Mein Herz ist eine Arche Noah

von Meret 21. Februar 2024

Kolumne Tiere gehen bei der Debatte um die Klimakrise oft vergessen. Unsere Kolumnistin wünscht sich mehr Empathie und Solidarität und findet, dass Klimagerechtigkeit nicht bei einer Spezies aufhören darf.

Kürzlich stach mir ein Bild, das in einem Schaufenster in der Stadt ausgestellt war, ins Auge. Darauf war ein Schiff mit verschiedenen Tieren abgebildet, und mein biblisches Wissen reichte gerade aus, um zu verstehen, was die Darstellung bedeutete. Mein Gehirn unterbrach die soeben im Kopf herrschende Stille mit entschiedenem Tonfall und verkündete: «Dein Herz ist eine Arche Noah.» Mein Gehirn kommt mir regelmässig mit solchen Verknüpfungen, die mich im ersten Moment überraschen und im zweiten Moment überzeugen.

Mein Gehirn hatte recht. In meiner Brust ist tatsächlich eine Arche Noah, die jedem Tier einen sicheren Platz bietet, wenn auch leider nicht physisch, dafür aber ohne Platzbeschränkung. In der Debatte um die Klimakrise gehen Tiere meiner Meinung nach zu oft vergessen und als Person, die Eidechsen, Koalas, Welse, Hochlandrinder, Blindschleichen, Schimpansen, Gänse und Elefanten gleichermassen liebt, verspüre ich stets einen stechenden Schmerz, wenn mir wieder aufs Neue bewusst wird, wie sehr Tiere unter den Folgen der Klimakrise leiden.

(Als Klammerbemerkung muss ich noch ein kleines Geständnis machen, ich will hier ja ehrlich sein: Das «gleichermassen lieben» ist nur auf der rationalen Ebene so ganz wahr, emotional quietsche ich beim Anblick einer Forelle nicht mit dem gleichen Entzücken wie bei jenem eines Hochlandrindes oder eines Kapuzineräffchens.)

Wir sind in Ländern wie der Schweiz mitverantwortlich dafür, dass Tiere überhaupt mit schrumpfenden Lebensräumen, Temperaturextremen und Nahrungsknappheit konfrontiert werden.

Was ich eigentlich sagen wollte: Ich empfinde sehr viel Liebe und Respekt für Tiere und würde mir wünschen, dass diese Achtung vor unseren Mitlebewesen verbreiteter wäre. Nun würden gewisse Personen vermutlich einwenden, dass man sich ja nicht auf alles konzentrieren könne und wir als Menschen halt mit anderen Menschen natürlicherweise mehr Empathie haben. Ich lasse dieses Argument nicht gelten.

Erstens dosieren zu viele Leute auch ihre Solidarität mit anderen Menschen (insbesondere mit jenen im globalen Süden) so, als gäbe es die Gefahr einer Überdosis, und zweitens sind wir in Ländern wie der Schweiz sehr mitverantwortlich dafür, dass Tiere überhaupt mit schrumpfenden Lebensräumen, Temperaturextremen und Nahrungsknappheit konfrontiert werden.

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Klimagerechtigkeit darf nicht bei einer Spezies aufhören und Tiere müssen bei der Bekämpfung der Klimakrise, respektive der Adaption, einberechnet werden. Es geht nicht darum, wer jetzt wichtiger ist, ob «Mensch oder Tier» (dieser Gedanke funktioniert nämlich auch nur dann, wenn man den Menschen separat denkt), sondern um ein Verständnis für unsere Verantwortung und unsere Pflichten jedem Lebewesen gegenüber.

Ich lasse sogar Schnecken auf mein Schiff, obwohl ich eine Schneckenphobie habe und Zitteranfälle bekomme, wenn ich unverhofft solch einem Weichtier begegne. Wenn ich dazu in der Lage bin, bist auch du fähig, hinzuschauen und Tieren mit dem Respekt zu begegnen, der ihnen gebührt.

Mein Herz ist eine Arche Noah und ich rette die Tiere vor der Flut der Vergessenheit.