«Die Zahl der überregionalen Zeitungen, die das politische Geschehen im Kanton Bern redaktionell begleiten, ist kontinuierlich gesunken», schreibt der Regierungsrat in seinen Erläuterungen zur Revision des bernischen Informationsgesetzes. Dieser Konzentrationsprozess wirke sich vor allem bei den Lokalseiten und den Lokalredaktionen aus. Es sei daher «unvermeidlich, dass lokale Sichtweisen und Bezüge verloren gehen und die Lokalberichterstattung an Breite und Tiefe» einbüsse. Dies wiederum führe dazu, dass die Bevölkerung das Interesse an den lokalen politischen Themen verliere bzw. dazu aus den Medien keine verlässlichen Informationen mehr erhalte.
Dieser Verlust an Information über das lokale Geschehen bedroht nicht zuletzt auch die Institutionen der direkten Demokratie. Wer sich nicht mehr für lokale Themen interessiert, nimmt voraussichtlich immer weniger an lokalen oder kantonalen Abstimmungen teil und stellt sich auch nicht für politische Ämter in der Gemeinde oder im Kanton zur Verfügung. «Die Folge davon sind sinkende Stimmbeteiligung und Abstimmungen, die von einem immer kleineren Teil der Bevölkerung getragen werden», stellt der Regierungsrat in seinem Bericht diesbezüglich fest.
Indirekte Medienförderung
Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, schlägt der Regierungsrat die Einführung einer indirekten Medienförderung vor. Diese soll «den Erhalt einer qualitativ hochstehenden und vielfältigen Berichterstattung zu kantonalen und regionalen Themen mit politischer Relevanz» dienen. «Indirekt» sind diese Massnahmen insofern, als nicht einzelne Medien unterstützt werden sollen, sondern nur Institutionen, welche als Intermediäre den Medien die Beschaffung von Informationen zu kantonalen, regionalen und lokalen Themen erleichtern.
Eine Ausnahme gibt es hier allerdings für den Südjura, wo die direkte Förderung französischsprachiger Medien möglich sein soll. Eine solche Förderung wurde in den Jahren 2004-2011 bereits einmal praktiziert, indem das damalige Radio Jura Bernois mit einigen 10’000 Franken jährlich subventioniert wurde.
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Als Beispiel für eine indirekte Förderungsmassnahme nennen die Erläuterungen die Unterstützung von Nachrichtenagenturen wie Keystone-SDA mit der Verpflichtung, dass diese professionelle Beiträge zu kantonalen, regionalen und lokalen Themen bereitstellen. Der staatliche Beitrag könnte hier beispielsweise die Beschäftigung zusätzlicher Personen ermöglichen, die sich diesen Themen widmen. Die einzelnen Medien könnten danach diese Beiträge übernehmen oder als Rohstoff für eigene Berichte verwenden.
Denkbar wäre laut Regierungsrat auch eine technologische Unterstützung der Medienanbieterinnen durch die Förderung von digitalen Infrastrukturen, z.B. der Betrieb einer gemeinsamen technischen Plattform, über welche unterschiedliche Medienangebote abgerufen werden könnten. Auch die Unterstützung eines Systems zur Verwaltung digitaler Medieninhalte (sog. Content management), das allen elektronischen Medien zur Verfügung steht, wäre laut Regierungsrat zu prüfen.
Förderung von Förderungsinstitutionen
Ausdrücklich sieht der Gesetzesentwurf die Unterstützung von Institutionen vor, welche ihrerseits die Förderung von Medienangeboten oder die Fortbildung von Medienschaffenden bezwecken. So könnten etwa Ausbildungsgänge für Journalistinnen und Journalisten oder private Stiftungen unterstützt werden, die ihrerseits Medienförderung betreiben. Ebenso könnten Forschungsvorhaben im Bereich der Medien unterstützt werden. Voraussetzung wäre in jedem Falle, dass die Unterstützung auf die Förderung kantonaler, regionaler oder lokaler Berichterstattung zielt.
