Noch vor nicht allzu langer Zeit schwitzten hier Fitnessbegeisterte beim Krafttraining, heute trainieren Journalist*innen, Sendungsmachende und Aktivist*innen ihre grauen Zellen und Stimmbänder. Seit Juni finden sich in den zu Büros umgebauten ehemaligen Fitnessräumlichkeiten am Sulgenrain 28 ein alternatives Berner Medienhaus und eine Heimstätte für aktivistische Berner Bewegungen.
Es war nicht ganz einfach, etwas Passendes zu finden.
Auch Journal B hat neu am Sulgenrain seinen Sitz. Wir schätzen nicht nur die Nähe zu Aare und die Verlockung durch gleich zwei Gelaterias – sondern insbesondere den Austausch mit den anderen Parteien im Haus. Zeit also, um unsere neuen Mitbewohner*innen mal etwas genauer vorzustellen.
Suche nach einem neuen Nest
Alles begann mit Radio RaBe, dem alternativen Berner Kulturradio, das seit 1996 auf Sendung ist. Denn: Im Verlauf des letzten Jahres wurde klar, dass es sein Sendungsräume am Randweg in der Lorraine aufgrund einer Totalsanierung verlieren wird (Journal B berichtete). Und machte sich deshalb auf die Suche nach einem neuen Nest.

«Es war nicht ganz einfach, etwas Passendes zu finden», erinnert sich Luca Moser, der sich bei RaBe unter anderem um Administration und Mitgliederverwaltung kümmert. Sie hätten unzählige Standorte besichtigt. Eine Zwischennutzung sei auch nicht in Frage gekommen, sie wollten nicht nach kurzer Zeit schon wieder die Umzugkartons packen müssen.

Gleichzeitig sollte der neue Standort vielfältigen Ansprüchen Genüge tun. «Es sollte belebt sein, eine gute Mischung zwischen Wohn- und Geschäftsgebiet und nicht zu weit weg vom Zentrum sein, zudem nicht unbedingt in einem Industrieviertel», so Luca Moser.

Ein Ort, an welchem sie auch Leute empfangen könnten, vielleicht mal einen Event oder ein Konzert veranstalten. Vor allem aber sollte es ein Ort «an dem das RaBe als Kulturinstitution reinpasst und auch dem Quartier einen Mehrwert bringt». All dies fand Radio RaBe schliesslich am Sulgenrain 28 – und machte sich sogleich auf die Suche nach weiteren interessierten Parteien.
Das Medienbüro auf der einen Seite
Im Sulgenrain ist momentan noch viel Baulärm zu hören. Erst Ende Oktober werden die Studios und weiteren Räumlichkeiten von Radio RaBe bezugs- und sendefertig sein. Bis dahin muss sich das Radio noch mit einem provisorischen Studio im ersten Stock des Gebäudes behelfen. Im Grossraumbüro im Erdgeschoss haben RaBe, Journal B und die Berner Kulturagenda ihre Arbeit jedoch schon voll aufgenommen.

Die Berner Kulturagenda erscheint online und jede zweite Woche als Beilage zu Bund/Berner Zeitung. Das Kulturmagazin, das sich in den letzten zwei Jahren neu aufgestellt hat, hatte seinen Sitz bis zu diesem Sommer im Dazwischen im Brunnmatt-Quartier.

Dort fehlte dem dreiköpfigen Team um Susanne Leuenberger jedoch der Austausch mit anderen Medien. «Mir gefällt, die räumliche Nähe und der Austausch, den das gemeinsame Büro ermöglicht. Ein wichtiger Schritt fürs Zusammenspannen im Kulturjournalismus», sagt die Redakteurin dazu, «Es ist sehr unkompliziert.» Dazu trägt auch eine Küche bei, die von allen gemeinsam genutzt und in der auch mal zusammen gegessen wird.
Der Umzug war auch eine Gelegenheit, mal wieder auszumisten.
Nicht zuletzt möchten die drei Medien Journal B, RaBe und BKA ihre bereits bestehenden Kooperationen nun am Sulgenrain vertiefen und Synergien nutzen. Bereits jetzt übernimmt Journal B Beiträge von RaBe-Info und steuert seinerseits Recherche- und Bildarbeit bei. Auch zwischen Journal B und der BKA besteht ein regelmässiger Austausch von Texten.
Rebellion und Aktivismus auf der anderen Seite
Aus dem hinteren Teil des Sulgenrains erklingt ein Gitarrensolo. Hier hat sich Voodoo Rhythm Records eingemietet. Das Plattenlabel wurde 1992 von Beat Zeller alias Reverend Beat-Man gegründet und hat sich auf rebellische Musik der 1950er-Jahre spezialisiert. In der Münstergasse betreibt das Label einen Plattenladen. Lager- und Büroräume hatte Voodoo Rhythm Record lange im Wankdorf, nun haben sie ihre eindrückliche Plattensammlung an den Sulgenrain gebracht. «Der Umzug war auch eine Gelegenheit, mal wieder auszumisten», schmunzelt Beat-Man.

Mit Voodoo Rhythm Record durch ein grosses Fenster verbunden und gegenüber den Medienbüros liegt die aktivistische und gleichzeitig etwas gemütlichere Seite des Sulgenrains. Bücherregale, eine kleine Küche mit einem Kachelmosaik und alte Sofas verwandeln den vorderen Raum in ein aktivistisches Wohnzimmer, das mit seinen verschiebbaren Elementen schnell an die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen angepasst werden kann.

Sechs solche haben sich hier eingemietet: der Klimastreik, die Klimaallianz, der Living Room, Wir Alle sind Bern, ActNow und das Haus der Bewegungen. Das Haus der Bewegungen koordiniert die gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten. «Für uns ist dies hier eine Art Prototyp», erklärt Jann Kessler vom Haus der Bewegungen. Die Idee, die hier getestet werden soll: Verschiedene aktivistische Gruppierungen teilen sich zusammen eine Infrastruktur, um die Fixkosten zu verringern und den Austausch untereinander zu fördern. Ein Crowdfunding hat den Umbau ermöglicht, der auch hier noch nicht ganz abgeschlossen ist.
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Der Raum am Sulgenrain dient als Sitzungszimmer, Vorbereitungsraum, kann aber auch für Podiumsdiskussionen oder Ausstellungen genutzt werden. Eine der ersten Veranstaltungen ging Mitte September schon über die Runde: Eine Podiumsdiskussion mit der WOZ-Journalistin Bettina Dyttrich zu ökologischem Anarchismus. Langweilig wird es den Sulgenrainer*innen in Zukunft also sicherlich nicht.