Am 13. Februar 2022 lehnten die Schweizer Stimmberechtigten ein von Bundesrat und Bundesversammlung geschnürtes Gesetzespaket mit verschiedenen Massnahmen zur Förderung journalistischer Medien deutlich ab. Die Mehrheit war der Auffassung, dass dieses Paket vor allem den grossen Verlagen nütze, aber kaum zur Medienvielfalt beitrage. Es fördere damit den Fortbestand überholter Geschäftsmodelle und behindere die Entwicklung neuer Medien.
Als Reaktion auf ihre Niederlage verlangten die grossen Presseverlage eine Förderung aus anderer Quelle: Nicht der Staat solle sie in Zukunft unterstützen, sondern die internationalen Suchmaschinen wie Google und Bing sowie die Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram. Als Vorbild einer solchen Massnahme sahen sie den in der EU eingeführten Schutz von Presseerzeugnissen bei der Nutzung im Internet, der in Deutschland unter dem sonderbaren Begriff «Leistungsschutzrecht für Presseverleger» diskutiert wird.
Link-Abgabe statt Verlegerrecht
Die Lobbyarbeit der Grossverlage war insofern erfolgreich, als es gelang, die damalige Justizministerin Keller-Sutter von der Berechtigung des Anliegens zu überzeugen und sie für die Kampagne einzuspannen. Der Bundesrat beauftragte das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) in der Folge, eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Diese wurde am vergangenen Mittwoch veröffentlicht.
Es soll ein System eingerichtet werden, wie es hinsichtlich der indirekten Entschädigung für die private Nutzung von Filmen und Musik besteht.
Wie sich nun zeigt, schlägt das für den Gesetzesentwurf zuständige Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) einen sehr viel raffinierteren Weg vor, als er auf EU-Ebene gewählt wurde. Die Verlage sollen nicht einfach berechtigt werden, von den Suchmaschinen und Plattformen Geld zu verlangen, sondern sie erhalten einen Vergütungsanspruch, der nur von einer Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Es soll also ein System eingerichtet werden, wie es hinsichtlich der indirekten Entschädigung für die private Nutzung von Filmen und Musik besteht. Wir bezahlen beim Kauf von Leerträgern, und der daraus resultierende Ertrag wird durch eine Verwertungsgesellschaft auf alle Berechtigten an den gespeicherten Musikwerken und Filmen verteilt. Statt einer Abgabe auf Leerträgern soll hier eine Abgabe auf Links bezahlt werden, mit welchen die Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen den Abruf journalistischer Veröffentlichungen erleichtern.
Diesem neuen Ansatz liegt gemäss den Erläuterungen des IGE eine doppelte Überlegung zugrunde: Zum einen soll verhindert werden, dass die Entschädigungen zwischen den grossen Plattformen und den grossen Verlagen ausgehandelt werden, ohne dass die Interessen der kleineren Medienunternehmen berücksichtigt werden. Zum andern soll sichergestellt werden, dass die Urheberinnen und Urheber der verlinkten Beiträge, also die Journalistinnen und Journalisten, an den Entschädigungen beteiligt werden.
Ein sachgerechter Vorschlag?
Beide Zielsetzungen sind durch dieses neue System durchaus erreichbar: Über die Höhe der Tarife verhandeln die Plattformen nicht mit einzelnen Verlagen, sondern mit Verwertungsgesellschaften. Diese sind verpflichtet, die Interessen sämtlicher Medienunternehmen zu wahren, wozu natürlich auch Fachpublikationen, Radio- und Fernsehveranstalter*innen, Online-Medien, Blogs und viele andere mehr gehören. Gleichzeitig sind sie von Gesetzes wegen verpflichtet, die Urheberinnen und Urheber der Beiträge angemessen an den Erlösen zu beteiligen. Wie das IGE in seinen Erläuterungen ebenfalls festhält, versteht es darunter eine hälftige Aufteilung der Erträge.
Je mehr ein Medienunternehmen journalistischen Inhalt von öffentlichem Interesse produziert, umso stärker soll es an den Entschädigungen beteiligt werden.