Auch diese Form der indirekten Förderung soll sicherstellen, dass die Medienförderung nicht einem Gefälligkeitsjournalismus Vorschub leistet, sondern auf Meinungsvielfalt zielt. Die Befürchtung, die Behörden könnten «den Medien inhaltliche Vorgaben machen oder die Berichterstattung indirekt steuern, indem die Unterstützung gezielt bestimmten Medien» zugutekomme, durchzieht die gesamten Erläuterungen des Regierungsrates zum Gesetzesvorhaben. Dieser Gefahr soll eben gerade dadurch vorgebeugt werden, dass die Gelder nicht an einzelne Medien fliessen, sondern nur an rechenschaftspflichtige Intermediäre.
Förderung politischer Bildung
Laut Regierungsrat soll die Medienförderung «eine freie, vielfältige und kritische Information der Medien zu politischen Themen und öffentlichen Angelegenheiten» gewährleisten. Da passt es gut, dass der Regierungsrat mit dem gleichen Gesetz auch eine Gesetzesgrundlage für die Förderung politischer Bildung schaffen will. Eine solche braucht es, damit der Kanton auch in Zukunft das Politforum Käfigturm unterstützen kann, was er heute im Sinne einer Übergangsregelung auf einer provisorischen Rechtsgrundlage tut. Der Gesetzesentwurf formuliert aber ein sehr viel allgemeineres Ziel: Die neue Förderung soll das Vermitteln von Wissen zu Politik und Demokratie, das Wecken von Interesse an solchen Vorgängen und den Erwerb von Kompetenzen für die aktive Teilnahme am politischen Geschehen unterstützen. Sie würde daher auch andern Institutionen als dem Politforum zugutekommen können.
Allerdings stellt der Regierungsrat auch gleich klar, dass von dieser kantonalen Medienförderung keine Wunder erwartet werden können. Er rechnet damit, dass er für die gesamten Massnahmen «pro Jahr zwischen 500’000 und 750’000 Franken einsetzen muss, um eine gewisse Wirkung zu entfalten». Geht man davon aus, dass für die Unterstützung des Politforums Käfigturm ein sechsstelliger Betrag notwendig ist und dass für die Schaffung einer einzigen Vollzeitstelle für einen Lokaljournalisten oder eine Lokaljournalistin bei einer Nachrichtenagentur mit Gesamtkosten von ca. 150’000 Franken zu rechnen ist, so wird klar, dass diese neue Medienförderung keine grossen Sprünge erlauben wird.
Dreimonatige Vernehmlassung
Noch sind diese neuen Instrumente nur Vorschläge des Regierungsrates. Ob sie jemals Gesetz werden, werden die kommenden Monate zeigen. Als erstes läuft dazu nun eine Vernehmlassungsfrist, welche bis zum 9. Juli 2021 dauert.
Allerdings liegen dem Vorschlag des Regierungsrates eine ganze Reihe Vorstösse zu diesem Themenkomplex zugrunde, welche vom Grossen Rat überwiesen worden waren. Das hochaktuelle und für die direkte Demokratie existenzielle Problem scheint daher im Bewusstsein der Parlamentarierinnen und Parlamentarier durchaus angekommen zu sein. Die Chance, dass die kantonale Medienförderung in der einen oder andern Form Tatsache wird, dürfte durchaus gut sein.
Der Verdienst des Regierungsrates ist es, dass er mit dem Revisionsvorschlag zum Informationsgesetz erstmals konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet. Welche Massnahmen wirklich helfen und wo das eingesetzte Steuergeld die grösste Wirkung entfaltet, wird die Praxis zeigen müssen. Eine baldige Verabschiedung des Gesetzes würde die Möglichkeit schaffen, trotz beschränkter Mittel rasch eine solche Praxis zu entwickeln und die nötigen Erfahrungen zu sammeln.