und Choreograph tätig. Beim ESC 2025 ist er Assistant to the Head of Contest – und damit Teil des Contest-Teams hinter Europas grösstem Pop-Event.

Wie behält man bei einem solchen Riesen-Event die Nerven? Und wie sieht der Alltag hinter den Kulissen der Show wirklich aus? Wir haben Nicolas Döbelin kurz vor dem grossen Start interviewen können. Spätabends, nach einem langen Tag in der Halle.

Nicolas, du studierst an der HKB in Bern. Dein Alltag spielt sich jedoch gerade in der St. Jakobshalle in Basel ab. Wie kam es, dass du ausgerechnet beim ESC 2025 gelandet bist?  War das Zufall, Vitamin B – oder ein klarer Karriereplan?
Nicolas Döbelin: Nichts von alldem. Ich habe das Stelleninserat online gesehen und dachte mir: Warum nicht einfach mal bewerben? Ehrlich gesagt bin ich davon ausgegangen, dass ich den Job sowieso nicht bekomme. Aber ich dachte, sie kennen dann wenigstens meinen Namen – vielleicht ergibt sich später mal was. Und dann kam die Zusage.

Bist du denn überhaupt ESC-Fan?
Ja, mega! Früher hab ich’s immer mit meiner Familie geschaut, das war so ein kleines Highlight. Und seit etwa zehn Jahren bin ich richtig drin – ich verfolge sogar schon die ganzen Vorentscheide und wer sich wo qualifiziert.

Mitten im Geschehen. Links Lotta Furebäck, Deputy Contest Producer, und rechts Christer Björkman, Head of Contest (Foto: zvg).

«Assistant to the Head of Contest» – klingt wichtig, aber auch etwas abstrakt. Was machst du konkret?
Ich bin quasi die linke Hand von Christer Björkman, Head of Contest, und Lotta Furebäck, Deputy Contest Producer. Anfangs dachte ich: Lauf ich denen jetzt einfach hinterher und bringe Kaffee? Aber nein. Ich wurde von Anfang an ins Team eingebunden. Inzwischen bin ich die Schnittstelle zwischen ihnen, den Länder-Delegationen und Teams wie Kamera, Licht oder Choreo. Ich sammele Infos, verteile sie weiter, beruhige gestresste Leute und sorge dafür, dass alles läuft. Seit wir in der Halle sind, geht’s richtig los: Proben, Feedback, Bühnen-Änderungen – alles direkt vor Ort.

Wie sieht ein typischer Tag jetzt ein paar Tage vor dem Start aus? Bleibt da noch Zeit zum Durchatmen?
Ehrlich gesagt: Nein. Mein Kopf ist gerade komplett im ESC-Modus. Auch an den Wochenenden bin ich dran – selbst wenn ich frei hätte, lese ich Mails, weil vieles einfach nicht warten kann – es sind schliesslich 37 Länder, die wir koordinieren. Klar, das ist intensiv – aber es ist absehbar, ich bin ja nur drei Monate dabei. Und es macht richtig Spass. Ich bin morgens um neun unterwegs, checke Mails auf dem Weg, dann starten die Proben der verschiedenen Länder, das geht bis spät in die Nacht. Du machst zig Dinge gleichzeitig.

Der Eurovision hat über 160 Millionen Zuschauer*innen. Wie gehst du mit diesem Druck um?
Klar, das kommt einem immer wieder mal in den Sinn – vor allem, wenn man in einem kleinen Besprechungsraum sitzt und weiss: Diese Ideen gehen bald um die ganze Welt. Aber im Alltag wird’s irgendwie normal. Der eigentliche Druck ist eher, dem Ganzen gerecht zu werden. Ich glaube, so richtig realisieren werde ich es erst, wenn die Halle voll ist und alles live läuft.

Nicolas ist Teil des Contest-Teams (Foto: zvg).

Du studierst an der HKB in Bern. Was aus dem Studium hilft dir konkret in deinem Job?
Im Master an der HKB geht es stark um Arbeiten in journalistischen Redaktionen – wie man sich organisiert, kommuniziert und gemeinsam Lösungen findet. Genau das erlebe ich hier im Team, das mehrheitlich aus Schweden kommt. Die Arbeitskultur ist wie in meinem Studium sehr flach, lösungsorientiert und auf Augenhöhe. Dazu kommt auch der Austausch mit Menschen mit anderen beruflichen Hintergründen – beim ESC sind es zum Beispiel Leute, die LED-Lichter programmieren. Ich muss nicht alles verstehen, aber ich muss mit ihnen sprechen können.

Wer ist dein persönlicher Favorit beim ESC 2025 – und warum?
Es gibt es Acts und einzelne Beiträge, die mich persönlich besonders berühren. Ich darf vor dem Wettbewerb aber leider nicht sagen, wer mein Favorit ist.

Dann kannst du uns auch nicht sagen, wer deiner Meinung nach gewinnt?
Leider nein. Zudem habe ich die Songs inzwischen hundert Mal gehört und ich habe keinen neutralen Blick mehr (lacht). Ich bin genauso gespannt wie ihr, wie das Publikum entscheidet.