Mein Coiffeurladen liegt an der Hiltystrasse, die in einer Sackgasse an der Grenze zu Muri endet, weil aus der in den zwanziger Jahren geplanten neuen Überlandstrasse nie etwas wurde. Der untere Teil hatte früher mehrere Läden: eine Getränkehandlung, ein Dekorations- und ein Kolonialwarengeschäft, das nun unser Wohnhaus ist.
Heute gibt es einen EDV-Betrieb und den Coiffeurladen. René und Vreni Balmer haben ihn vor kurzem ihrer Nachfolgerin Vesna – «einfach Vesna, das reicht» – übergeben. Eine Nachfolgeregelung, wie man sie sich für einen Quartierladen häufiger wünscht.
«Wir haben eine tolle Nachfolgeregelung», steht im Schaufenster geschrieben, neben Theaterplakaten, und alle drei seien weiterhin im Laden anzutreffen, «auch die zwei frisch gebackenen AHV-Teenager». Vesna wohnt quer gegenüber im Haus, deren Besitzer wie sie eine Tochter haben. Die beiden Kinder spielen oft und gern zusammen.
Und tatsächlich: Weiterhin sind alle drei täglich im Geschäft anzutreffen. «Es ist wunderbar hier», sagt Vesna, «ich liebe es, wenn ich den Nachbarn am Morgen durch das Schaufenster zuwinken kann.»
Einmal im Jahr wird der Coiffeurladen zum Quartiertreffpunkt, wenn zwischen November und Januar in der Hiltystrasse Apéros für die Nachbarn organisiert werden. „Wir sind seit Anfang dabei – immer an einem Montag, da können wir vorbereiten, weil wir ja an den andern Tagen Kundschaft haben,» sagt René.
So stehe ich am Montag, 15. Dezember einmal mehr in ihrem Laden. Rechts sechs Coiffeurstühle für Damen, links zwei für Herren, in deutlichem Missverhältnis zu den rund zwanzig Leuten, die sich stehend in den Laden drängen. Das Empfangspult ist mit Brötchen belegt, Vesna, René und Vreni füllen die Gläser der Nachbarn mit Fasnachtswein. Jeder Neuankömmling wird freudig begrüsst, auch wenn er durch die Türe einen Schwall Kälte mitbringt.
Der beste Apero der ganzen Strasse, sind sich alle einig. Und von aussen durchs Schaufenster gesehen bieten die Leute in diesem Raum das perfekte Quartiertheater. «Das ganze Leben ist ein Theater,» meint René. Er und Vreni kennen diese Aufführung. Sie führten den Coiffeurladen während 46 Jahren. Und beide spielten 40 Jahre lang Theater.