Medienförderung: Ein Eigentor der Grossverlage

von Willi Egloff 10. September 2020

Bundessubventionen für die grossen Presseverlage, leere Worte für die Onlinemedien – das schlug die zuständige Kommission dem Nationalrat als neue Medienpolitik vor. Der Rat hatte dafür kein Gehör und wies die Vorlage an die Kommission zurück. Die Diskussion geht damit in eine neue Runde.

Mehr Geld für den Versand von Zeitungen, mehr Geld für die Ausbildung von Medienschaffenden, zusätzlich eine Förderung von Onlinemedien – das hatte der Bundesrat dem Parlament als kurzfristige Massnahmen zur Förderung der Medien in der Schweiz vorgeschlagen. Die meisten betroffenen Verbände hatten diesem Massnahmenpaket im Grossen und Ganzen zugestimmt. Der Ständerat hatte es Sommer mit wenigen Änderungen bereits verabschiedet.

Dann aber meldeten sich zwei Grossverleger zu Wort: Der Chef von CH-Media, Peter Wanner, wehrte sich in einem ganzseitigen Artikel in seiner «Schweiz am Wochenende» gegen die geplante Förderung von Onlinemedien. Der Chef der TX-Group, Pietro Supino, liess seinerseits verlauten, dass diese Onlineförderung keine Priorität habe und gerne noch etwas aufgeschoben werden könne.

Kleine Notiz am Rande: Pietro Supino ist Präsident des Schweizerischen Zeitungsverlegervebandes, Peter Wanner sein Vizepräsident. Der Verband hatte während Monaten die gegenteilige Position vertreten und sich für die geplante Förderung von Onlinemedien eingesetzt. Wie ernst kann man einen Verband nehmen, dessen Spitze den eigenen Verbandsbeschlüssen in den Rücken fällt?

Grössere Notiz am Rande: Zu Peter Wanners CH-Media gehört das Internetportal «Watson.ch», zu Pietro Supinos TX-Group gehört das Internetportal «20Minuten.ch». Beide würden nach den aktuellen Plänen des Bundesrates kein Geld erhalten, weil Gratisportale von der Förderung von Onlinemedien ausgeschlossen wären. «Solange wir nichts kriegen, dürfen auch die andern nichts kriegen», scheint die hehre Grundhaltung der beiden Grossverleger zu sein. Die medienpolitischen Auswirkungen dieser Verweigerungshaltung sind ihnen offenbar egal.

Zu früh gefreut

Tatsächlich hatten die beiden Grossverleger mit ihrem Vorstoss vorerst Erfolg. Mit gezieltem Lobbying erreichten sie, dass die Kommission für Verkehrs- und Fernmeldefragen des Nationalrates die Vorlage aufteilen wollte: Die Millionen für die gedruckte Presse jetzt gleich, die Förderung von Onlinemedien nach weiteren Abklärungen eventuell am Sankt-Nimmerleins-Tag. Grosser Fürsprecher dieser fiesen Regelung: der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen.

Allerdings war die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Breite Kreise wehrten sich gegen die Vorstellung, der kriselnden Presse mit zusätzlichen Bundesmillionen unter die Arme zu greifen und gleichzeitig die viel zukunftsträchtigeren Internetmedien ihrem Schicksal zu überlassen. Die grüne Genfer Nationalrätin Isabelle Pasquier-Eichenberger beantragte dem Rat, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen und zu verlangen, dass das Paket gesamthaft beraten und dem Rat neu vorgelegt werde. In der heutigen Debatte fand dieses Anliegen dank SP, Grünen und Mitteparteien eine klare Mehrheit.

Damit haben die beiden Grossverleger ein klassisches Eigentor geschossen. Beim Versuch, die ungeliebte Förderung der Onlinemedien abzuschiessen, haben sie gleich auch die weitgehend unbestrittene Erhöhung der Fördermassnahmen für sich selbst bachab geschickt. Weil sie den andern nichts gönnten, haben sie jetzt selber nichts. So dumm kann es laufen, wenn man nicht über den eigenen Tellerrand hinausschaut.

Heftige Auseinandersetzungen zu erwarten

Allerdings: Ein Eigentor kann man ja wieder wettmachen, solange das Spiel nicht zu Ende ist. Es ist daher zu erwarten, dass die Grossverleger sich jetzt dafür stark machen werden, dass die Förderung von Onlinemedien so ausgestaltet wird, dass sie in erster Linie ihnen selbst zugutekommt. Dies dürfte wohl bedeuten, dass nicht mehr auf die Einnahmen der Portale abgestellt werden soll, sondern auf deren Reichweite. «Money for clicks», dafür wären wohl auch Supino/Wanner zu haben.

Das aber würde definitiv keinen Sinn machen. Medienförderung kann ja nicht bedeuten, die Medienkonzentration zu beschleunigen, sondern sie müsste im Gegenteil auf die Ausweitung der Medienvielfalt zielen. Das kann aber nur erreicht werden, wenn diese Medienförderung dezentral ausgerichtet ist und Medien unterstützt, die auf regionaler Ebene einen Service public erbringen oder sich an spezifische Publika wenden, welche in den kommerziellen Medien nicht oder nicht ausreichend vertreten sind oder die dort nicht angesprochen werden. Mit andern Worten: Medienförderung muss sich an komplementäre Medien wenden.

Wie eine solche Förderung aussehen kann, hat das Bundesamt für Kommunikation mit seiner Förderung privater Radio- und Fernsehveranstalter über viele Jahre hinweg vorgemacht. Es bindet die finanzielle Unterstützung an die Erbringung spezifischer publizistischer Leistungen im Bereich des Service public. Dies können sowohl die Vermittlung von Inhalten in hoher journalistischer Qualität als auch Leistungen im Bereich der Ausbildung, der Inklusion und der sozialen Integration sein. Das Modell kann 1:1 auf die Förderung von Onlinemedien übertragen werden.

Journal B steht klar für dieses erfolgreiche Modell. Natürlich auch aus Eigennutz, vor allem aber aus medienpolitischen Gründen. Medienförderung muss zur Medienvielfalt beitragen. Das gilt auch für die Presse. Es darf nicht genügen, bedrucktes Papier zu versenden, um Subventionen des Bundes zu erhalten. Es muss sich vielmehr um Inhalte handeln, die zum Service public beitragen und den öffentlichen Diskurs über kulturelle, politische, soziale, wirtschaftliche und viele andere Belange unterstützen. Wer sich nicht zu solchen Leistungen verpflichten will, darf auch nicht um Subventionen buhlen.

Im Hinblick auf die Wiedervorlage des Massnahmenpakets zur Medienförderung in der Dezembersession muss es daher darum gehen, die Subventionen an klare Leistungsaufträge zu binden. So wie es für private Radio- und Fernsehveranstalter seit Jahren der Fall ist. So wie es auch für Presse und Onlinemedien, die mit öffentlichem Geld unterstützt werden, durchaus normal wäre.