Mehr Bernerinnen auf Wikipedia

von Rita Jost 10. Mai 2021

Susanne Wampfler, Astrophysikprofessorin an der Uni Bern; Nicoletta della Valle, Direktorin Fedpol; Margrith Schläppi-Brawand, erste Berner Grossratspräsidentin; Leny Bider, Flugpionierin; Becki Probst, Kulturvermittlerin … die Liste ist bunt und alles andere als vollständig. Es sind Bernerinnen, die auf ihrem Gebiet Epochales leiste(te)n, aber die bisher ohne Eintrag auf Wikipedia sind. Eine Gruppe von Journalistinnen will das ändern.

Am Dienstag, 11. Mai findet – wiederum virtuell – das 6. Edit-a-Thon-Treffen statt. Medienfrauen (und einige männliche Kollegen) recherchieren und schreiben einen Abend lang Biografien von verdienten Frauen, deren Lebensläufe bisher auf Wikipedia fehlen und laden diese Texte anschliessend auf der Wissensplattform hoch. Mit dieser Aktion soll ein Missverhältnis im Netz korrigiert werden: Noch immer ist es nämlich so, dass auf deutschsprachigen Seiten von Wikipedia die Frauenbiografien bloss 16 Prozent ausmachen.

 

70 Texte pro Anlass

Organisiert wird dieser Schreibanlass von Journalistinnen von Ringier, SRF und Wikimedia. Teilnahmeberechtigt am Schreibevent sind – laut den Organisatorinnen – «ausgebildete und angehende Journalistinnen und Journalisten sowie alle weiteren interessierten Personen, die beruflich schreiben oder einen professionellen Schreib-Hintergrund haben». 

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An den gemeinsamen Edit-a-thon Anlässen werden jeweils rund 70 Artikel verfasst, ergänzt oder verbessert, die danach auf die Plattform hochgeladen werden. Die Teilnehmerinnen erhalten auch eine Einführung in die Anforderungen an Stil und Aufmachung der Texte. Es wird auch über Kriterien diskutiert, welche Personen oder Ereignisse eine Erwähnung im Netz verdienen. Diese Kriterien sind allerdings nicht fix, wurden aber bisher weitgehend von männlichen Autoren bestimmt. 

Die Bernerin Rebecca Vermot, Redaktorin bei Helvetas, hat bei einem der ersten Edit-a-Thon-Schreibanlässen mitgemacht. Sie findet die Aktion «eine coole Sache», betont aber auch, dass das Verfassen der Beiträge anspruchsvoll sei. Inhaltlich, aber auch technisch. Anfängerinnen sind beim Verfassen auf Unterstützung angewiesen. Denn die Einträge müssen einheitliche Kriterien erfüllen. So müssen beispielsweise alle Informationen mit Quellenangaben belegt sein. Und wer schreibt, dürfe nicht verbandelt sein mit «seiner» Protagonistin. «Aber,» so Vermot, «die Stimmung am Anlass selber war toll, extrem konzentriert. Man half sich aus, las gegenseitig die Texte und liess sich von den erfahrenen Schreiberinnen helfen und beraten.»

 

Bernerinnen noch untervertreten 

Zur Relevanzdiskussion merkt Vermot kritisch an, dass nach dem Erstellen der Texte diese vor dem Freischalten noch einen Wikipedia-internen Check durchlaufen. In den Beurteilergremien sässen mehrheitlich Männer, die dann nicht bloss über den Stil urteilten, sondern übers Freischalten an sich. 

Bisher ist die Aktion «Frauen für Wikipedia» – gemäss Rebecca Vermot – punkto Schreiberinnen etwas Zürich-lastig. Wohl nicht zuletzt, weil die Initiative von Zürcherinnen ausging und bisher – wenn nicht virtuell – im TV-Studio Leutschenbach stattfand. Die Absicht, in nächster Zeit, noch einige Bernerinnen mehr mit einem Eintrag auf Wikipedia zu verewigen, ist aber da. Das ist nicht zuletzt wichtig für Medienleute. Wer für einen Artikel Personen sucht oder für ein Podium den Lebenslauf von Teilnehmerinnen recherchiert, geht meist zuerst im Netz auf die Suche nach vorhandenen Biografien. Ein Eintrag ist deshalb auch ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu mehr Frauenstimmen in den Medien und zur besseren Sichtbarmachung von Frauenleistungen.

Mit jedem Edit-a-thon und jedem Neu-Eintrag wird das Verhältnis von männlichen und weiblichen Erwähnten auf Wikipedia etwas ausgeglichener. Für Bernerinnen interessant: dank der Aktion «Frauen für Wikipedia» hat beispielsweise auch die Bernerin Marie Böhlen, die erste vollamtliche Jugendanwältin der Schweiz, seit kurzem ihren Eintrag.