Mit seinen Vorschlägen macht das IGE auch klar, dass es ihm nicht einfach darum geht, eine zweckgebundene Steuer zulasten der grossen Plattformen einzuführen, sondern dass es ihm tatsächlich um die Förderung journalistischer Medien geht. So sollen nur Medienunternehmen an den Erträgen beteiligt werden, welche «nach in der Branche anerkannten Regeln für die journalistische Praxis» arbeiten. Für die Verteilung soll «der Beitrag der journalistischen Veröffentlichungen zur Erfüllung des Informationsbedürfnisses» und sollen insbesondere bei den einzelnen Medienunternehmen die Löhne und Honorare massgeblich sein, welche «an die Urheber und Urheberinnen der in den journalistischen Veröffentlichungen verwendeten journalistischen Werke zu entrichten sind». Mit andern Worten: Je mehr ein Medienunternehmen journalistischen Inhalt von öffentlichem Interesse produziert, umso stärker soll es an den Entschädigungen beteiligt werden.
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Insofern kann der Vorschlag unter dem Gesichtspunkt der Förderung publizistischer Medien durchaus als sachgerecht bezeichnet werden. Seine Einbettung in das Urheberrecht erscheint allerdings als gesetzgeberischer Kraftakt, weil die Medienunternehmen gar keine urheberrechtliche Leistung erbringen und für etwas entschädigt werden sollen, das mit Urheberrecht nichts zu tun hat. Sehr viel logischer und gesetzgeberisch einfacher wäre das umgekehrte Vorgehen: Der Entschädigungsanspruch sollte den Urheberinnen und Urhebern, also den Journalistinnen und Journalisten, zugewiesen werden, und die jeweiligen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, also die Medienunternehmen, wären an diesem Anspruch angemessen zu beteiligen.
Geringer Effekt für den Lokaljournalismus
Ob diese Link-Abgabe die hohen Erwartungen erfüllen kann, welche mit der Lancierung der Idee verbunden sind, bleibt zweifelhaft. Die bisherigen Erfahrungen auf EU-Ebene sprechen eher dagegen, hat doch der jahrelange Kampf um dieses Verlegerrecht bisher vor allem zu hohen Verwaltungs- und Beratungskosten, aber zu keinen relevanten Erträgen geführt. Diesbezüglich verspricht der nun vom Bundesrat vorgeschlagene Weg deutlich mehr Erfolg. Allerdings entspricht er in vielerlei Hinsicht nicht den Absichten der ursprünglichen Lobbyist*innen.
Unabhängig vom Schicksal der vorgelegten Vernehmlassungsvorlage muss die staatliche Förderung lokaler und regionaler Medien vorangetrieben werden.
Sicher ist aber, dass diese Link-Abgabe eine spezifische Förderung des lokalen Journalismus nicht ersetzen kann. Da die Höhe der Abgabe nach der Zahl der journalistischen Veröffentlichungen berechnet und die Erträge nach den Aufwänden der einzelnen Medienunternehmen für die Beschäftigung von Journalistinnen und Journalisten verteilt werden sollen, ist von vorneherein klar, dass die grössten Kuchenstücke auf die grossen Medienhäuser entfallen werden. Für kleinere Medienunternehmen wie beispielsweise Journal B werden nur Brosamen abfallen.
Das ist auch richtig so. Urheberrecht hat eben nichts mit einer inhaltsbezogenen Medienförderung zu tun. Diese muss sich vielmehr am öffentlichen Interesse an einem funktionierenden öffentlichen Informations- und Meinungsaustausch orientieren und damit vor allem auf eine Stärkung der lokalen und regionalen Informationsmedien zielen. Das kann nicht die Aufgabe einer Link-Abgabe sein. Unabhängig vom Schicksal der vom Bundesrat jetzt vorgelegten Vernehmlassungsvorlage muss daher die staatliche Förderung lokaler und regionaler Medien vorangetrieben werden.